Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Wo der Wolf lauert“ von Ayelet Gundar-Goshen

In dem Hörbuch „Wo der Wolf lauert“ von Ayelet Gundar-Goshen steht die Familie Schuster im Mittelpunkt. Lilach und Michael Schuster sind vor einigen Jahren aus Israel nach Kalifornien emigriert und leben dort mit ihrem 16-jährigen Sohn Adam. Michael arbeitet im Silicon Valley für eine IT-Firma im sicherheitskritischen Bereich, Lilach hat einen Teilzeitjob im Altenheim, wo sie sich um Kulturprojekte und Unterhaltung für die Bewohner kümmert, konzentriert sich aber sonst stark auf ihre Familie. Nach einem Anschlag auf eine religiöse jüdische Feier der die Community erschüttert melden Lilach und Michael Adam bei einem Krav Maga Kurs an. Adam ist ein eher introvertierter zurückhaltender Junge, doch nach erstem Sträuben ist er umso begeisterter von dem Kurs und noch mehr von Uri, der Gerüchten der Teenager zufolge sogar mal beim Mossad gewesen sein soll. Doch dann geschieht auf einer Party schon wieder etwas furchtbares, Jamal Jones, ein Junge aus der afroafrikanischen Community bricht tot zusammen, waren es Drogen? Oder etwa gar kein Unfall. Als Lilach heraufindet, dass Jamal Adam gemobbt hat und Adam wohl anderen Kindern gegenüber erzählt hat, dass er Jamal am Liebsten umbringen würde, bekommt ihre Familienidylle immer mehr Risse und Lilach muss realisieren wie wenig sie eigentlich über ihren Sohn wusste. In dieser schwierigen Zeit wird Uri zu einer immer größeren Stütze für Adam und gewinnt langsam auch immer mehr das Vertrauen der Familie, Michael verschafft ihm sogar einen Job in seiner Firma. Doch bei Lilach bleibt ein ungutes Gefühl…

Das Buch ist in der Ich-Perspektive von Lilach geschrieben, man erfährt die ganzen Ereignisse also aus ihrer Sicht als besorgte Mutter. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen und es hat mich von Anfang an gefesselt. Leichte Schwächen hatte es finde ich im zweiten Drittel wo der Spannungsbogen irgendwie etwas abflachte, dann zum Ende aber wieder Fahrt aufnahm. Insgesamt hat mich das Buch zum Ende hin auch überrascht und es hat sich etwas anders entwickelt als ich am Beginn erwartete, was ja kein Nachteil sein muss.
Nur Lilach’s etwas weinerliche Passivität ging mir zeitweise auf die Nerven, einen besonders sympathischen Charakter konnte ich ihn ihr nämlich nicht unbedingt sehen. Trotzdem hat mich die Geschichte an sich definitiv überzeugt.

Das Hörbuch wird gelesen von Milena Karas und von ihr war ich richtig begeistert. Sie liesst sehr klar und deutlich und trotzdem ist ihre Darstellung der Personen in der direkten Rede voller Emotionen. Auch den verstockten Teenager Adam stellt sie als Frau sehr gut dar. Mich hat sie zu 100% überzeugt.

Bücher

Jugendbuch-Tipp: „Optimisten sterben früher“ von Susin Nielsen

Optimisten sterben früher“ ist ein Young Adult Roman der kanadischen Jugendbuchautorin Susin Nielsen. Hauptfigur ist die Jugendliche Petula, die seit dem Tod ihrer kleinen Schwester im Alter von 3 Jahren übervorsichtig und mit diversen Angst- und Zwangsstörungen belastet durchs Leben geht. Sie gibt sich die Schuld am Tod ihrer Schwester, denn diese erstickte im Schlaf an einem Knopf eines Anzugs, den Petula für sie genäht hatte. Seitdem versucht Petula jedes Risiko für sich selbst und ihre Familie auszuschalten, sammelt Artikel über tragische und unwahrscheinliche tödliche Unglücke, übererfüllt selbst ohne Corona jegliche Hygieneanforderungen und dazu sieht sie es noch als Aufgabe an die Ehe ihrer Eltern am Laufen zu halten, indem sie auch den Familienalltag möglichst konfliktfrei gestaltet. Bei einer schulischen Kunst-Therapiegruppe (von den Kids zynisch „Basteln für Bekloppte“ genannt) lernt sie Jacob kennen, der nach einem Unfall auf Petulas Schule gewechselt ist, eine Armprothese trägt und die Gruppe trotz seiner eigenen Probleme durch seine positiven Impulse bereichert. Auch Petula öffnet sich ihm langsam und – wie in Young Adult Romanen unvermeidlich 😉 – verliebt sich in ihn. Doch es stellt sich heraus, dass Jacob über seine eigene Vergangenheit nicht ehrlich war…

Der Roman ist sicher für einen Young Adult recht typisch und hat all die üblichen „Inhaltsstoffe“, trotzdem fand ich, dass er definitiv sehr positiv heraussticht. Die Charaktere sind farbig und lebendig gezeichnet und sehr charmant, mit Petula kann sich vermutlich jeder identifizieren, der Schreibstil ist trotz des schweren Themas humorvoll und leicht und die ganze Geschichte ist mindestens so humorvoll wie traurig. Von dem her eine absolute Leseempfehlung.

