Allgemein, Fitness

DVD Rezension: Yoga für eine starke Mitte – Ursula Karven

Normalerweise bin ich nicht unbedingt ein Fan von Promi-Fitness DVDs, aber ich bin Tchibo Gelegenheitskäufer (das heißt immer wenn ich beim Edeka am Tchibo Regal vorbei komme und mich was interessiert, nehm ich das mit, meist aus dem Bereich Fitness und Fitnessbekleidung).

Die DVD „Yoga für eine starke Mitte“ mit Ursula Karven enthält 5 kurze Yoga-Sequenzen von ca. 20 Minuten, ist also von Dauer und Intensität eher übersichtlich gehalten. Mir kam das aber gerade recht, da ich unter der Woche abends nach der Arbeit selten Zeit für längere Yoga-Workouts habe und deswegen solche kurzen Workouts für den Alltag gut geeignet finde.

Die Yoga-Einheiten sind eher dynamisch gehalten, es handelt sich um  eher  fließende Abfolgen und nicht um kraftbetonte statische Asanas (beides hat seine Vor- und Nachteile, je nach Schwerpunkt den man setzen will). Die 5 Sequenzen sind inhaltlich:

  • „Atemflow“
  • „Twists/Drehhaltungen“
  • „Stützhaltungen“
  • „Rückbeugen“
  • „Pilates-Core-Basistraining“

Die 4 Yoga-Sequenzen haben mir gut gefallen, vor allem die Sequenz „Stützhaltungen“. Die Vinyasas (dynamische fließende Yoga-Sequenzen) werden Schritt für Schritt erarbeitet, von einfach zu schwerer werden die Bewegungsflüsse schrittweise aufgebaut und sind sehr angenehm, genau das richtige nach einem langen Büroarbeitstag. Die Ausführung von Ursula Karven finde ich gut, auch wenn sie keine Yoga-Trainerin ist, sind mir keine Fehler in ihrer Ausführung aufgefallen und man sieht, dass sie jahrelange Yoga-Erfahrung hat. Auch wird die Atmung auf diesen Yoga-DVDs gut angeleitet, das ist bei vielen anderen Yoga-DVDs nicht unbedingt so, ist aber finde ich grad bei dynamischen Yoga Sequenzen recht wichtig. Für mich mit relativ viel Yoga-Praxis und Fitness-Erfahrung sind die Sequenzen recht einfach und in der Kürze auch eher „Wellness“ zur Lösung von Verspannungen. Für Anfänger sind sie aber sicher durchaus fordernd. Ich denke sie sind z.B. auch gut als kurze Aufwärmprogramme für Reiter geeignet.

Was ich wie immer bei solchen DVDs als problematisch ansehe ist, dass man eigentlich nur so richtig etwas davon hat, wenn man schon mindestens fortgeschrittener Yoga-Anfänger ist und die ganzen Asanas schon kennt und technisch gut kann. Dann kann man nämlich direkt loslegen und mitmachen. Yoga von so einer DVD zu lernen halte ich generell für schwierig, da zu wenig zur technischen Ausführung der Übungen und zu möglichen Fehlern erklärt wird (das ist während so eines Vinyasas auch kaum möglich, wenn dann müsste man vorher die einzelnen Asanas nochmal extra anleiten) und weil man meistens nicht gleichzeitig auf den TV schauen und die Übungen ausführen kann (bei vielen Asanas schaut man ja zum Beispiel während der Ausführung auf den Boden). Bei dynamischen Vinyasas ist das noch schwieriger als bei statischeren Asanas. Ich denke Yoga lernen von so einer DVD kann man bestenfalls wenn man sich die Sequenzen vor dem Üben ein paar Mal anschaut (ich persönlich habe auf so etwas aber in der Regel keine große Lust). Ich persönlich würde jedem der Interesse an Yoga hat den Besuch von mindestens ein paar Grundkursen empfehlen, bevor es ans Üben alleine zu Hause geht. Wenn man dann eine solide Basis hat, kann man auch gut mit DVDs üben. Ausnahme: man ist sowieso schon sehr sportlich/fit und kennt die technische Ausführung von ähnlichen Sportarten (grade im Krafttraining mit eigenem Körpergewicht werden sehr viele Übungen aus dem Yoga auch verwendet).

