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Schweden-Krimi: „Minus 18 Grad“ von Stefan Ahnhem

Heute möchte ich einen Ausflug ins Genre Skandinavien-Krimi unternehmen: „Minus 18 Grad“ von Stefan Ahnhem. Dabei handelt es sich bereits um den 3. Teil einer Krimi-Reihe, von denen ich die ersten beiden Teile nicht gelesen habe.

Cover

Auf dem Cover ist eine zu Schweden passende winterliche Wald Landschaft zu sehen, die ein Gefühl von Kälte und Winter vermittelt und damit gut zum Titel des Buches passt. Das Bild wird auf den Innenseiten des Umschlags weitergeführt, was für ein Taschenbuch eine recht hübsche Spielerei ist.

Autor

Den Autor kannte ich im Gegensatz zu vielen anderen skandinavischen Krimi-Autoren noch nicht. Laut Klappentext schreibt er auch Drehbücher für Krimis und war zum Beispiel Autor einiger Wallander Verfilmungen.

Charaktere

Charaktere gibt es in dem Buch „Minus 18 Grad“ mehr als genug, wenn nicht sogar ein paar zu viele? Die Hauptperson ist wohl der Kommissar Fabian Risk, der nicht der Leiter seines Ermittlungsteams ist, aber diese Rolle mehr oder weniger unfreiwillig doch einnimmt, da die Chefin des Teams ein Alkoholproblem hat, das im Buch auch eine größere Rolle spielt. Fabian Risk schlägt sich mit Eheproblemen und einem (wohl in einem vorigen Band) traumatisierten Sohn im Teenageralter herum. Weiterhin gibt es noch mehrere andere Polizisten im Team, die eine mehr oder weniger große Rolle einnehmen. Und zusätzlich dazu gibt es noch eine junge dänische Polizistin, die in einem völlig anderen Fall in Dänemark ermittelt und deren Beziehung zu Fabian Risk sich erst im Laufe des Buches erschließt. Auch die beiden Fälle laufen anfangs parallel ohne dass erkenntlich wird warum es zwei so unterschiedliche Handlungsstränge gibt.
Dazu gibt es noch natürlich noch den/die Mörder in beiden Fällen und eine ganze Menge Nebenfiguren. Auch Fabian Risks Familie spielt eine nicht unwichtige Rolle. Dass man bei dieser Fülle an Personen nicht den Überblick verliert ist durchaus eine gute Leistung vom Autor.

Plot

Ein Mann fährt nach einer wilden Verfolgungsjagd über eine Kaimauer und kann nur noch tot geborgen werden. Der Gerichtsmediziner macht eine verblüffende Entdeckung, denn der Mann war offenbar schon mehrere Tage tot und offenbar auch längere Zeit tief gefroren. Wie kam er also ins Auto und wer hat es gefahren? Das ist der Ausgangspunkt der Geschichte, aus dem sich mit der Zeit ein sehr komplexer Kriminalfall ergibt. Dieser ist vielleicht nicht unbedingt sonderlich realistisch, denn dazu ist der Täter ein bisschen zu „übermenschlich“ geraten, allerdings ist das Ganze so gut aufgebaut und in sich durchaus schlüssig, dass mich das nicht wirklich gestört hat.
Parallel gibt es noch einen völlig unabhängigen Kriminalfall rund um die junge Polizistin Dunja in Dänemark (die wohl in einem der vorherigen Bücher schon mit Fabian Risk zu tun hatte). Auch wenn die Fälle Schnittpunkte haben, drängt sich der Gedanke auf, dass der Roman genug Stoff für 2 unterschiedliche Bücher geboten hätte (zumal der Krimi auch recht dick ist).

Schreibstil

Das Buch ist flüssig und leicht lesbar geschrieben und die Handlung ist recht dynamisch, auch da die Kapitel angenehm kurz sind und häufig die Perspektive wechseln. Mir hat der Stil gut gefallen und die kurzen Kapitel machen es auch gut möglich das Buch während einer Arbeitswoche in kleineren Häppchen zu lesen ohne den Faden zu verlieren. Durch die komplexe Handlung kam jetzt nicht unbedingt rasante Thriller-Spannung auf, das habe ich aber auch nicht vermisst.

Fazit

Das Buch ist sehr unterhaltsam mit überdurchschnittlich kreativen Kriminalfällen, die aus der Masse der Krimis und Thriller herausstechen. Die Charaktere sind alle sympathisch und trotz der Fülle relativ gut ausgearbeitet, einige Nebenfiguren bleiben aber schablonenhaft. Dass ich die ersten beiden Bände nicht kannte, hat mich nicht übermäßig gestört, denn man kann die Hintergründe aus dem Kontext herleiten. Trotzdem wirkt das Buch vielleicht einen Ticken überladen und da hätte etwas weniger an mancher Stelle nicht geschadet. Auch dass am Ende quasi schon ein neuer Fall angeteasert wird fand ich unnötig (wenn einem eine Reihe gefällt, bleibt man auch ohne solche Tricks dabei).

