Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Heimweh“ von Graham Norton

„Heimweh“ von Graham Norton ist ein Hörbuch, das erstens wegen dem Setting in Irland mein Interesse geweckt hat und auch weil der bekannte Schauspieler Charly Hübner es liest. Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, die Geschichte beginnt irgendwann in den 80ern in einer irischen Kleinstadt. 6 junge Menschen haben einen Tag am Strand verbracht, Bernie und David wollen am nächsten Tag heiraten und möchten noch einmal abschalten, dabei sind ihre Brautjungfer und deren Schwester, sowie der Arztsohn Martin und Connor, der einige Jahre jünger ist und eigentlich gar nicht zur Clique gehört, aber aus eher unerfindlichen Gründen an diesem Tag von Martin eingeladen wurde mitzukommen. Doch der Tag endet mit einer Tragödie, an einem Kreisverkehr kommt das Auto der junge Leute von der Straße ab, Bernie, David und die Brautjungfer sterben, ihre Schwester Linda bleibt für immer gelähmt. Nur Martin und Connor sind unverletzt geblieben. Vor allem für Connors Familie ein Tragödie, denn er hat den Wagen gefahren. Zwar kommt er mit einer Bewährungsstrafe davon, doch die Familie ist genau wie die Familien der Opfer für immer gezeichnet, der Pub von Connors Eltern hat kaum mehr Besuch, auch Connors Schwester Linda hat das Gefühl von allen beobachtet und abgelehnt zu werden. Als Connor zum Arbeiten nach England geschickt wird, ist sie heimlich erleichtert und als sich Arztsohn Martin dann auch noch für sie interessiert kann sie ihr Glück kaum fassen.

Jahre später sind Martin und Ellen verheiratet, Connor lebt inzwischen ein ganz neues Leben in New York als der Zufall (oder das Schicksal) ihn mit seiner Vergangenheit konfrontiert und das Leben aller Beteiligten durcheinander gewirbelt wird.

Der Titel „Heimweh“ hat etwas melancholisches und so würde ich auch den Grundton des Buches durchaus beschreiben, es ist eine traurige, schöne und herzerweichende Geschichte, die zeigt wie eine unnötige Tragödie und Geheimnisse das Leben von Menschen über Jahrzehnte lang beeinflussen kann. Es geht aber auch über gesellschaftliche und familiäre und ganz persönliche Weiterentwicklung. 

Gelesen wird das Buch von Charly Hübner wirklich grandios, er bringt die Geschichte und die Charaktere zum Leben und liest sehr warm und einfühlsam, für die Geschichte ist das geradezu perfekt. Ein rundum gelungenes Hörbuch und eine wundervolle Geschichte über Menschen. 

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Buch-Tipp: „Maxwells Dämon“ von Steven Hall

„Maxwells Dämon“ von Steven Hall ist nach dem gleichnamigen Gedankenexperiment aus der theoretischen Physik benannt und ein Roman bei dem es mir gar nicht so leicht fällt eine Rezension zu schreiben, denn zu schwierig fällt es mir die Handlung des Romans zu beschreiben. Der Schriftsteller Thomas Quinn steht Zeit seines bisherigen Lebens im Schatten seines übermächtigen, aber inzwischen verstorbenen Vaters Stanley Quinn, der ebenfalls Autor war. Aktuell befindet sich Thomas’ Leben auch sonst eher in Auflösung begriffen…sein Erstlingsroman war mäßig erfolgreich, seitdem hält sich Thomas eher schlecht als recht mit Auftragsarbeiten über dem Wasser. Seine Frau Imogen ist Wissenschaftlerin und aktuell für 6 Monate auf einer Forschungsstation auf den Osterinseln. Als sich der verschollene und schrullige Starautor Andrew Black, ein ehemaliger Schützling seines Vaters mit dem Thomas sich vor einigen Jahren angefreundet hatte, mit einem mysteriösen Brief bei Thomas meldet gerät dessen Leben vollends aus den Fugen. Als er dann auch noch die Stimme seines toten Vaters auf dem Anrufbeantworter hört und eine Romanfigur aus Andrews einzigem Beststeller-Roman im realen Leben sieht, weiß Thomas gar nicht mehr was er glauben soll und begibt sich auf die Suche nach Andrew Black, um herauszufinden ob dieser Hilfe braucht und was überhaupt los ist…