Apropos „Sportart“: diese Yoga-DVD ist für mich eine reine Körperübungs-DVDs und hat mit anderen (geistigen) Aspekten von Yoga nichts zu tun (ich persönlich finde das aber nicht schlimm, ist ja immer die Frage was man aktuell will).

Die Pilates Core Einheit am Ende hat mir auch ganz gut gefallen, allerdings muss ich sagen, dass sich mir das Thema „Pilates“ an sich noch nicht erschlossen hat (ich weiß einfach zu wenig darüber, was das jetzt genau ausmacht im Vergleich zu anderen Trainingsmethoden und die Pilates Workouts, die ich bisher mitgemacht habe fand ich immer deutlich sanfter und einfacher als Yoga, deswegen kann ich den Hype den es vor ein paar Jahren um Pilates gab nicht so recht nachvollziehen). Ich kannte jede Einzelne der Übungen in diesem Pilates Workout entweder schon vom Yoga oder aus dem normalen Fitness-Krafttraining. Für mich handelt es sich bei der Sequenz auf dieser DVD eigentlich um ein moderates Bauchmuskel- und Core-Training für Zwischendurch.

Zur Atmosphäre: die DVD ist in Schweden aufgenommen, am Wasser, und erweckt eine angenehme Atmosphäre ohne allzu „stylisch“ rüberzukommen. Diese typischen „Yoga am Strand im Urlaubsparadies mit Meeresrauschen“ Lifestyle-Szenerien mancher Yoga-DVDs finde ich inzwischen etwas ausgelutscht, von dem her fand ich das eine gelungene Ausnahme (bloß die im Hintergrund gelegentlich vorbeifahrenden Schiffe/Boote fand ich teilweise kurz ablenkend).

Ich würde diese DVD generell für jeden empfehlen, der kurze harmonische angenehme dynamische Yoga-Workouts für den Alltag sucht. Ich werde mit dieser DVD als Abwechslung zu meinen längeren Yoga-DVDs sicher öfters üben und finde sie insgesamt wirklich gut gelungen.

 

 

Allgemein, Musik

Helene Fischer Fantypen for Dummies

Seit ca. einem Jahr bin ich ja Helene Fischer Fan. Das ist einfach so passiert. Beziehungsweise dafür gibt es sogar einen Fachbegriff, der vermutlich knapp davor ist in den Duden aufgenommen zu werden, nämlich die sogenannte „Helenisierung“. Vor diesem Vorgang ist durchaus zu warnen, denn ist er erstmal losgelaufen ist er schnell voranschreitend, anscheinend umumkehrbar und führt gerne mal zu ernsthaften Löchern im Geldbeutel.

Nach einem Jahr im Helene Fischer Fan Universum hab ich festgestellt, dass das Unterhaltsamste an Helene Fischer gar nicht alleine sie selber oder ihr künstlerisches Schaffen ist, sondern dass es noch eine Metaebene der Unterhaltung gibt, die eigentlich genauso faszinierend ist, nämlich ihre Fans.

Diese möchte ich deswegen grob kategorisiert hier vorstellen, inkl. einer Bewertung der Marketingrelevanz (den das Marketing-Imperium ‚Helene Fischer‘ ist auch noch so ein Punkt der totaaaaaal faszinierend und unterhaltsam ist).

Wenn man entweder Helene Fischer oder sich selbst sehr ernst nimmt, dann empfiehlt es sich die Lektüre an dieser Stelle abzubrechen. Wer’s nicht tut, braucht dann hinterher auch nicht meckern 😉

Fantypus 1: der Anspruchsvolle

Der Anspruchsvolle „hört ja eigentlich gar keinen Schlager“ und ist deswegen latent davon angenervt, dass er das tun muss, weil Helene Fischer nichts anderes singt. (Gut, manchmal singt sie kitschige Disney Songs oder 80er/90er Jahre Klassiker, die beim Hörer zur Ausbildung eines wohlig warmen Nostalgiegefühls in der Magengrube führen (sollen)). Deswegen verbringt der Anspruchsvolle die meiste Zeit damit, zu betonen, dass Helene Fischer hoffentlich in Zukunft „andere“ Musik macht (die Vorstellungen wie, was und warum divergieren hier aber beträchtlich unter den Vetretern dieses Fan-Typus). Der Anspruchsvolle findet „Weihnachten“ das musikalisch Beste Album von Helene Fischer und findet das selber skurril.