Bücher

Krimi-Tipp: „Das Geheimnis der Grays“ von Anne Meredith

Heute möchte ich die Neuauflage eines historischen Krimis vorstellen und zwar „Das Geheimnis der Grays“ (Originaltitel: „Portrait Of A Murderer“) von Anne Meredith. Anne Meredith ist ein Pseudonym der britischen Autorin Lucy Beatrice Malleson, die unter dem weiteren Synonym Anthony Gilbert eine langjährige Krimireihe rund um den Ermittler Arthur Crook verfasste. Unter dem Pseudonym Anne Meredith hat sie nur 2 Bücher veröffentlicht, eine Autobiografie und eben den psychologischen Krimi „Das Geheimnis der Grays“.

Der Roman erschien erstmalig 1933 und spielt an Weihnachten 1932. Die ziemlich zerstrittene Familie Gray versammelt sich an Weihnachten beim autoritären und übellaunigen Familienoberhaupt Adrian Gray im alten Herrenhaus der Familie auf dem Land. Vordergründig natürlich um gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Allerdings haben die meisten Familienmitglieder andere Absichten, denn sie stecken in mehr oder minder ernsten finanziellen Schwierigkeiten und erhoffen sich von den Festtagen, den Vater dazu zu kriegen, Ihnen finanziell unter die Arme zu greifen. Adrians ältester Sohn Richard möchte sich einen Adelstitel erkaufen, wird jedoch von einer Geliebten erpresst. Der Schwiegersohn Eustace hat mit windigen Spekulationsgeschäften nicht nur seine Klienten sondern auch Adrian über den Tisch gezogen. Und der jüngere Sohn Hildebrand ist ein mittelloser Künstler, der eine ganze Horde von Kindern durchbringen muss, für die er sich eigentlich gar nicht nicht interessiert. Lediglich die jüngste Tochter Ruth und ihr Mann stecken nicht in Schwierigkeiten und haben beim Weihnachtsbesuch keine Hintergedanken. Der 1. Weihnachtsfeiertag beginnt statt mit Geschenken dann direkt mit einem Schock, Adrian Gray wird ermordet in seinem Arbeitszimmer aufgefunden…

Dies klingt auf den ersten Blick wie ein typischer Whodunnit im Stile von Agatha Christie, entpuppt sich aber als psychologischer Krimi bei dem (für die damalige Zeit sicher noch außergewöhnlich und innovativ) die Gefühlswelt des Mörders im Vordergrund steht. Denn wer der Mörder ist, wird schon im ersten Drittel des Buches enthüllt, der Mord wird nämlich in der Ich-Perspektive aus Sicht des Mörders geschildert. Dieser versucht in Folge seine Tat zu vertuschen und diese stattdessen einem anderen Familienmitglied anzuhängen.

Der Roman nimmt sich anfangs viel Zeit die verschiedenen Familienmitglieder vorzustellen, wobei der Blick auf die damalige Gesellschaft ziemlich bissig und ironisch gerät. Glücklich sind nur die wenigstens der vorgestellten Paare und Familienmitglieder.
Im 2. Teil steht der Mörder und sein Innenleben im Vordergrund, im 3. Teil dann die Auswirkungen des Mordes und die Frage ob der Mörder mit seinem Vertuschungsversuch davon kommt. Der Stil ist natürlich etwas altmodisch, allerdings trotzdem sehr leicht lesbar und wer gerne altmodische Krimis wie z.B. von Agatha Christie liest, wird mit dem Buch sicher seine Freude haben. Ich fand es sehr unterhaltsam und auch durchaus vom Aufbau kreativ. Auch wenn die Aufmachung des Klett-Cotta Verlags vielleicht etwas irreführend ist (der englische Titel passt auch viel besser zum Inhalt als der Deutsche) hat es mir eigentlich sogar besser gefallen, dass es sich bei dem Buch nicht um einen klassischen „Wer ist der Mörder?“ Roman gehandelt hat.

Bücher

Buchrezension: „Mein Ein und Alles“ von Gabriel Tallent

Heute habe ich eine ungewöhnliche Aufgabe: ich rezensiere ich ein Buch mit dem ich nicht so richtig warm wurde, nämlich „Mein Ein und Alles“ von Gabriell Tallent. Ich hatte die Leseprobe gelesen und fand sie sehr vielversprechend, außerdem mag ich solche Geschichten eigentlich, also Geschichten darüber wie jemand sich aus schwierigen Lebensumständen befreit und so eine Geschichte schien „Mein Ein und Alles“ zu sein.

