Bücher

Noch mehr Buchtipps im Mai: gelungene Thriller

Heute möchte ich zwei sehr gelungene Bücher aus einem Genre vorstellen, das ich eigentlich gar nicht (mehr) so häufig lese, nämlich Thriller. Die meisten Thriller laufen mir nämlich zu sehr nach Schema F ab (das ist bei Krimis zwar natürlich auch so, aber meist finde ich Thriller tendenziell noch einen Ticken vorhersehbarer und klischeehafter). Die beiden Thriller, die ich diesen Monat gelesen habe, ragen aber definitiv aus dem Einheitsbrei heraus:

Paul Pen – „Das Haus in der Kakteenwüste“ (Genre: Thriller)

Paul Pen ist ein spanischer Autor, von dem ich bisher noch nie was gehört hatte. Beim Stöbern für ein Geburtsgeschenk bin ich aber auf den ungewöhnlichen Buchtitel und das Thriller-typische atmosphärische Cover aufmerksam geworden. „Das Haus in der Kakteen Wüste“ spielt in Mexiko, dort wohnt eine sechsköpfige Familie abgeschieden, aber auf den ersten Blick glücklich in der Wüste, umgeben nur von einer endlos scheinenden Weite von Wüste und Kakteen. Der Vater Elmer arbeitet Meilen entfernt an einer Tankstelle während die Mutter Rose sich um die 4 Töchter kümmert und auf den ersten Blick eine Idylle geradezu herauf beschwört. Doch schon am Anfang des Buches ist ein ständiges Unwohlsein zu spüren. Rose hat nachts mit Angstattacken zu kämpfen. Die beiden 6-jährigen Zwillingstöchter Dahlia und Daisy haben merkwürdige Rituale die entweder überdreht oder bestenfalls niedlich wirken. Die älteste Tochter Iris vergräbt sich in Büchern und träumt fast fanatisch von einem Liebhaber (und Sex). Die 13-jährige Melissa sammelt Steine, klebt ihnen Augen auf, gibt ihnen Namen und redet mit ihnen, um ihre Einsamkeit zu bekämpfen. Außerdem erfährt man gleich am Anfang, dass der Familie ein schlimmer Schicksalsschlag zugestoßen ist, die älteste Schwester der Mädchen liegt begraben in der Nähe des Hauses, woran und wie sie starb, erfährt der Leser nicht.

In diese merkwürdige und brüchig wirkende Idylle, die von Anfang an beunruhigend manisch wirkt, bricht eines Tages ein Fremder ein, der junge Rick kommt scheinbar zufällig als Backpacker bei der Familie vorbei, doch schnell merkt man, dass er eigene Interessen verfolgt.

Was danach passiert,  möchte ich gar nicht verraten, die Ereignisse überschlagen sich wie in einem Strudel und der Leser lernt wie wenig zwischen Liebe und Wahnsinn liegen kann. Das Buch hat mich jedenfalls mitgerissen und ich habe es fast in einem Schwung durchgelesen. Für Freunde von klassischen Psycho-Thrillern ist es aber vermutlich nur bedingt etwas, ich bin nicht mal sicher ob ich es im Genre Thriller einordnen würde, es ist vielleicht eher ein etwas außergewöhnliches Familiendrama. Auch der Schreibstil ist durchaus ungewöhnlich, wollte man ihn negativ betrachten, könnte man ihn als blumig oder tendenziell sogar etwas schwülstig bezeichnen, ich fand aber, dass er perfekt zu der Stimmung der Familie passt und das Gefühl, dass mit allem und allen im Buch „etwas nicht stimmt“ perfekt unterstrichen hat.

Ob ich das Buch weiterempfehlen kann, hängt vermutlich vom Leser ab, auch die Rezensionen zeigen, dass das Buch eher starke Reaktionen auslöst (viele besonders gute oder besonders schlechte Rezensionen). Wer am Ende eines Buches möglichst alles 100% aufgelöst haben will, wird z.B. mit dem Buch vermutlich nicht so glücklich werden, denn Ende und auch einige Hintergründe bleiben relativ offen gehalten. Ich fand das Buch insgesamt wirklich klasse und herausragend und werde auch die anderen Büchern des Autors in Augenschein nehmen.

Simon Beckett – „Totenfang“ (Genre: Thriller)

„Totenfang“ von Simon Beckett ist der neueste Band aus der Krimireihe rund um den forensischen Anthropologen David Hunter. Ich habe alle Bücher der Reihe gelesen, bin aber kein Riesenfan davon, manche Teile fand ich sehr gelungen, andere weniger. Generell hatte ich manchmal den Eindruck, dass mir in manchen Büchern die pathologischen Beschreibungen etwas zu viel Raum einnahmen (das Thema nutzt sich auch ab), deswegen war ich gespannt wie mir dieser Band gefallen würde.

David Hunters Karriere darbt nach den Geschehnissen des Vorgängerromans (an den ich mich ehrlichgesagt nicht mehr im Detail erinnere) am Anfang dieses Bandes etwas vor sich hin, seine Dozenten Stelle an der Uni ist in Gefahr.. Von dem her kommt es im gelegen als er überraschend zur Bergung einer Wasserleiche in die abgelegenen Backwaters von Essex hinzugezogen wird (ein unwirtliches Marschland). Der Tote soll vermutlich Leo Villiers, der Sohn einer reichen Familie sein, der vor einigen Wochen verschwand und mutmaßlich Selbstmord begangen hat, nachdem einige Zeit vorher seine Geliebte verschwand und er wiederum unter Mordverdacht geriet.