Der Anspruchsvolle wird gerne mal dazu verführt sich Dinge im TV anzuschauen, die er eigentlich sonst nicht anschauen würde, weil Helene darin auftritt. So zum Beispiel Sendungen von Florian Silbereisen. Dabei  erleidet er einen Kulturschock, während dessen er sich verzweifelt fragt, wann denn endlich Oliver Kalkofe von links ins Bild hüpft. Da Oli Kalkofe ausbleibt, kompensiert er das durch das reflexartige Absondern eigener sarkastischen Äußerungen im Sekundentakt, was zu regelmäßigen Konflikten mit „Fantypus 2: der Alt-Fan“ führt.

Der Anspruchsvolle kann durchschnittlich 98% der Kritik, die  Kritiker an Helene äußern nachvollziehen, findet die restlichen 2% aber ausreichend, um sie trotzdem für eine – Quatsch DIE – Göttin zu halten.

Der Anspruchsvolle ist für die Marketing-Abteilung vermutlich anstrengend, da er auf den ersten Blick den Eindruck erweckt immer nur zu meckern, zu lästern und zu hinterfragen. Allerdings ist er aus Marketing Sicht trotzdem wichtig und vermutlich gar nicht mal so kompliziert, kauft er doch wie alle anderen Fantypen reflexartig alles wo Helene Fischer draufsteht, vor allem sämtliche Live-Alben und Live-DVDs und Dokumentationen. Er besitzt sogar einen Helene Fischer Parfum Flakon und das Studioalbum von „Farbenspiel“, das er aber noch nie komplett angehört hat.

Fantypus 2: der Alt-Fan

Der Alt-Fan war schon 2005 Helene Fischer Fan oder zumindest 2008. Der Alt-Fan fühlt sich im Schlager-Kosmus rundum wohl und mag an Helene Fischer außer Helene Fischer vor allem die Musik von Jean Frankfurter (die Vorstellung von Alben ohne Jean Frankfurter erfüllt ihn mit tiefer Skepsis). Er bezeichnet Helene gerne mit Beschreibungen wie „Unser Sonnenschein“ und mag an ihr am Meisten, dass sie so nett, süß, authentisch, warmherzig und bodenständig ist, sowie ihre von Herzen kommenden natürlich spontanen Zwischenmoderationen. Er hofft im tiefsten Inneren immer noch, dass Geschenkübergaben und Autogrammstunden auf Tourneen wieder eingeführt werden und ärgert sich, dass er Helene im Stadion mit 45000 anderen teilen muss, die sie gar nicht richtig zu würdigen wissen und auch noch Schuld daran sind, dass richtige „Fannähe“ nicht mehr wie früher möglich ist.

Der Alt-Fan neigt dazu Atemlos-Parodien von Carolin Kebekus kein bisschen lustig zu finden und diese Meinung ausgiebig und markig auf der Facebook-Seite von Frau Kebekus zu äußern, um sich dann darüber zu wundern, dass sie Helene Fischer Fans hinterher noch doofer findet als vorher.

Der Alt-Fan äußert gelegentlich Bedenken, dass der (31 jährigen) Helene Fischer ihre jugendliche Frische und der kindliche Charme verloren zu gehen scheint. Der Alt-Fan ist aus Marketing Sicht wichtig, denn ihm wird eine ausgeprägte Fan-Treue nachgesagt. Allerdings besteht immer die Gefahr, dass der Alt-Fan sich eine neue Schlagerprinzessin sucht wenn Helene Fischer mit 39,5 Jahren dann doch endgültig der kindliche Charme verloren gegangen ist.