Das Buch dreht sich um die 14-jährige Turtle (eigentlich Julia) Alveston aus Kalifornien. Sie lebt mit ihrem Vater in einem ziemlich heruntergekommenen Haus nahe der Meeresküste , in einer bewaldeten Gegend bei Mendocino (beim Lesen des Buches habe ich realisiert, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nie darüber nachgedacht hatte wo sich der im Schlager besungene Ort eigentlich befindet). Sie geht zur Schule, ist dort aber eine Außenseiterin, was auch an ihrem eigenen abweisenden Verhalten liegt, sie scheint nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen Menschen zu hassen, vor allem gerade, die die eigentlich versuchen auf sie zu zu gehen. Die Gründe dafür werden schnell klar, sobald man etwas mehr über die toxische und kranke Beziehung zwischen ihrem Vater Martin und ihr erfährt. Turtle glaubt nicht daran etwas am Status Quo ihres Lebens verändern zu können, sucht auch oft Entschuldigungen für ihren Vater und zerfleischt sich gedanklich selbst…doch als sie auf einem Streifzug durch die Wälder Jacob und Brett kennenlernt – 2 Jungs im Highschool-Alter – verändert sich ihr Leben langsam aber sicher und die Geschehnisse nehmen einen Lauf der zu einer immer größeren Eskalation führt. Irgendwann kämpft Turtle nicht mehr nur um ihre Befreiung sondern um Leben und Tod.

Das Buch ist also durchaus sehr interessant, die Thematik verstörend und Turtle eine spannende und komplexe Hauptfigur. Trotzdem hatte ich einige Probleme mit dem Buch: erstens ist die Sprache irgendwie sperrig. Die Landschaftsbeschreibung blieben für mich irgendwie schwer zugänglich, so dass ich es irgendwie nicht schaffte diese Teile aufzunehmen. Interessanterweise passt auch das Cover irgendwie zu diesem Gefühl, es zeigt ein irgendwie altmodisch wirkendes Dickicht von Nadelbäumen, das gleichzeitig anzieht und irritiert.

Der Rest des Buches ist im Prinzip gut geschrieben, allerdings war ich von einigen Schimpfwörtern irritiert, die irgendwie zu altmodisch für ein Buch wirkten in dem eine 14-jährige die Hauptrolle spielt (auch ihr Vater dürfte vermutlich nicht viel älter als 40-50 sein). So wurde z.B. das Wort „Luder“ häufig verwundet, was ich mir als Sprache bei einer 14-jährigen einfach schwer vorstellen konnte. Da wäre es interessant mal ins Original hineinzulesen um zu vergleichen was für Wörter dort verwendet wurden. Ich bin mir bei diesem Buch sprachlich wirklich nicht sicher, ob ich ein Problem mit der Buchsprache an sich hatte oder auch eher mit der Übersetzung. Insgesamt wirkt der Stil irgendwie unausgewogen.

Mein zweites Problem mit dem Buch war, dass ich es insgesamt doch ziemlich schwer zu verdauen fand. Eigentlich bin ich bei dramatischen Familiengeschichten hart im nehmen und lese zwischendurch auch gerne mal düstere oder schwierige Bücher, aber aus irgendeinem Grund kam ich bei diesem Buch fast an meine Grenzen (vielleicht lag es auch daran, dass ich es ausgerechnet im trüben November angefangen habe???). Ich glaube es war eine Kombination aus der teils etwas schwer zugänglichen Sprache und der Tatsache, dass die geschilderten Ereignisse, sowie die Charaktere Martin und auch Turtle selbst, als Charaktere schwer zu ertragen sind. Deshalb bewegte ich mich eher langsam Kapitel für Kapitel durch das Buch und hatte irgendwann in der Mitte mal das Bedürfniss parallel etwas Leichtes zu lesen (was ich nur nicht getan habe, weil meine Lesezeit diesen Monat etwas begrenzt war).

Trotzdem fand ich das Buch durchaus lesenswert und kann nicht sagen, dass es mich nicht zum Nachdenken gebracht hätte. Interessanterweise fand ich die letzten Kapitel in denen sich Turtles Lebenssituation massiv gewandelt hat sehr viel bewegender und emotionaler als alles davor, vielleicht auch weil Turtle als Mensch da aufgetaut ist. Insgesamt habe ich also ein sehr ambivalentes Verhältnis zu dem Buch, weswegen ich auch nicht sagen kann ob und wem ich es weiterempfehlen würde.