Doch obwohl der Fall eindeutig scheint und der Tote die Kleidung von Leo Villiers trug, kommt doch alles anders als erwartet und David Hunter muss bald nicht nur die Identität eines, sondern gleich mehrerer Toter aufdecken. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände kommt er während der Ermittlungen im Bootshaus einer Familie unter, die mit dem Mordfall zusammenhängt, schnell vermischt sich Privates und Berufliches und der Fall wird immer komplizierter.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Die Story ist interessant und kreativ und zur Abwechslung mal nicht so einfach vorauszusehen, sie hat mich sehr gut unterhalten. Einzig die Anzahl von Zufällen durch die David Hunter auf neue Erkenntnisse stößt, ist doch ein wenig unglaubwürdig (außerdem verhalten sich dieProtagonisten ständig unvernünftig und bringen sich in Gefahr, aber das ist man von dem Genre ja gewohnt). Die Atmosphäre des Buches mit dem Setting in den Backwaters war mal etwas anders und auch sehr gelungen, insgesamt war das für mich deswegen ein sehr gelungener Thriller und von Simon Beckett definitiv eines der besten Bücher der Reihe.

Musik

„Helene Fischer“ von Helene Fischer mit Helene Fischer – Albumrezension Teil 2

Heute möchte ich auch noch die 2. Hälfte des Doppel-Albums „Helene Fischer Deluxe“ rezensieren. Apropos „Deluxe“, das Album gibt es natürlich wie heute üblich in mehreren Versionen, die Standard-Version enthält 18 Songs (ob es sich dabei wirklich um eine gute Auswahl aus den 24 der Deluxe handelt, hab ich noch nicht wirklich betrachtet, ich frag mich immer wer eigentlich noch die Standardversionen kauft, wenn es zu gefühlt jedem Musik-Album heute eine Deluxe Version mit mehr Songs gibt, die kaum mehr kostet).

Außerdem gibt es noch eine „Fanbox“, die zusätzlich noch eine CD mit (deutschsprachigen) Duetten aus den „Helene Fischer Show“ Aufzeichnungen der letzte Jahre enthält, sowie etwas Promotionsmaterial (ein ziemlich billiges Notizbuch mit Helene Foto vorne drauf und 5 große Foto-Prints mit mittelmäßig gelungenen Promo-Fotos).

Wenn man sich alle Songs der Deluxe am Stück durchhört war es für mich so, dass ich fand, dass das Album stark anfängt, in der Mitte einen Durchhänger hat und zum Ende hin wieder stark anzieht. Hört man die beiden CDs getrennt, führt das dazu, dass die erste stark anfängt und dann abflacht und die zweite eher mäßig anfängt und dann zum Ende stark wird. Die Songs der 2. CD erhalten hier natürlich auch wieder eine detaillierte Bewertung inkl. intellektuell tiefgründiger Textinterpretationen 😛

1. „Achterbahn“

Sound: Eine Uptempo Nummer im Dance-Pop-Schlager Gewand, gemischt mit Elektro-Spielereien (inkl. einer Verfremdung von Helenes Stimme im Refrain, ein Effekt der vermutlich Anfang der 1990er innovativ war, aber jetzt schon wieder so retro ist, dass er wieder kommen kann 😀 ). Der Song ist auf eine spielerische Art und Weise süß und gefällt mir deswegen erstaunlich gut (und immer besser je öfter ich ihn höre).

Text: Zwei neu verliebte Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Klischee-Highlight: „In meinem Kopf ist eine Achterbahn“

4/5 Sterne

2. „Das volle Programm“

Sound: Als der anlief, stand ich zum Glück grad an einer Ampel und konnte deswegen relativ gefahrlos reflexartig die „Weiter“ Taste drücken als der Refrain losging. Bei dem Song von Bibis Beauty Palace auf Youtube hab ich länger durchgehalten 😛 Um diese Rezension beenden zu können, hab ich den Song aber eisern 1x durchgehört.  Die Strophe klingt nach irgendeinem 08/15 MDR Schlager und der Refrain entweder wie Modern Talking (Urteil einer Freundin) oder Micky Krause (anderer Vorschlag eines Freundes). Leider ist der Micky Krause Vergleich treffender, Modern Talking ginge ja noch. Den Song kann man bestimmt super mitgrölen wenn man am Ballermann schon 8 Eimer Sangria intus hat.

Text: Wenn Du (angesungene Person) so einen grauenhaften Alltag hast und Dein Leben so hasst, dass du Montag morgens um 8:30 schon jeglichen Lebensmut verloren hast, es aber irgendwie schaffst Dich ohne Selbstmord durch den Rest der Woche zu quälen, DANN kann Helene Fischer Dir am Wochende einmal für die 5 Minuten dieses Songs das Gefühl geben, dass Du doch irgendwie lebendig bist und Dein Leben nicht komplett sinnlos (vorausgesetzt Du hast genug Alkohol intus, um den Song gut zu finden, aber wenig genug Alkohol, um noch einen Rest Bewusstsein zu verspüren). Nach diesem aufbauenden Motivations-Konzept für Abgehängte funktionieren übrigens viele Helene Fischer Songs und das ganze Produkt Helene Fischer, aber manchmal wird es ein bisschen subtiler rüber gebracht.

Klischee-Highlight: „Ouh-ouh, hier wird gelebt!“

0/5 Sterne

3. „Ich wollte mich nie mehr verlieben“

Sound: Eine mittlere Uptempo Nummer im Dance-Pop-Schlager Gewand, ohne große Auffälligkeiten, die nicht stört, aber auch nicht wirklich notwendig gewesen wäre.

