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Krimi-Rezension: „Rachgier“ von Val McDermid

Von ValMcDermid habe ich über die Jahre schon einige Krimis gelesen und vor allem vom Schreibstil her, hat mich diese Autorin noch nie enttäuscht, weswegen ich auch auf „Rachgier“ sehr gespannt war. Ihre älteren Bücher zeichneten sich für mich vor allem durch tiefgründige psychologische Spannung aus, die ich sonst vor allem aus älteren Kriminalromanen wie von Martha Grimes oder Ruth Rendell kannte (solche psychologischen Krimis scheinen leider im Moment aus der Mode zu sein). „Rachgier“ ist aber kein Krimi, sondern der schon 10. Teil einer Thriller-Reihe rund um die Ermittlerin Carol Jordan und den Profiler Tony Hill. Ich glaube ich habe schonmal 1 oder 2 Bücher aus der Reihe gelesen, die mir aber nicht besonders in Erinnerung blieben.

In „Rachgier“ leitet Carol Jordan ein neu gegründetes Sonderermittlungsteam, das für die Aufklärung von besonders schwierigen ungelösten Fällen gegründet wurde. Das Team kommt aber nicht so richtig in die Gänge, da Carol mit den Nachwirkungen eines schweren Traumas (ihr Bruder und dessen Frau wurden im Rahmen eines älteren Falles brutal ermordet) und mit ihrer Alkoholsucht zu kämpfen hat. Tony versucht sie zu unterstützen und scheint ansonsten mehr oder weniger nur am Rande Teil des Teams zu sein. Unter diesen schwierigen Bedingungen wird die Spezialeinheit mit einem besonders perfiden Killer konfrontiert, dessen Motiv und Identität man als Leser früh erfährt: er wurde von seiner Freundin und Geschäftspartnerin verlassen und sinnt auf Rache, in Stellvertretung zunächst durch Mord an anderen Frauen. Zum Finden seiner Opfer schleicht er sich heimlich in Hochzeiten ein und flirtet mit einsamen Frauen, die dort alleine sind, nur um sie nach wenigen Tagen oder Wochen zu töten. All dies ist früh im Buch schon klar, weswegen sich die Handlung primär darum dreht wie die Spezialeinheit mit sich selbst kämpft und den Fall (nicht) löst.

Insgesamt ist die Idee und Handlung des Buches schon originell, außerdem bekommen die einzelnen Ermittler des Teams individuell genügend Raum im Buch, so dass man alle gut kennenlernt, auch wenn man mit der Serie nicht vertraut ist. Insgesamt fand ich aber, dass die Handlung sich doch etwas dahinzieht, grad da ermittlungstechnisch eigentlich nicht viel passiert. Außerdem muss ich zugeben, dass Carol Jordan mir mit ihrer märtyrerhaften Art und der ganzen Selbstzerstörung in diesem Buch ausgesprochen unsympathisch war und Tony Hill recht blass blieb, was einen irritierenden Gesamteindruck ergab, der durch das Ende nicht wirklich verbessert wurde. Deutlich sympathischer fand ich die Ermittlerin Paula, die Storyline rund um ihren Pflegesohn Torin hatte aber irgendwie mit dem Rest der Handlung nichts zu tun und wirkte deswegen etwas konstruiert.

Insgesamt kann man also schon sagen, dass mich das Buch etwas enttäuscht hat und außerdem nicht wirklich Lust darauf gemacht hat, noch mehr Bände aus der Reihe zu lesen. Für Val McDermids Klasse wiederum spricht, dass es trotzdem sehr gut geschrieben und kurzweilig zu lesen war. Trotzdem wirkt es für mich wie eine ziemlich beliebige 08/15 Psychothriller Reihe (die Themen Spezialermittlungsteam, Profiler und so weiter sind ja nun auch nicht neu in dem Genre), die im Falle dieses Buches eher versucht durch eine etwas abwegige Charakterentwicklung aufzufallen, die mich aber nicht wirklich überzeugt hat. Mit ValMcDermids älteren Krimis aus anderen Reihen kann dieses Buch meiner Meinung nach nicht mithalten.

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Buch-Rezension: „Bungalow“ von Helene Hegemann