Für die Marketing Abteilung ist der Alt-Fan keine besondere Herausforderung, denn man kann die Marketing Methoden einsetzen, mit denen man in der Schlagerbranche schon 50 Jahre Erfahrung hat.

Fantypus 3: der Hard-Core Fan

Der Hard-Core Fan ist vermutlich kein richtiger eigener Fan-Typ, sondern eine extreme und finanzstarke Einzelausgabe aus dem Pool der anderen Fantypen. Er ist daran zu erkennen, dass er deutschlandweit bei JEDEM Konzert und JEDER Fernsehshow in einer der ersten Reihen steht oder sitzt, so dass der zuhause gebliebene Fan vor dem Fernseher das Gefühl hat ihn schon öfter gesehen zu haben als Helene.

Der Hard-Core Fan gibt durchschnittlich 67 520 Euro im Jahr für Helene Fischer aus. Aus Marketing Sicht ist er somit immens wichtig, benötigt aber keine besondere Aufmerksamkeit mehr, da er sich zum Selbstläufer entwickelt hat.

Fantypus 4: der Gelegenheitsfan

Der Gelegenheitsfan ist das Gegenteil des Hard-Core-Fan. Er geht ins Stadion, weil er auf Mallorca so oft mit „Atemlos“ beschallt wurde oder weil die Helene ja schon geil aussieht oder so ne tolle Figur hat. Er zieht sich quer durch jede Gesellschaftsschicht und jedes Alter. Er tritt gern in männlichen oder weiblichen Kleingruppen auf. Männliche Vertreter nerven andere Besucher gerne damit, dass sie alle 10 Minuten ein neues Bier holen gehen oder sich atemlos durch langweilige Balladen gröhlen. Weibliche Gelegenheitsfangruppen sind gerne an stereotypischen Bemerkungen wie „was will die nur mit dem Silbereisen“ oder „die macht halt schon ne geile Show“ zu erkennen.

Der Gelegenheitsfan ist aus Marketing Sicht kompliziert. Er ist per Definition flüchtig, deswegen ist es wichtig das Marketing-Konzept so zu gestalten, dass kontinuierlich genug neue Gelegenheitsfans nachproduziert werden.

Fantypus 5: Fischis

Fischis nennen sich selber so. Fischis tragen Shirts mit der Aufschrift „Egal wie Fisch Du bist, Helene ist Fischer“ (ohne Witz). Fischis finden Helene ist einfach perfekt, die perfekte Mama (das mit den Silberfischen wird ja wohl irgendwann noch kommen), die perfekte Schwester, der perfekte Lieblingsmensch, das perfekte Paar (das nur in Kombination mit Florian), die Schönste, die Tollste, die Hübscheste, alles was sie tut ist prinzipiell sooooo süß, dass man sofort sterben gehen muss. Das alles äußern Fischis auf Instagram, in What’s App Gruppen und in sonstigen Social Media. Wären Fischis 20 Jahre früher geboren, wären sie Kelly Family Fans (hatten die eigentlich auch nen Namen?).

Fischis schreiben gerne Fan-Fiction, mehr möchte man darüber aber nicht wissen (es gibt auch „alternative Fischis“, die nicht auf Helene & Florian stehen, die schreiben dann einfach Fan-Fiction über Helene und jemand anderen).

Fischis sind die einzige Fangruppierung, die es heutzutage noch schafft regelmäßig Selfies mit Helene zu bekommen, da sie hartnäckig genug sind, um auch mal bis 5 Uhr morgens neben einem Hintereingang rumzustehen. Auf den geposteten Fotos lässt sich dann oft verwundert feststellen, dass Fischis gar nicht wie 12,13 oder 14 aussehen, sondern wie 25 (das liegt aber daran, dass den minderjährigen Fischis von Erziehungsberechtigten regelmäßig nicht erlaubt wird Helene nachzureisen, worüber sie dann auch ihren Unmut in sozialen Netzwerken äußern).