Text: Die Sängerin wollte sich eigentlich nie mehr verlieben, hat aber ihre Meinung geändert und deswegen: zwei neu verliebte Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Klischee-Highlight: „Doch dann hast du unser Leben aufgedreht“ (ist euch schon mal diese Besessenheit von Schlagertexten mit „drehen“ aufgefallen? Erde rückwärts drehen, Erde vorwärts drehen, Glücksrad drehen, Leben aufdrehen, vermutlich gibt es irgendeinen Schlagersong namens „Drehwurm“).

3/5 Sterne

4. „Lieb mich dann“

Sound: Dramatische Ballade, die leise beginnt und kraftvoll endet. Sehr stark gesungen, allerdings gegen Ende mit etwas viel Helene typischem „Schluchzen“ beim Singen (etwas, dass sie sich beim Rest des Albums fast komplett verkniffen hat). Etwas zurückgenommener hätte mir der Song noch besser gefallen, aber er ist auch so sehr gut.

Text: Die Sängerin ist sehr dankbar, dass ihr Partner sie auch liebt, wenn sie echt miese Laune hat und ihn ständig anzickt. Der Song ist natürlich nicht über Helene Fischer, weil die hat ja immer gute Laune. Das ist übrigens der einzige Song an dem Helene auch selbst als Songwriterin beteiligt war (laut Booklet). Erfreulicherweise ist es auch der Song mit dem besten Text, das macht ja Hoffnung für in 20 Jahren oder so, wenn der Hype (vielleicht?!) so abgeflacht ist, dass man künstlerisch mehr wagen kann, ohne kommerzielle Einbuße zu befürchten (weil die dann ja eh schon längst passiert sind).

Klischee-Highlight: „Stark für zwei, du bist stark für zwei“

4/5 Sterne

5. „Die schönste Reise“

Sound: Schmalzige Ballade, die offenbar an ein Kind addressiert ist. Denke für Kinder ist der Song auch gut geeignet. Mir ist das wieder zu Disney.

Text: Liebevoller Erbauungssong für ein geliebtes Kind.

Klischee-Highlight: „Flieg hoch und gib nie auf“

2/5 Sterne

6. „Schmetterling“

Sound: Der Song ist weder besonders schnell, noch besonders langsam, Midtempo Nummer, die für mich etwas vor sich hinplätschert, aber eigentlich gar nicht so schlecht ist (den Halbsatz hab ich für V. aus M. hinzugefügt, damit es positiver klingt).

Text: Aufmunterungssong für Menschen, die grad etwas down sind, inkl. des Verprechens, dass mit Hilfe der Sängerin alles wieder gut wird und Du Dich irgendwann (wieder) in einen Schmetterling verwandeln kannst (irgendwie nehmen in der 2. Hälfte des Albums, die Aufmunterungssongs enorm zu, ob man denkt der Hörer hat das da nötiger als am Anfang?)

Klischee-Highlight: „Aus dem Schatten willst du ans Licht
Glaub mir, du wirst Liebe spüren
Wenn du die Einsamkeit durchbrichst“

3/5 Sterne

7. „Dein Blick“

Sound: Ein echter (schneller) amerikanischer Country Song! Ich liebe Country!! Ergo find ich den natürlich ganz toll. Der Song wurde laut Booklet zuerst auf Englisch geschrieben und dann ins Deutsche übertragen. Ich wollte hier reinschreiben, dass ich die englische Version auch total gerne mal gehört hätte, dass hat sich aber erübrigt, da sich rausgestellt hat, dass der Song 2012 schon für den Soundtrack der Serie „Nashville“ auf Englisch rauskam und zwar unter dem Titel „Telescope“ gesungen von Hayden Panettiere (wußte gar nicht, dass die auch singt). Die englische Version ist auch gut, aber mir gefällt Helenes Version tatsächlich besser (ihre Stimme ist rauchiger), obwohl amerikanischer Country auf Deutsch im ersten Moment etwas ungewohnt klingt. Country passt finde ich übrigens wirklich hervorragend zu Helenes Stimme (genau wie übrigens Swing und ich finde dieser moderne Elektro-Pop ist auch genau das Richtige für sie. Im Schlager fand ich sie oft etwas unterfordert und bei Balladen früher oft zu Musical-esque). Wenn ihr später in ihrer Karriere mal langweilig würde und sie nur aus Spaß ein reines Country Album rausbringen würde (wie es z.B. Cyndi Lauper auch getan hat), dann wäre ich total glücklich 😀

Text: Den Song hab ich schon ca. 10 x durchgehört ohne den Text zu bemerken, die Melodie ist so mitreißend 😛 Nachgucken ergibt: Angesungene Person fängt Sängerin auf wenn das Leben mal wieder zu hektisch ist.

Klischee-Highlight: „Du tanzt die Last von mir! Tanzt die Last von mir!“

5/5 Sterne

8. „Mit jedem Herzschlag“

Sound: „Mit jedem Herzschlag“ wurde ursprünglich auf Englisch (Titel: „Fighter“) für die „Special Olympics 2017“ in Schladming geschrieben, wo Helene den Titel auch bei der Eröffnungs- und Schlussfeier gesungen hat. Für ihr Album wurde der Song (mit verändertem Text) ins Deutsche übertragen. Mir haben beide Versionen gut gefallen, die Deutsche aber tatsächlich etwas mehr, da der Deutsche Text etwas erwachsener daher kommt und der Song deswegen nicht so sehr nach Disney-Pop-Hymne klingt. Es handelt sich um eine kraftvolle Power-Ballade mit internationalem Sound.