Bücher

Michelle Hunziker – „Ein scheinbar perfektes Leben“

Heute möchte ich mal wieder eine Promi-Autobiographie vorstellen (das entwickelt sich gerade zu einem neuen Lieblingsgenre von mir). Und zwar: „Ein scheinbar perfektes Leben“ von Michelle Hunziker. In dem Buch erzählt sie davon wie sie mit Anfang 20 in die Fänge einer spirituellen Sekte geriet und Jahre brauchte, um sich daraus wieder zu befreien.

Michelle Hunziker kannte ich natürlich, allerdings habe ich ihre frühe Karriere und ihr Privatleben kaum verfolgt (natürlich habe ich mitbekommen, dass sie mit Eros Ramazotti verheiratet war, aber das war es dann auch schon). Das erste Mal wurde ich bei Wetten dass wirklich auf sie aufmerksam (wo ich sie als Co-Moderatorin deutlich angenehmer fand als Thomas Gottschalk, dessen Stil mir immer zu egozentrisch war). Deshalb bin ich mit wenig Vorwissen in das Buch gestartet und fand es sehr interessant zu erfahren wie Michelle aufgewachsen ist und wie die ersten Jahre ihrer Karriere und ihres jungen Erwachsenenlebens verliefen. Auch über das Showbusiness erfährt man am Rande ein bisschen, aber den Hauptteil des Buches nimmt wie erwartet Michelles Sektenerfahrung ein.

Das Buch beginnt mit einigen Episoden aus Michelles Kindheit in der Schweiz, die von Ausgrenzung in der Schule und der Alkoholsucht ihres Vaters geprägt war, zu dem Michelle den Kontakt als junge Erwachsene erstmal komplett aufgab. Auch das Verhältnis zu ihrer Mutter war nicht immer einfach. Nach der Geburt ihrer Tochter Aurora mit 19 und der Ehe mit Eros Ramazotti nahm Michelles Karriere so langsam Fahrt auf. Doch gut ging es ihr zu dieser Zeit trotzdem nicht und als sie über einen gemeinsamen Freund eine „Prana-Heilerin“ kennenlernte (ursprünglich sollte sie Eros bei einem Problem mit seiner Stimme helfen), nahm das Unheil seinen Lauf. Zuerst suchte Michelle bei ihr nur Hilfe wegen eines damals auftretenden Haarausfalles, doch mit der Zeit nahm die Heilerin immer mehr Einfluß auf Michelles Leben…

Mir hat an dem Buch super gefallen, dass Michelle sehr viel Wert darauf legt zu erklären, welche Zufälle, Charaktereigenschaften, Situationen und persönlichen Probleme in der Summe dazu führten, dass sie langsam in die Fänge der Sekte geriet. Es wird deutlich, dass so etwas nicht von jetzt auf sofort passiert, sondern ein schleichender Prozess ist. Außerdem wird im Detail erläutert welche manipulativen und grausamen Techniken die Sekte benutzte, um Michelle von ihren Freunden und ihrer Familie zu entfremden und unter ihrer Kontrolle zu behalten. Auch ihre eigene Gefühlswelt und Gedankengänge in der Sekte schildert Michelle intensiv und auch wie und warum die Versuche ihrer Familie zu ihr durchzudringen gerade das Gegenteil bewirkten wird sehr anschaulich. Deshalb ist das Buch sicherlich gut für Angehörige von Sektenmitgliedern geeignet.

Der Stil des Buches ist einerseits sehr emotional (man merkt, dass Michelle ein eher gefühltsbetonter Mensch ist), gleichzeitig aber trotzdem sehr analytisch, selbstkritisch und klar geschrieben, insgesamt ein Schreibstil, der sich sehr gut liest. Mir hat es sehr imponiert wie reflektiert Michelle ihre eigenen Schwächen und die Beziehung zu ihrer Mutter analysiert und wie sie teilweise auch sehr hart mit sich selbst ins Gericht geht und Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen übernimmt.

Als einzige Schwächen des Buches würde ich anmerken, dass die Episoden aus der Kindheit und Jugend anfangs teils etwas sprunghaft wirken (auch dadurch, dass der Teil recht kurz ist) und zweitens, dass einige Kapitel etwas sehr ausufernd von den spirituellen Inhalten der Sekte erzählen. Das ist eine Detailtiefe, die man an der Stelle vielleicht nicht unbedingt gebraucht hätte, da hätte man das Buch etwas kürzen können, ohne dass wichtige Inhalte verloren gegangen wären. Ich fand es aber durchaus beeindruckend wie die Sektenführerin es geschafft hat so ziemlich jede Weltreligion und spirituelle Richtung von der man jemals gehört hat zu einem Wirrwarr zu verquicken). Das sind aber nur Kleinigkeiten, insgesamt fand ich das Buch sehr gelungen und absolut lesenswert.