Nachdem ich letztes Jahr ein Buch von der Nominierungsliste des Deutschen Buchpreises gelesen habe, habe ich mir gedacht, dass das eine nette Lese-Tradition werden könnte und habe mir auch dieses Jahr wieder ein Buch davon rausgesucht. Die Wahl fiel dabei auf „Bungalow“ von Helene Hegemann, erstens weil ich das Cover mochte (ich bin überzeugte Buch-nach-Cover-Auswählerin) und zweitens weil alle anderen Büchern mir irgendwie zu abgedreht klangen und entweder in der Zukunft spielten oder in irgendeiner Fantasy-artigen Welt, worauf ich zu dem Zeitpunkt keine Lust hatte. Nun spielt zwar auch „Bungalow“ nicht wirklich in der gleichen Version Deutschlands in der wir aktuell leben, aber in einer, die auf beunruhigende Art und Weise gar nicht so anders ist, man muss sich alles das tatsächlich passiert nur ein bisschen entgleister vorstellen und schon kann man sich gut vorstellen in der gleichen Version von Deutschland zu leben wie Charlie, die Hauptperson des Buches. Sozusagen in einer apokalyptische Version der heutigen Welt, ständig liegen irgendwo tote Tiere rum, die Ozonbelastung verursacht Hausarrest, Terror und Selbstmorde häufen sich und ein Krieg bricht demnächst aus. In diesem Deutschland wohnt Charlie, in einer Stadt, die nicht explizit als Berlin erwähnt wird, aber trotzdem danach klingt.

Charlie ist 12 Jahre alt und lebt mit ihrer alkoholkranken Mutter in einer Plattenbauwohnung. Sie ist meist mit Überleben und Überlebensstrategien beschäftigt und versucht gleichzeitig vor ihren Schulkameraden und -freunden zu verbergen wie zerrüttet ihre Familienverhältnisse sind.

Neben der Hochhaus-Siedlung in der Charlie lebt, befindet sich eine ganz andere Welt, adrette Bungalows in denen eher gut situierte Menschen wohnen. Charlies Welt wird auf den Kopf gestellt als ein aus ihrer Sicht faszinierendes Ehepaar dort einzieht, Maria (egozentrische Schauspielerin) und Georg (ihr Mann in Form eines Anhängsels). Charlie ist fasziniert von den beiden und projiziert alle ihre Wünsche und Hoffnungen auf die beiden, sie beobachtet und versucht Begegnungen herbeizuführen, während ihr Alltag mit ihrer Mutter immer mehr den Bach runter geht.

Ich muss zugeben, dass ich etwas Startschwierigkeiten mit dem Buch hatte, da die ersten Kapitel wirklich etwas schwer zugänglich sind und in etwas anstrengenden und prätentiösen Schachtelsätzen geschrieben sind, so dass man den Eindruck gewinnt, es handelt sich um ein Buch, das versucht pseudo-intellektuell rüber zu kommen…das ging in den ersten paar Kapiteln so, als Maria und Georg vorgestellt werden. Sobald die Geschichte aus Sicht von Charlie erzählt wird, wird die Sprache bildgewaltig, direkt und emotional und ab da hat mich das Buch richtig gepackt und mitgerissen. Da Maria und Georg prätentiös und pseudo intellektuell sind (und für Charlie wohl kaum die Lösung sein werden, die sie sich erträumt), vermute ich da im Nachhinein ein absichtliches Stilmittel, das aber die Gefahr birgt, das viele Leser am Anfang abbrechen.

Das Buch ist natürlich düster, deprimierend und keine leichte Lektüre, aber ich fand es in weiten Teilen auch wirklich bewegend, gerade die Freundschaft zwischen Charlie und ihrem Schulkameraden Iskender fand ich wirklich sehr authentisch und auch Charlies noch sehr kindliche Gefühlswelt obwohl ihr Denken sich schon in Weiten Teilen um Sex dreht ist toll getroffen. Insgesamt hat mich das Buch deswegen doch sehr überzeugt, obwohl sich sicher Schwächen finden lassen, wenn man danach sucht. Für mich war es aber definitiv ein Buch, das zum Nachdenken anregt und mir deshalb wirklich sehr gut gefallen hat.

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Krimi-Rezension: „Escape Room“ von Chris McGeorge

Die Hauptperson in „Escape Room“ von Chris McGeorge ist Morgan Sheppard, ein bekannter Fernsehmoderator, der es als Kind zu Berühmtheit brachte als er den angeblichen Selbstmord seines Mathelehrers als Mord enttarnte und den Mörder entlarvte. Aktuell läuft es für Sheppard aber nicht mehr so gut, seine TV-Sendung ist ziemlich trashig, er hat ein Problem mit Drogen und Alkohol und führt ein ziemlich rücksichtsloses Jet Set Leben.
Im Urlaub in Paris lernt er eine attraktive Frau kennen, doch anstatt mit ihr in Paris erwacht er ohne Erinnerung daran was passiert ist in einem Hotelzimmer in London, ans Bett gefesselt und ziemlich verwirrt. Mit ihm im Zimmer noch eine Handvoll anderer Personen und im Badezimmer eine Leiche.Schnell wird klar, dass ein Unbekannter mit Sheppard ein perfides Spiel spielt. Innerhalb weniger Stunden soll er den Mörder ermitteln, nur dann werden er und seine Mitstreiter frei gelassen. Gelingt ihm das nicht, wird der Unbekannte das Hotel in die Luft sprengen.