Text: Du kannst alles erreichen, wenn Du nur daran glaubst und kämpfst. Tschakka! (sag ja, Erbauungslieder stark im Trend auf CD 2, vielleicht liegt das auch daran, dass man auf CD1 gefühlt 10x mit der Botschaft beschallt wird dass die Sängerin mit ihrem perfekten Seelenpartner das Leben in vollen Zügen genießt und bis ans Ende aller Tage – oder zumindest bis zum Tod – in Glückseligkeit dahinlebt, während dem Traumpaar sowieso die ganze Welt offen steht. Otto Normalhörer wird nach dem 10. Song realisieren, dass er selbst nur stinknormale Beziehungen hat, mit nervigem Alltagszeugs, Trennungen, Streit und so weiter und deswegen in eine tiefe Depression verfallen, wo dann glücklicherweise Helene Fischer mit erquicklichen Erbauungsliedern zur Rettung eilt und ihm neuen Lebensmut verleiht ❤  )

Klischee-Highlight: „Das Leuchten im Blick und dem Glück auf den Fersen“

5/5 Sterne

9. „Sowieso“

Sound: Pop-Schlager mit starkem Party-Beat, der etwas an die Uptempo Nummern von „Farbenspiel“ erinnert (eigentlich der einzige Song, der mich stilistisch an das Vorgängeralbum erinnert. Der Song ist eigentlich total albern und etwas geschmacklos, fetzt aber und macht total gute Laune, weswegen er trotzdem einer meiner Lieblinge auf dem Album ist.

Text: Nachdem die Sängerin ca. 14 Songs darüber gesungen hat wie sie mit ihrem perfekten Seelenpartner das Leben in vollen Zügen genießt und bis ans Ende aller Tage – oder zumindest bis zum Tod – in Glückseligkeit dahin lebt, kann sie es echt nicht mehr hören und flüchtet sich in den coolsten Club der Stadt, wo sie den nächstbesten heißen Kerl aufreißt um mit ihm für einen One Night Stand ins Bett zu hüpfen. Kann man ja nun auch irgendwie nachvollziehen. Textueller Highlight hierbei der Satz „Ich sage Nein und meine Ja“ bei dem Alice Schwarzer und alle Aktivisten des „Nein heißt Nein“ Paragraphen vor Schreck das Blut in den Adern gefriert und der beweist, dass an dem Album doch noch einige Alt-Schlager-Muftis mitgeschrieben haben (alternativ ist es wirklich so, dass Helene wie Pressetexten zu entnehmen ist am Entstehungsprozess jeden Songs – es waren angeblich  (laut BILD) übrigens derer 1000 in der Auswahl! – von Anfang bis Ende intensiv dabei war und jeder einzelne Song ihr Innerstes wiederspiegelt. Übrigens find ich dafür, dass das die besten 24 aus 1000 Songs sein sollen, die wenigen schwachen Songs dann doch erstaunlich schwach, deswegen an dieser Stelle mein Beileid an die mir unbekannten Menschen die tatsächlich alle 1000 Songs angehört haben).

Klischee-Highlight: „Im coolsten Club dieser Stadt, und die Luft ist so heiß, das kleine Schwarze auf der Haut“

5/5 Sterne

10. „Genau mein Ding“

Sound: Pop-Schlager von mittlerem Tempo ohne besondere Merkmale.

Text: Musste ich nachschlagen. So arg ist mir der Song in Erinnerung geblieben. Auch Betrachten des Textes im Booklet führt nicht zu wirklicher inhaltlicher Erkenntnis. Ich glaub glücklich sein ist genau ihr Ding, am Liebsten mit dem perfekten Seelenpartner.

Klischee-Highlight: „Im Raumschiff der Träume ne Runde drehen“

2/5 Sterne

11. „Weil Liebe nie zerbricht“

Sound: Melancholische Ballade mit leisen Tönen, sehr gefühlvoll und zart. Auch ein sehr starker Song, der höchstens etwas daran leidet, dass vorher schon einige vergleichbare Songs auf dem Album Eindruck gemacht haben. Trotzdem ist auch dieser einer der Highlights unter den Balladen.

Text: Liebeserklärung an eine geliebten Seelenpartner, der offenbar schon tot ist.

Klischee-Highlight: „Ich fühl den Wind in meinem Haar“

4/5 Sterne

12. „Adieu“

Sound: Ein altmodischer melancholischer klassischer Chanson mit dem Flair von französischer Straßenmusik, wunderschön und sehr berührend.

Text: Dieser Song hat bei hysterisch veranlagten Helene Fans bei Ankündigung der Songliste zu leichten Panikattacken geführt, da sie sich textlich darunter wohl etwas vorstellten wie: „Nun verlass ich die Bühne und leg mich für den Rest meines Lebens mit den Milliönchen, die ihr für meine Produkte ausgegeben habt unter ne Palme und genieß die Sonne, Tschö ihr anhänglichen Ultras, Goodbye, Arrividerci und Adieu!“. Glücklicherweise geht’s aber nur um ne Frau in Paris, die eine melancholische Ode an ihren verstorbenen Geliebten singt (sterben tun auf dem Album schon ganz schön viele). Puh, was eine Erleichterung!

Adieu ist für mich definitiv einer der stärksten Songs auf dem Album, der mich persönlich musikalisch und inhaltlich am Meisten berührt hat (hatte beim ersten Hören im Auto sogar Gänsehaut). Grund dafür ist glaube ich auch, dass es der einzige Song ist, wo die Sängerin offen und unverstellt als Erzählerin einer Geschichte auftritt. Für mich macht das die Gefühle um so echter. Normalerweise funktionieren die Texte auf der CD primär dadurch, dass sie als Projektionsfläche für Gefühle des Zuhörers dienen und eine persönliche Beziehung zum Hörer aufbauen, jeder soll und kann die Situationen der Texte auf eigene Lebenssituationen und Gefühle übertragen (das war übrigens auf „Farbenspiel“ nicht so extrem deutlich merkbar), durch Wortwahl und die Art und Wiese wie die Texte aufgebaut sind werden Knöpfe beim Zuhörer gedrückt, die Gefühle auslösen (ähnlich wie in Disneyfilmen wenn Simbas Papa stirbt 😛 ). Nach 15x kann einem das aber ein bisschen auf den Keks gehen und bei mir bewirkt es irgendwie das Gegenteil. Wobei es bei den Uptempo Nummern nicht stört, weil die Texte da eh egal sind 😉 Bei Adieu ist die Geschichte aber zu speziell und funktioniert einfach für sich selbst, für mich deshalb einfach perfekt und wunderschön.

