Bücher, gesellschaft

Buchrezension: Ein Roman über Amerika in stürmischen Zeiten

Heute möchte ich ausnahmsweise mal nur ein einzelnes Buch vorstellen, dass aber auch so besonders (und so umfangreich 😉 ) ist, dass sich das definitiv lohnt:

Nathan Hill – „Geister“ (Genre: Belletristik)

„Geister“ von Nathan Hill ist ein amerikanischer Gesellschafts- und Familienroman, der perfekt in die heutige Zeit passt. Der Hauptdarsteller des Buches ist Samuel, ein ziemlich erfolgloser Literaturprofessor, der eigentlich mal davon geträumt hat, ein großer Schriftsteller zu werden. Unmotiviert verbringt er im Jahr 2011 fast sein ganzes Berufsleben heimlich in dem Online-Rollenspiel „Elfscape“ (das sicher nicht nur entfernt an World of Warcraft erinnern soll) als er überraschend den Anruf eines Anwalts erhält. Seine Mutter, die ihn schon in seiner frühesten Kindheit verlassen hat wurde verhaftet weil sie einen Anschlag auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten verübt hat (der zwar nicht an Donald Trump, aber durchaus an den nicht minder abschreckenden Mike Pence erinnert). Der Anschlag bestand zwar nur daraus bei einer Kundgebung in einem Park ein paar Kieselsteine auf den Kandidaten zu werfen (von dem einer immerhin im Auge landete), trotzdem gilt Samuels Mutter Faye nun als linke Radikal-Terroristin und ist in aller Munde.

Samuel soll nun im Auftrag des Anwalts einen Brief für sie verfassen, der vor Gericht zu ihren Gunsten sprechen soll, eine Idee von der Samuel gar nichts hält, denn er hat seiner Mutter nie verziehen ihn verlassen zu haben. Trotzdem lässt er sich auf ein Treffen mit ihr ein.

So die interessante Prämisse des Romans. Was daraus erfolgt ist einerseits eine tiefgründige Familiengeschichte über die Aufarbeitung von Verletzungen der Vergangenheit, andererseits eine ironisch und messerscharf pointierte Aufbereitung der amerikanischen Gesellschaft. Besonders interessant daran ist dass der Roman primär auf zwei Zeitebenen spielt, einerseits im fiktiven Jahr 2011. Andererseits wird Fayes Studentenzeit geschildert, im dramatischen Jahr 1968 in Chicago, in der Zeit der Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg, kurz vor Nixons Wahl zum Präsidenten. Dabei hat mich besonders beeindruckt wie in mancher Hinsicht diese Zeit der heutigen unruhigen Zeit zu ähneln scheint, eine aufgeheizte Gesellschaft, die in mehrere Lager gespalten ist, eine schwierige Weltlage, die Wahl eines Präsidenten, die wie eine Zäsur wirkte (und ein dramatisches und unrühmliches Ende nahm). Vielleicht kann einem das in der heutigen Zeit etwas Hoffnung geben, denn damals sah für viele Leute die Welt vermutlich ziemlich aus den Fugen geraten aus und danach ging es mit den USA auch weiter und es kamen wieder ruhigere Zeiten.

Der Roman hat mir wirklich gut gefallen, auch wenn er sicher kein Buch ist, das man schnell mal nebenher liest. Die Sprache ist absolut bemerkenswert und grandios, humorvoll, gestochen scharf, ohne mühsam zu wirken. Der Roman hat viele Handlungsstränge, die nicht unbedingt immer viel miteinander zu tun haben, er reißt viele Themen an, ist nicht unbedingt linear und vermischt Familiengeschichte und Gesellschaftskritik und  hat mit über 800 Seiten auch eine stolze Länge. Das ist genau die Art Buch, die ich liebe, aber sicherlich nichts für Menschen, die auf Dynamik und klare Handlungen Wert legen und keine „dicken Wälzer“ mögen. Für mich als Erstlingswerk eines Autors absolut herausragend und ich werde Nathan Hill sicherlich als Autor im Auge behalten und hoffe, dass da noch viel mehr kommt.

Bücher

Literarischer Jahresanfang 2017

Dieses Jahr habe ich literarisch mal wieder mit einem Krimi und einem Jugendbuch begonnen, beides von Deutschen Autoren:

Nele Neuhaus – Im Wald (Genre: Krimi)

Nadine Gersberg – Run Boy. Run Girl. (Genre: Jugendbuch)

„Run Boy Run Girl“ ist ein Jugendbuch, das sich gleich einige durchaus anspruchsvolle Themen vornimmt. So ist die Hauptperson, der 15-jährige Ben, vor kurzem schwer erkrankt, möchte aber trotzdem sein neues Lieblingshobby, die Sportart „Parcours“ nicht aufgeben und versucht mit allen Mitteln sich selbst und seinen Körper davon zu überzeugend, dass es ihm gut genug dafür geht.

Beim Parcours lernt er auch die andere Hauptperson des Buches kennen, die Türkin „Bahar“, zugleich kleine Schwester seines Trainers und leidenschaftliche Fußballspielerin. Das Kennenlernen zwischen den beiden ist durch Missverständnisse und Zickereien geprägt, aber trotzdem bahnt sich im Laufe des Buches eine Liebesgeschichte an…

Insgesamt ist das Buch also durchaus ein typischer Vertreter aus dem „Young Adult“ Bereich, eine Liebesgeschichte, typische Teenagersorgen und durchaus ernsthafte Probleme. Im Mittelpunkt steht hierbei wie Ben mit seiner Erkrankung umgeht und Bahars Schwierigkeiten als junge Deutsch-Türkin in Deutschland zurecht zu kommen. Die Themen werden finde ich sehr authentisch und glaubwürdig dargestellt, ohne dass es aufgesetzt oder konstruiert wirkt. Lediglich ein paar arg viele „Zufälle“ gibt es in dem Buch.

Der Schreibstil (die Story wird abwechselnd aus Sicht von Bahar und Ben erzählt) hat mir dabei gut gefallen, locker und leicht und sehr gut lesbar. Auch hat mir sehr gefallen wie die Charaktere herausgearbeitet sind, Ben, eher ruhig und nachdenklich, aber voller Biss was seine Ziele angeht. Bahar eher eine Rebellin, die oft aneckt und schnell konfrontativ wird.

Mir hat das Buch gut gefallen, man kann es auch als Erwachsener gut lesen und dadurch, dass es einen weiblichen und einen männlichen Hauptcharakter hat, kann es denke ich sowohl für männliche als auch weibliche junge Leser interessant sein.