Der Autor ist laut eigenen Angaben bzw. Klappentext ein Fan von klassischen Krimis wie z.B. von Agatha Christie und möchte diese stilistisch gerne gemischt mit modernen Elementen wiederbeleben. Ersichtlich wird dies sicher daran, dass der Roman ein ziemlich konstruiert wirkendes Szenario als Prämisse benutzt, was in altmodischen Krimis ja als Stilmittel oft vorkam (und „Der Mörder ist immer der Gärtner“), aber in modernen Krimis und Thrillern eher aus der Mode gekommen ist.
Ich fand diese Idee eigentlich sehr nett, allerdings weicht der Autor in der Umsetzung von dem „geschlossenen System“ des Hotelzimmers mit einer Reihe verdächtiger Charaktere doch wieder ab, da ein Teil der Geschichte in der Vergangenheit spielt und in Rückblenden aus der jüngeren Vergangenheit von Sheppard und den anderen Charakteren erzählt. Außerdem gibt es intensive Rückblicke in die Kindheitsgeschichte von Sheppard , diese haben mir aber gut gefallen und sind auch wichtig um die Auflösung des Romans zu verstehen. Insgesamt weicht das das Konzept halt sehr auf, so dass die eigentlichen Ermittlungsgespräche von Sheppard mit den verdächtigen Personen und auch das verschlossene Hotelzimmer im Endeffekt für die Auflösung gar nicht wirklich wichtig sind, was ich ein bisschen schade fand.
Trotzdem ist die Geschichte unterhaltsam, wenn auch vom Schreibstil keine literarische Hochleistung (2-3 Schreibfehler habe ich auch entdeckt, was für eine mäßige Lektoratsleistung spricht).
Für mich war das Buch eine nette Unterhaltung für zwischendurch von einem talentierten Autor, der in Zukunft aber sicher noch etwas Feinschliff in seine Arbeit und in seinen Schreibstil bringen kann.

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Historischer Roman: „Tyll“ von Daniel Kehlmann

Tyll“ von Daniel Kehlmann habe ich schon direkt nach dem Erscheinen auf meine „Must-Read“ Liste gesetzt. Erstens weil ich schon „Die Vermessung der Welt“ sehr gelungen fand (und das obwohl ich eigentlich nicht besonders gerne historische Romane lese) und zweitens weil ich auch die gesamte Idee des Buches wirklich spannend fand: ein Roman über Geschehnisse im 30-jährigen Krieg, die lose mit der (fiktiven) Lebensgeschichte von Till Eulenspiegel (im Buch Tyll Ulenspiegel) verknüpft ist. Das Spannende daran ja auch schon, dass ungeklärt ist ob die Figur des Till Eulenspiegels auf einer real lebenden Person basiert oder reine Fiktion ist.

Das Buch funktioniert erzählerisch auf zwei Ebenen, einerseits wird anfangs und in einigen anderen Kapiteln die Kindheit und das Leben von Tyll Ulenspiegel selbst geschildert, wobei vor allem das Schicksal seines Vaters als Hexer eine besonders eindringliches Ereignis darstellt. In anderen Kapiteln spielt Tyll eine Nebenrolle – in Form seines Berufs als Narr – im Leben verschiedener realer Personen, die eine mehr oder weniger gewichtige Rolle zu Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs spielten. So z.B. stehen im Mittelpunkt einzelner Kapitel der „Winterkönig“ Friedrich V., seine Ehefrau Elizabeth Stuart (die Enkelin von Maria Stuart) und der Jesuit und Gelehrte Athanasius Kircher (der im Buch eine gewichtige Rolle im Schicksal des jungen Tyll Ulenspiegels einnimmt). Das Buch bedient sich dabei keiner linearen Erzählweise, sondern greift in Zeitsprüngen einzelne Episoden aus dem gesamten Zeitstrahls des dreißigjährigen Krieges heraus.

Mir hat der Roman wirklich gut gefallen und trotz des eher schweren historischen Themas lasen sich die 300 Seiten ratzfatz weg. Die Sprache ist sehr farbig, so dass man als Leser wirklich in das Leben der Figuren gezogen wird, auch wenn das ein ganz anderer Roman war und ein Jugendbuch erinnerte mich das Gefühl beim Lesen vor allem anfangs bei der Kindheitsgeschichte von Tyll etwas an „Krabat“ von Otfried Preußler (eines meiner absoluten Lieblingsbücher). Andere Kapitel sind sehr bissig und mit einem ironischen Humor versehen andere sind durchaus emotional und auch die Brutalität und Sinnlosigkeit des Krieges wird überzeugend herausgearbeitet. Was mir auch sehr gut gefallen hat, ist dass man wirklich Lust bekommt sich intensiver mit dem Thema Dreißigjähriger Krieg auseinander zu setzen (die Geschichte von Friedrich V. habe ich zum Beispiel nebenher detaillierter nachgelesen). Für mich bisher eines der Lese Highlights von 2018 und mal wieder ein Beweis, dass historische Romane nicht langweilig oder kitschig sein müssen.