Klischee-Highlight: „Der Sommer hat die Koffer gepackt“

5/5 Sterne

Fazit

Kurzversion

Geiles Album mit ein paar kleinen Schwächen, die nicht ins Gewicht fallen, weil das Album für alle Bedürfnisse das Richtige bietet.

Langversion

Für mich ist „Helene Fischer“ eine deutliche Verbesserung zu „Farbenspiel“, wobei „Farbenspiel“ durchaus ein gelungenes Album war und als abgeschlossenes Musikalbum vermutlich sogar kohärenter daher kommt, da es einen kompakten Umfang hat und einen klar erkennbaren Stil.

„Helene Fischer“ ist mehr wie ein Musik-Potpourri, nicht wie ein in sich abgeschlossenes Album, ca. 1/3 moderner Elektro-Pop zum Abtanzen, 1/3 moderner Pop-Schlager von guter Qualität und ein paar Alt-Schlager und Party-Schlager für die ursprüngliche Fanbase. Wie meist bei Helene Fischer also der ultimative Griff zur Massenkompatibilität (verbunden mit einem Marketing-Konzept und Image was einem selbst als Fan gewaltig auf den Keks gehen kann 😀 ), was aber nichts dran ändert, dass Vieles auf „Helene Fischer“ wirklich eine tolle Weiterentwicklung darstellt, noch dazu in eine Richtung, die genau meinen Geschmack trifft und die Helene super steht. Man fragt sich als Fan manchmal wo sich das Ganze noch hinentwickeln soll und wie lange man diesen Spagat die Bedürfnisse aller mehr als unterschiedlichen Fans gleichzeitig zu befriedigen noch durchhalten kann und will (und wie man aus dem Konzept jemals herauskommen will, falls man es man mal nicht mehr möchte), aber für den Moment funktioniert das Konzept „Helene Fischer“ immer noch ganz hervorragend und die Zukunft bleibt spannend. Für mich ist Helene Fischer perfekte Unterhaltung (Helene ist sozusagen das „Amazon“ der Musik, es gibt dort alles und es ist richtig geil), die mir nur NOCH mehr Spaß machen würde, wenn man auch marketingtechnisch etwas offener damit umginge, das man einfach nur ein geniales Entertainment-Produkt verkauft 😉 Wenn man bei Starbucks einen Iced Caramel Mocha Frappucino mit  Smarties Topping und Einhornglitzerbecher bestellt, kann man das ja auch einfach genießen ohne das jemand darauf besteht das ist Kaffee 😀 (der Vergleich ist extra für Doris M. aus W.).

Zum Abschluss noch ein Eindruck vom neuen Album, von der ESC-After Show Party aus der ARD Mediathek (lässt sich leider nur noch bis 21.05. abrufen):

http://www.ardmediathek.de/tv/Eurovision-Song-Contest/Helene-Fischer-Herzbeben/Das-Erste/Video?bcastId=9525092&documentId=42813962

Musik

Album – Rezension – „Helene Fischer“ von „Helene Fischer“ – Teil 1

Normalerweise rezensiere ich ja nur Bücher und nur ganz selten mal Musik, aber beim neuen Album von Deutschlands Queen of Pop/Schlager/Schlager-Pop/Wer weiß was sonst noch alles mache sogar ich mal eine Ausnahme.

Von Helenes bisherigen Studio-Alben (es sind derer schon 7, wenn man das Weihnachts-Album mitzählt) besitze ich nur die letzten 3 (in die ersten 4 habe ich bei Amazon Prime Music mal reingehört, was durchschnittlich ca. 10 Minuten gedauert hat und mit viel panikartigem „Weiter“ klicken verbunden war 😀 ). Wobei durchaus auch einzelne gute Songs drauf sind, die aber qualitativ so billig produziert klingen, als ob ich sie selber mit irgendeiner Programmtaste meines 80 Euro Keyboards eingespielt hätte, weswegen auch die guten Songs in der Studioversion nicht brauchbar waren.

Helenes drittletztes Album „Für einen Tag“ habe ich mal gekauft, aber dann für völlig unhörbar empfunden (hat aber ein hübsches Design). „Farbenspiel“ ist vom Inhalt schon sehr sehr gut, ich mag gut 2/3 der Songs drauf wirklich, klingt in der Studioversion aber immer noch zu Synthesizer mäßig (ich habe es aber ca. 3x gehört!) und „Weihnachten“ ist wirklich toll, aus anlassbedingten Gründen aber nur knapp 2 Monate im Jahr anhörbar. Ergo habe ich bisher fast ausschließlich die Live-Alben gehört, die wirklich erstklassig sind.

Da es von dem neuen Album aber logischerweise erst in vielen Monaten ein Live-Album geben wird, hab ich gespannt darauf gehofft, dass man diesmal bitte bitte schon die Studioversion anhören kann und wurde glücklicherweise nicht enttäuscht. Denn das Album ist vom Sound wirklich klasse und auch vom Inhalt zum größten Teil sehr überzeugend.