Das Buch ist sehr mysteriös geschrieben und erinnerte mich vom Stil her teils an alte mystische Geschichten im Stile von H.P. Lovecraft, wobei die Sprache trotz der teils sehr komplexen Themen nie kompliziert ist. Deswegen entwickelt das Buch auch einen starken Sog, dem man sich oft gar nicht entziehen kann. Dabei greift die Geschichte Themen wie Physik, religiöse Mythen und die Bedeutung der Literatur auf und vermengt sie zu einer Mischung aus Kriminalroman, mystischem Roman und philosophischem Roman bei der auch der Leser genau wie Thomas Quinn sich oft fragt was denn nun Realität ist und was Fiktion. Mir hat dieses Buch aber trotzdem oder gerade deswegen richtig Spaß gemacht und ich habe es in kürzester Zeit ausgelesen. Jedermanns Geschmack wird es aber vermutlich nicht treffen, weswegen es schwierig ist eine Empfehlung auszusprechen.

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Buch-Tipp: „Mein Leben mit Fjodor Dostojewski“ von Anna Dostojewskaja

Fjodor Dostojewski ist einer meiner Lieblings-Klassikschriftsteller. Ich habe „Schuld und Sühne“ schon vor einigen Jahren gelesen und vor wenigen Monaten eine Neuauflage von „Die Doppelgänger“. Deswegen hatte ich auch große Lust einmal ein Sachbuch über ihn zu lesen und die Neuauflage der Erinnerungen von Dostojewskis (zweiter) Ehefrau Anna Dostojewskaja „Mein Leben mit Fjodor Dostojewski“ kam mir da gerade recht, fand ich es doch besonders spannend direkt von seiner Ehefrau etwas über den berühmten Schriftsteller zu erfahren. 

Das Buch schildert entsprechend das Leben des Schriftstellers in den 14 Jahren bis zu seinem Tod in denen er mit Anna Dostojewskaja verheiratet war. Die 20-jährige Anna lernte den damals 44-jährigen Fjodor 1866 kennen als sie von ihrem Stenographie-Lehrer zu ihm vermittelt wurde, er suchte jemanden der ihn bei der Arbeit an seinen Büchern unterstützt. Aus einer sehr produktiven Arbeitsgemeinschaft wurde eine liebevolle Ehe, die von gegenseitiger fast schon überschwänglicher Schwärmerei von dem jeweils anderen geprägt war. 

Anna Dostojewskaja schildert ihr Leben mit Dostojewski in sehr strukturierter chronologischer Form (sicher der Tatsache geschildert, dass sie jahrelang stenografisch sehr detailliert Tagebuch schrieb, was beim Verfassen eines solchen Erinnerungsromans sicher sehr hilfreich ist). Beginnend mit der Schilderung ihrer eigenen Kindheit über das Kennenlernen von Dostojewski, die Schwierigkeiten mit seiner Familie direkt nach der Hochzeit, Jahren im Ausland, schwierigen finanziellen und beruflichen Herausforderungen, schlimmen privaten Verlusten und gesundheitlichen Problemen, aber auch vielen „balanen“ und humorvollen Alltagsereignissen. Für mich sehr herausragend an den Erinnerungen waren mehrere Dinge: erstens waren viele der Anekdoten und Erlebnisse wirklich lustig und charmant, zweitens beeindruckte mich die positive Einstellung mit der Anna von der gemeinsamen Zeit mit ihrem Mann schrieb, obwohl der Alltag der beiden von viel Leid (zwei der vier gemeinsamen Kinder starben schon in den ersten Lebensmonaten und -jahren) und Sorgen (ständig Schulden und dem daraus bedingten Zeitdruck unter dem Dostojewski seine Bücher schreiben musste) geprägt war. Trotzdem empfand Anna die Zeit mit ihrem Mann als die glücklichste ihres Lebens und diese tiefe Liebe zu ihrem Mann war wirklich aus jeder Zeile zu entnehmen und sehr bewegend. Trotzdem thematisierte sie durchaus auch die schwierigen Seiten seines Charakters, wie seinen Jähzorn und ständige Eifersuchtsanfälle.

Insgesamt fand ich das Buch rundum gelungen, mitreissend und leicht lesbar geschrieben, unterhaltsam, bewegend und auch einfach perfekt wenn man authentische Einblicke in das Leben in Russland und auch Europa im späten 19. Jahrhundert bekommen möchte. Sehr schön abgerundet wird das Buch mit einigen Fotografien der Familie. 

Somit also ein perfekter Start ins Lesejahr 2022.

Gerne möchte ich in Zukunft auch noch den Briefwechsel von Fjodor und Anna lesen, der unter dem Titel „Ich denke immer nur an Dich: Eine Liebe in Briefen“ veröffentlicht wurde, um noch mehr direkte Einblicke in diese wirklich faszinierende historische Liebesgeschichte zu erhalten.