Bücher

Buch-Tipp: „Das zweite Leben des Adolf Eichmann“ von Ariel Magnus

Heute möchte ich ein Buch vorstellen, dass sich nicht gerade als leichte Lektüre anbietet und von dem ich jetzt auch schwer sagen kann ob ich es jemanden „empfehlen“ würde: „Das zweite Leben von Adolf Eichmann“ von Arial Magnus. Der Autor ist der Enkel einer jüdischen Holocaust-Überlebenden, der sich in diesem Buch die Aufgabe gestellt hat eine Geschichte aus Sicht eines der schlimmsten Nazi-Verbrechers des 2. Weltkrieges zu schreiben.
Das Buch spielt im Buenos Aires der 1950er Jahre, nachdem es Eichmann (wie vielen anderen Nazis und SS-Angehörigen) gelungen ist sich nach Argentinien abzusetzen. Unter dem Namen Ricardo Klement lebt er völlig unbehelligt in Buenos Aires und schlägt sich mit wechselhaften Jobs durch. 1952 holt er seine Familie nach, er gibt sich aber als Onkel seiner Söhne aus um seine Identität zu verschleiern. Die Geschichte deckt den Zeitraum von 1952 (als Eichmann seine Familie nachholte) bis zu seiner Entführung durch den Mossad im Jahr 1960 ab.
Der Roman ist in der Ich-Perspektive geschrieben, was das Geschriebene besonders perfide machen, denn wer möchte schon in den Kopf und die kranke Ideologie eines solchen Menschen und unbelehrbaren Nazis eintauchen?
Der Stil des Buches ist der einer bitterbösen und bissigen Selbstdarstellung, die die kruden Denkweisen von Eichmann und seine Taten schonungslos offenlegt.
Die Handlung orientiert sich dabei stark an den tatsächlichen Ereignissen und als Quellen für Eichmanns Darstellung dienen zahlreiche Aussagen von ihm und auch seine Interviews die er in Buenos Aires mit dem rechtsextremen Journalisten Willem Sassen führte.
Befremdlich erscheint es wie wenig Mühe sich Eichmann eigentlich gab seine Identität tatsächlich zu verschleiern.

Am Ende des Buches gibt es abschließend noch ein Kapitel „After Office“ in dem der Autor seine Beweggründe für das Schreiben seines Buches und die verwendeten Quellen genauer ausführt, was zur Einordnung und zum besseren Verständnis sehr hilfreich ist. Parallel habe ich die historischen Ereignisse und Personen beim Lesen zusätzlich auch immer mal wieder gegoogelt, um mehr über die Hintergründe und Personen zu erfahren.

Bücher

Buch-Tipp: „Dunkelblum“ von Eva Menasse

„Dunkelblum“ der österreichischen Autorin Eva Menasse spielt im Jahr 1989 in einem kleinen Dorf des selben Namens an der ungarischen Grenze im Burgenland. Ein Dorf in dem seit Jahrzehnten Geheimnisse und schreckliche Geschehnisse aus der Vergangenheit unter der Oberfläche lauern und von der Dorfgemeinde systematisch unter den Teppich gekehrt werden. Doch in diesem Jahr – indem auch schon hunderte Flüchtlinge hinter der ungarischen Grenze warten und der nächste große Umbruch vor der Tür steht – treffen gleich einige Menschen in Dunkelblum ein, die an diesem Status Quo rütteln: einige Studenten restaurieren den alten jüdischen Friedhof. Ein unbekannter Fremder quartiert sich im Hotel der Stadt ein und stellt Fragen. Ein junger Mann kehrt in sein Heimatdorf zurück nachdem seine Mutter völlig überraschend im Schlaf verstorben ist. Ein dort heimiger Reisebürobesitzer möchte ein Museum über die Geschichte Dunkelblums eröffnen und auch die jüngste Tochter einer alteingesessenen Winzerfamilie gräbt in der Dorfgeschichte. Und dann wird auch noch ein Toter auf einer Wiese ausgegraben…

Der Roman spielt in mehreren Zeitebenen, teils in der Vergangenheit während des 2. Weltkriegs, teils in der Nachkriegszeit und teils in der Gegenwart von 1989. In verschiedenen Episoden und Rückblicken lernt man aktuelle und frühere Einwohner von Dunkelblum kennen, ihre Geschichte, ihre Haltungen, ihre Verdrängungsmechnismen, ihre Rechtfertigungen und ihre Gewissensbisse…erzählt wird die Geschichte dabei in einer lebendingen Sprache voller Lokalkolorit (mein Lieblingswort, das ich neu gelernt habe ist „Holzpyjama“ für einen Sarg 😉 ) und trotz des sehr ernsten Themas ist auch Ironie und ein feinsinniger böser Humor in der Geschichte immer spürbar, was das Lesevergnügen für mich noch mehr erhöhte, auch wenn einem bei den schlimmsten Ereignissen das Schmunzeln dann schnell im Hals stecken bleibt.

Für mich ein außergewöhnlicher Roman, der sicher nicht die aller leichteste Lektüre ist, mir aber sehr viele anregende Stunden verschafft hat.