Allerdings ist es auch sehr sehr lang, in der Standardversion sind 18 Songs drauf, bei der Deluxe Version handelt es sich sogar um eine Doppel CD mit 24 Songs. Wenn man sich jetzt fragt, ob das nicht ein bisschen viel ist, dann ist das wohl berechtigt, allerdings ist zu bedenken, dass Helenes Plattenfirma und Management vor dem neuen Album vor der undankbaren Aufgabe stand, Helenes heterogene Fanbase zu befriedigen, was heißt man muss Leute glücklich machen, die mit Begeisterung SWR4 hören und Leute, die fast gegen eine Leitplanke fahren, wenn sie beim Radiosender suchen ausversehen SWR4 erwischen. Das könnte man nun natürlich theoretisch lösen, in dem man eine Entscheidung trifft, für einen Musik-Stil und einen roten Faden und sagt „die Leute, denen das nicht gefällt, auf die verzichten wir“ (je nach Entscheidung wäre das die eine oder die andere Hälfte der Fanbase). Das wäre aber neoliberal kapitalistisch gesehen gar nicht von Vorteil, weswegen man sich dafür entschieden hat, einfach für jeden passende Songs aufs Album zu packen, so dass für jeden was dabei ist (und jeder ca. ein Drittel der Songs halt in einen Unterordner namens „SWR 4 Schlager“ oder „blöder Pop Scheiß“ verschieben muss (die „Mitte“ der Songs sind für beide Zielgruppen anhörbar, nur die Extreme nicht).

Aus diesem Grund ist diese Rezension auch auf 2 Blogeinträge eingeteilt, hier für wirklich Interessierte die Rezension pro Song, inkl. tiefgründiger Textinterpretationen und Bewertung:

1. „Nur mit Dir“

Sound: Eine Uptempo Nummer im Dance-Pop-Schlager Gewand, die auf den ersten Blick ziemlich durchschnittlich klingt, aber irgendwie so mitreißend ist, dass man sie immer wieder anhören möchte und die deswegen Hit-potential hat.

Text: Zwei Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Klischee-Highlight: „Drückst meinen Knopf zum Schleudersitz“

5/5 Sterne

2. „Sonne auf der Haut“

Sound: Klingt wie ein merkwürdiges Musik-Gemisch aus irgendner komischer irischen Folklore am Anfang und billigem Dance-Schlager mit SWR4 Charme, eigentümlicherweise von Kristina Bach geschrieben, die immerhin auch Atemlos hingekriegt hat.

Text: Aneinanderreihung von Schlager-Klischee-Wortfetzen (Sonne, Glück, Freude, Liebe, Licht, Sommer, Leben…), vermutlich von Jim Pandzkos Affen beim  „Menschen Leben Tanzen Welt“ als Abfallprodukt abgefallen. Klischee-Highlight: „Dreh die Welt ins Licht“.

1/5 Sterne

3. „Wenn Du lachst“

Sound: eine ruhige sentimentale Ballade mit Gospel Chor Anklängen am Ende, die dadurch sehr kraftvoll wird. Schön kitschig und für mich eine der beste Balladen auf dem Album

Text: Lachen der adressierten Person erfüllt Sängerin mit Glückseligkeit und noch viel mehr. Klischee-Highlight: „Dann schaltest Du die Sonne ein“

5/5 Sterne

4. „Flieger“

Sound: Kraftvoller Pop-Schlager, der durchaus Hymnen-Potential hat. Für mich eines der stärksten Songs auf dem Album (das schreib ich insgesamt 10 x , weil ich 10 Favoriten habe 😛 )

Text: Zwei Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Konkreter Text ist eigentlich total bescheuert, wer hat sich nur diese Flugzeug Allegorie ausgedacht? Einer der Songs der glücklicherweise so gut ist, dass der Text völlig ignoriert werden kann. Klischee-Highlight:  „Am Glücksrad drehen“

5/5 Sterne

5. „Herzbeben“

Sound: geiler Dancefloor Elektro Pop Song zum Abtanzen, bei dem sogar absolute Disco- und Partymuffel (wie ich) sofort auf die Tanzfläche stürmen wollen. Wird live im Stadium garantiert der Hammer. Für mich mit Abstand der beste Song auf dem Album. Er wurde übrigens von Stephanie Stumph geschrieben, bisher  besser bekannt als Schauspielerin und Tochter des Schauspielers Wolfgang Stumph (Stubbe).

Text: Zwei Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Klischee-Highlight: Der Titel „Herzbeben“ ist das Klischee. Song hat vermutlich 99% der Fans positiv überrascht, weil vorher vermutlich jeder ihn wie ich mit Andrea Bergs Albumtitel „Seelenbeben“ assoziiert hat.

10/5 Sterne

6. „Wir zwei“

Sound: moderner Schlager Pop, der mich vom Stil an „Flieger“ erinnert, aber für mich nicht ganz so stark ist.

Text: Zwei neu verliebte Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Klischee – Highlight: „Die Welt neu erfinden und aus den Angeln heben“

4/5 Sterne (eigentlich würd ich 3/5 Sterne vergeben, aber dann haut mich eine bestimmte Freundin)

7. „Schon lang nicht mehr getanzt“

Sound: Altmodische träge Schlager-Ballade anno 2001, die immer grad läuft wenn man ausversehen am MDR vorbeizappt.

Text: Sängerin würde gern mal wieder das Leben in vollen Zügen genießen und gemeinsam alles erreichen, der Deckel zum Topf ist grad aber blöderweise nicht da (melancholisch).

2/5 Sterne

8. „Viva La Vida“

Sound: Ricky Martin in Castrop-Rauxel. Mein absolutes Hass-Lied beim ersten Hören, man stellt sich vor wie so ein deutscher Songschreiber ohne jeglichen Migrationshintergrund vor seiner Gelsenkirchner Barock Schrankwand sitzt und denkt „so jetzt schreib ich mal nen Sommer-Hit mit heißen lateinamerikanischen Rhythmen für die Andrea Berg, der genauso klingt wie bei dieser Shakira immer“. Man gewöhnt sich aber dran. Bei den Latin-Rhythmen an sich kann man ja nicht viel falsch machen.

