Die letzten beiden Wochen habe ich ein schönes Reitbuch aus der Bibliothek ausgeliehen, nämlich „Grundausbildung des jungen Reitpferdes“ von Ingrid und Reiner Klimke. Auf den ersten Blick klingt es natürlich als ob dieses Buch nur etwas für Leute ist, die ein Jungpferd haben oder Jungpferde ausbilden, aber das ist keineswegs der Fall. Denn die Grundausbildung eines Pferdes bleibt ja unabhängig vom Pferdealter immer gleich und die meisten Freizeitreiter bleiben ja sowieso ihr Leben lang auf einem Level, der unter „Grundausbildung“ laufen dürfte. Wobei es bei diesem Buch geht ist die klassische Grundausbildung der FN im ersten Ausbildungsjahr, also der Weg von der Remonte bis zu der Befähigung eine solide A-Dressur gehen zu können, bzw. ein A-Springen und ein A-Geländeritt (und um ehrlich zu sein, die Anzahl der Freizeitpferde, die das tatsächlich jemals erreichen, dürfte gar nicht mal so groß sein und innerhalb eines Jahres schon gar nicht). Von dem her kann man von den Inhalten dieses Buches als Freizeitreiter vermutlich sein ganzes Reiterleben lang gut zehren.
Und obwohl die Ausbildung des Pferdes im Mittelpunkt steht, werden in diesem Buch die zu vermittelnden Inhalte (Bahnfiguren, Lektionen und die Skala der Ausbildung) sehr gut und anschaulich erklärt inkl. schematischer Bebilderung von Bahnfiguren und Cavaletti- und Sprungaufbauten, so dass sich das Buch auch als Nachschlagewerk für Reiter gut eignet. Es ist auch ein gutes Buch wenn einem die FN-Richtlinien zu theoretisch und trocken sind, denn diese werden in diesem Buch kompakt auf den Punkt gebracht. Inhaltlich stehen die Dressurausbildung, Cavaletti Arbeit, Springen und Geländeritte (Vielseitigkeit) im Fokus.
Zu dem Buch gibt es auch eine entsprechende DVD-Reihe, die sicherlich auch sehenswert ist:
Ich habe ja in letzter Zeit auch viele DVDs und Bücher von Uta Gräf geschaut und gelesen. Im Vergleich zu Uta Gräf ist die Arbeit der Klimkes mit den Pferden deutlich konservativer, vor allem was die Arbeit vom Boden und das Longieren angeht, da arbeitet Uta Gräf bzw. ihr Ehemann ja eher „FN-fern“ mit vielen Elementen aus dem Natural Horsemanship und z.B. auch mit früher Arbeit am Langzügel. Bei den Klimkes ist in der Vorbereitung auch alles ganz klassisch nach FN, also das Longieren. Beide Wege führen aber ganz offensichtlich zu hervorragend gerittenen zufriedenen athletischen Pferden, denen man die Lebensfreunde und die Freude an der Arbeit am Gesichtsausdruck ablesen kann. Für mich sind beide Reiterinnen Vorbilder, in der Art und Weise wie sie es schaffen im großen Sport trotzdem klassisch auszubilden und in der Art und Weise wie sie mit Ehrgeiz, Disziplin und trotzdem viel Spaß an der Sache das Reiten zu ihrem Beruf gemacht haben.
Bei Ingrid Klimke merkt man auch am Schreibstil, dass sie eher der ernsthafte disziplinierte und nüchterne Typ ist (ich denke viele der Formulierungen stammen auch noch von ihrem Vater, was die oft etwas altmodische Ausdrucksweise erklären dürfte). Bei Uta Gräf hingegen merkt man auch schon am Schreibstil, dass sie eher ein quirliger verspielter Typ ist (trotz der sicher genauso ausgeprägten Disziplin), so dass die Begeisterung und die Leichtigkeit in Uta Gräf’s Büchern eher rüber kommt. Trotzdem finde ich Bücher von beiden sehr angenehm zu lesen. Ingrid Klimke’s Buch ist besser darin Basisarbeit und Grundlagen zu beschreiben, während Uta Gräfs Bücher inhaltlich meistens eher nach der Grundausbildung ansetzt, weswegen sie für Freizeitreiter weniger konkret Umsetzbares enthalten, dafür aber sehr viel Inspiration.
Egal was für einen Stil man da beim Lesen bevorzugt, wenn es darum geht gute Büchern über die klassische FN Reitweise zu lesen, würde ich jederzeit Bücher und DVDs von den Klimkes oder von Uta Gräf empfehlen. Das Buch von Ingrid Klimke ist vielleicht nichts für Menschen, die einen sehr lockeren und verspielten eher Roman-artigen Schreibstil bei Sachbüchern mögen, denn die Bücher der Klimkes sind wie gesagt schon eher altmodisch formuliert und knapp auf den Punkt gebracht. Ein Kapitel in dem Buch hat mir auch nicht so gut gefallen, bei der Beschreibung der Paraden wird noch der eher altmodische und irreführende Begriff „Kreuz anspannen“ verwendet, der oft zu Missverständnissen bei Reitanfängern (und auch fortgeschrittenen) Reitern führt. Auch fand ich das Kapitel übers „an den Zügel stellen“ nicht besonders verständlich formuliert, was aber wahrscheinlich daran liegt, dass das generell extrem schwierig zu beschreiben ist und diese Themen in diesem Buch doch eher knapp gehalten sind.
Besonders gut gefallen hat mir das Kapitel über Cavaletti-Arbeit, dazu hat Ingrid Klimke ein komplettes Buch geschrieben, da könnte ich mir gut vorstellen, mir das in Zukunft als Nachschlagewerk zu bestellen. Da Ingrid Klimke ja Vielseitigkeitsreiterin ist, nehmen Springen und Gelände (damit ist nicht Ausreiten gemeint, sondern Geländesprünge aus der Vielseitigkeit 😉 ) auch einen großen Teil des Buches ein. Das ist für mich jetzt nicht so praxisrelevant, denn mit einem Ex-Hufrehe-Pony wird es wohl keine große Springkarriere mehr geben (und für Geländesprünge wäre ich glaube ich auch zu ängstlich ;-)). Aber ich fand diese Kapitel trotzdem sehr interessant. Und zumindest virtuell ist das ja schon geil:
Ganz besonders positiv herauszuheben sind noch die Fotos in diesem Buch, den fast jede Seite ist mit einem oder mehreren Reitbildern von Dressur, Geländesprüngen, Cavaletti-Arbeit und Springen bebildert und praktisch jedes Bild in diesem Buch ist einfach perfekt. Insgesamt erhält das Buch von mir auf jeden Fall eine Empfehlung, vorausgesetzt man mag schnörkellose und eher konservative Reitbücher und möchte ein gutes Buch über die klassische Ausbildungsskala der FN lesen.