Text: Zwei Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Klischee-Highlight: „Alles dreht, alles brennt“

3/5 Sterne

9. „Mit dem Wind“

Sound: Leichter melodischer Pop-Song mit Country Anklängen.  Wurde von einem amerikanischen Songschreiber geschrieben, was man irgendwie hört. Auch eines meiner absoluten Favoriten auf dem Album. Man hat sofort Sommer-Feeling und stellt sich vor im offenen Cabrio mit wehenden Haaren über einen amerikanischen Highway zu fahren.

Text: Zwei Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen, egal wo auf der Welt (fröhlich). Klischee-Highlight: „Der Sand in unsren Schuhen trägt uns dahin, wo die großen Wellen sind“ (hihihihihi)

5/5 Sterne

10. „Wir brechen das Schweigen“

Sound: Leichte Uptempo Nummer, die eine wirklich süße und charmante Melodie hat, die richtig süchtig macht und bei der Helene schön rau und kratzig klingt (schön, dass sie anfängt mit ihrer Stimme mehr zu spielen).

Text: Zwei Liebende genießen das Leben in vollen Zügen und können gemeinsam alles erreichen (fröhlich). Das ist ein Song bei dem man vom Titel erwartet hätte, dass es in dem Text um irgendetwas gehen MUSS. Denkste! Es geht genau um das gleiche banale Nichts, wie in den 9 davor auch. Eine beeindruckende Leistung, wenn man darüber nachdenkt. Klischee-Highlight: „Wir zünden die Sonne an“ (kommt mir unnötig vor) und „Wir schalten den Himmel ein“

5/5 Sterne

11. „Gibt mir Deine Hand“

Sound: sehr ruhige und traurige sentimentale Pop-Ballade, die grade das richtige Maß an Kitsch-Faktor hat, um zu funktionieren

Text: Zwei Liebende, die das Leben in vollen Zügen genossen haben und gemeinsam alles erreicht haben, müssen sich verabschieden, weil einer glaub grad das Zeitliche segnet (traurig, aber mit viel Hoffnung und Dankbarkeit und Stärke, weil so ein Abschied die Sängerin natürlich nur mit mehr Kraft für die Zukunft erfüllt, ist schließlich Helene Fischer, die kann nichts erschüttern!). Schlager-Klischee: „Jeder Weg ist auch ein Abschied“

4/5 Sterne

12. „Du hast mich stark gemacht“

Sound: Gefühlsduselige Ballade eines Kindes an die Eltern, das Helene mit 100% iger Sicherheit beim Premienkonzert ihres Albums entweder ihrer Mama, ihrem Papa oder beiden widmen wird (letzteres wäre netter). So was ist mir immer zu Disney.

Text: „You are the wind beneath my wings“ für Eltern auf Deutsch. Schlager-Klischee: „Und war ich einmal schwach, hast Du meinen Flügeln Wind gegeben“

2/5 Sterne

To be continued…

Bücher

Literarischer Mai – Mit Krimis und Kindheitserinnerungen

Heute möchte ich drei Bücher vorstellen, einmal das in Teilen autobiografische Buch „Raumpatrouille“ des Schauspielers Matthias Brandt und zwei Krimis, die mich beide leider nicht 100% überzeugt haben, aber beide durchaus trotzdem lesenswert sind.

Matthias Brand – „Raumpatrouille“ (Genre: Kindheit/Geschichten)

„Raumpatrouille“ ist ein übersichtliches (ich glaube es sind knapp 200 Seiten) Buch mit Kindheitserinnerungen des bekannten Schauspielers Matthias Brandt, dem jüngsten Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt. Dadurch bedingt handelt es sich bei den episodenhaften Erzählungen einerseits natürlich nicht um Eindrücke einer „ganz normalen“ Kindheit, andererseits aber doch, denn vieles was dem jungen Erzähler passiert und was er fühlt, wird wohl jedem der sich noch an seine Kindheit erinnert vertraut vorkommen. Hier fand ich vor allem beeindruckend, dass der Autor wirklich toll rüberbringt wie man als Kind oftmals gefühlt hat, das hat sich für mich sehr authentisch angefühlt. Trotzdem gibt es natürlich Besonderheiten: die ständige Präsenz von Personenschützern (und anderen Bediensteten), das Leben in einem durch einen Wachdienst abgeschirmten Haus und das doch etwas distanziert wirkende Verhältnis zu einem mächtigen aber vielbeschäftigten und etwas unerreichbaren Vater.

Das Buch hat hierbei keine lineare Erzählweise, sondern schildert verschiedene Episoden, teils mit ganz normalen banalen Kindheitsereignissen (wie einer missglückten Karriere als Fußballtorwart), teils mit wirklich humorvollen und lustigen Episoden und teils mit ernsthafteren und nachdenklichen Tönen. Es ergibt sich das Gesamtbild einer Kindheit, die einerseits ganz normal und glücklich wirkt, andererseits auch einige Schwierigkeiten hinter der Fassade durchscheinen lässt. Wie viel davon tatsächliche Erinnerung und wie viel Fiktion ist, lässt der Autor im Vorwort offen.

Mir hat das Buch insgesamt sehr gut gefallen, den Schreibstil finde ich auch sehr gut gelungen und humorvoll. Allein durch die Sprunghaftigkeit und den geringen Umfang bleiben die Einblicke ein bisschen an der Oberfläche.

Tana French – „Gefrorener Schrei“ (Genre: Krimi)

Ich habe bisher alle Krimis von Tana French gelesen und war bisher immer von allen gleichermaßen begeistert, fand sie vor allem sprachlich immer auf einem sehr hohen Niveau. Ich lese auch sehr gerne detailverliebte Krimis mit ausschweifenden Erzählungen und Dialogen und dazu hatte Tana French schon immer einen Hang.

Leider hat mich „Gefrorener Schrei“ aber nicht so begeistert wie die bisherigen Krimis der Autorin, was zum einen daran lag, dass mir bei diesem Roman die Haupt-Ermitterlin und auch die meisten anderen Charaktere nicht besonders sympathisch waren. Normalerweise stört mich so etwas nicht, ich mag auch unsympathische Charaktere, so lange sie interessant und komplex sind, aber hier war es irgendwie so, dass ich die Detektivin Antoinette Conway oftmals nicht als interessant, sondern primär als anstrengend empfand und auch ihre ziemliche flapsige Sprech- und Erzählweise war nicht so wirklich mein Ding.

Außerdem fand ich die Idee des Buches zwar gut, es geht weniger um den Kriminalfall an sich, sondern darum welche Intrigen sich in dem Polizeirevier von Antoinette Conway abspielen, um Mobbing, Verfolgungswahn und um die Frage wer spielt ein falsches Spiel. Der tatsächliche Kriminalfall ist auch gar nicht so komplex: eine junge Frau wird in ihrer Wohnung erschlagen nachdem sie sich offenbar auf ein romantisches Abendessen vorbereitet hatte. Der Hauptverdächtige ist klar, ihr neuer Freund. Doch ist der Fall in Wirklichkeit komplexer? Die Polizeiarbeit stellt sich hier primär als kleinteilige Ermittlungsarbeit und langwierige Verhöre des und der Verdächtigen dar (leider waren diese Verhöre auch im Buch teilweise merklich langwierig und etwas repetitiv). Und man erlebt wie Conway und ihr Partner verschiedenen Fährten folgen, immer auf der Suche nach der Aufdeckung des Ganzen.

Insgesamt fand ich das Buch nicht schlecht zu lesen, von der Grundidee durchaus interessant, aber für mich hat das Ganze nicht 100% funktioniert und entwickelte deswegen eine gewisse Zähigkeit. Für mich deswegen der schwächste Krimi von Tana French. Interessenten der Autorin (die eigentlich wirklich gut ist!) empfehle ich mit einem beliebigen anderen Roman zu starten.

Helen Callaghan – „Dear Amy“ (Genre: Thriller)

„Dear Amy“ ist ein Psychothriller, der schon optisch in einem ziemlich typischen Thriller Gewand daher kommt, das schon mal Lust auf das Buch macht (auch wenn man über das neongrüne Design sicher gespaltener Meinung sein kann). Auch die Story klingt vielversprechend. Die 15-jährige Katie verschwindet nach einem Streit mit ihren Eltern spurlos, die Polizei geht erstmal davon aus, dass sie ausgerissen ist.

Die Lehrerin Margot, die nebenberuflich als „Brief-Kummerkasten-Tante“ bei einer Regionalzeitschrift arbeitet erhält zu diesem Zeitpunkt plötzlich Briefe von einem anderen jungen Mädchen, Bethan, das allerdings schon vor Jahrzehnten spurlos verschwand und nie gefunden wurde, aber von der Polizei für tot gehalten wurde. Margot ist geschockt, sind die Briefe etwa echt? Und hängt der alte Fall um Bethan mit dem aktuellen Verschwinden von Katie zusammen? Der Fall lässt ihr keine Ruhe und schnell wird sie immer tiefer in die Ermittlungen rein gezogen…

So die Prämisse des Buches, das vom Schreibstil her leicht und zügig zu lese ist und für mich durchaus unterhaltsam war. Auch die Story beginnt eigentlich vielversprechend und Margot ist ein interessanter Hauptcharakter. Trotzdem hat mich das Buch letzendlich aus verschiedenen Gründen nicht vom Hocker gerissen. Erstens kommt es wie für Thriller häufig üblich nach ca. 2/3 des Buches mit einer unerwarteten Wendung daher. Leider war diese Wendung für Thriller-Geübte Leser aber schon nach ca. 100 Seiten des Buches so einfach vorausschaubar, dass mir ab da schon klar war, worauf das Ganze hinauslaufen wird. Dadurch werden auch die Ereignisse bis zum Ende relativ einfach voraussehbar, was dem Thriller den Spannungseffekt so ziemlich nimmt.

Zusätzlich hatte ich ein bisschen Probleme das Buch in Großbritannien zu verorten, es spielt zwar in Cambridge, aber ich hatte ständig das Gefühl einen amerikanischen Thriller zu lesen (eventuell kommt das daher, dass die Autorin laut Klappentext zwar aus einer britischen Familie stand, aber in den USA geboren ist) und es kam für mich trotz Erwähnung einiger lokalen Sehenswürdigkeiten von Cambridge irgendwie nie ein Bezug zu der Lokalität auf. Und drittens enthielt das Buch einige private Irrungen und Wirrungen der Protagonistin (Scheidung und neuer „love interest“), die aber etwas lieblos und klischeehaft kurz abgehandelt wurden, so dass man sich fragt, wozu sie überhaupt Teil der Story waren.

Das klingt jetzt alles sehr negativ, insgesamt hat mir das Buch aber trotzdem noch gut gefallen, was zeigt, dass die Autorin durchaus viel Talent für das Genre hat, beim nächsten Buch würde ich mir nur etwas mehr Finesse und etwas weniger Thriller-Klischees wünschen, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, nochmal was von ihr zu lesen.