Fischis sind aus Marketing-Sicht wichtig, weil sie kostenloses Social Media Marketing betreiben, in dem sie alles begeistert weiter verteilen, was auf Instagram woher auch immer so auftaucht. Außerdem sind sie die Nr.1 Fangruppierung, die nur wegen Helene auch Sachen von Florian Silbereisen kauft, vor allem Tickets für seine Sendung. Die finanzielle Bedeutung hingegen ist schwankend und hängt vom Alter ab oder vom Geldbeutel der Eltern. Fischis sind aus Marketing Sicht nicht soo kompliziert, ein bis zwei Häppchen im Jahr (wie ein „Vom Winde verweht“ artiger Kuss bei Florian Silbereisen), durchschnittlich eins im Sommer, eins im Winter, plus zusätzlich wenn man grade was zu promoten hat reichen aus, um Fischis für Wochen in Ekstase zu versetzen.

 

 

 

Allgemein, Bücher

(Verspätete) Bücher-Highlights aus 2015

Bevor 2016 zu weit voranschreitet, möchte ich noch ein paar persönliche Buch-Highlights aus der 2. Hälfte von 2015 vorstellen, also Bücher, die ich überdurchschnittlich gut fand oder die ich aus einem anderen Grund besonders erwähnenswert finde.

1. Katharina Hartwell:  „Der Dieb in der Nacht“ – Genre: Belletristik

„Der Dieb in der Nacht“ ist der zweite Roman der Autorin Katharina Hartwell. Ihr Erstlingswerk „Das Fremde Meer“ hat mir auch schon sehr gut gefallen, vor allem die poetische und wunderschöne Sprache und die spannende Grundidee hatten mir es da wirklich angetan. Allerdings gab es in dem Erstlings-Roman im Mittelteil für mich doch ein paar Längen, so dass mich der Roman nicht komplett vom Hocker gerissen hat. „Der Dieb in der Nacht“ kommt jetzt im Vergleich etwas kompakter und gradliniger und weniger mystisch herbei.

Im Fokus der Geschichte steht das Verschwinden des 19-jährigen Felix. Er verschwand vor einigen Jahren plötzlich spurlos, ein Ereignis, dass das Leben seiner Familie und seines besten Freundes Pauls nachhaltig beeinflusst und geprägt hat. Das Buch beginnt mit Paul, der in Prag plötzlich unerwartet einen mysteriösen Mann, Ira Blixen, trifft, der ihn an seinen Jugendfreund Felix erinnert, obwohl er ihm eigentlich gar nicht ähnlich sieht. Als sich herausstellt, dass Blixen auch noch nach einem Gedächtnisverlust keine Erinnerung an sein früheres Leben hat, ist Felix nach kurzer Zeit völlig überzeugt, Felix vor sich zu haben. Er lädt Blixen in sein Leben und nach Deutschland ein, eine Entscheidung die weitreichende Folgen für alle Beteiligten haben wird.

Das ganze Setting des Buches ist sehr düster und mysteriös, die Sprache ist einfach unheimlich schön und poetisch und dabei manchmal unheimlich treffend und zum Denken anregend, so dass man eigentlich ständig das Bedürfnis hat, irgendwelche Textzeilen zu unterstreichen. Aber auch die Story an sich hat mich wirklich überzeugt, im Mittelpunkt stehen Paul und Felix‘ Schwester Louise, später auch Felix‘ Mutter Agnes. Das ganze Buch ist ein psychologisches Verwirrspiel um Blixen und um die Reaktionen der Personen auf ihn und um ihre Beziehungen untereinander. Dabei handelt es sich nicht um „leichte“ Lektüre, man muss sich schon konzentrieren und nachdenken, die Belohnung ist ein sehr komplexes, kreatives und für mich trotz der düsteren Grundstimmung sehr schönes Buch.
Ich könnte mir trotzdem vorstellen, dass es nicht jedermans Geschmack trifft, aber von mir persönlich eine eindeutige Leseempfehlung.

2. Gillian Flynn – „Cry Baby“ – Genre: Thriller/Krimi

Thriller und Krimis lese ich ja inzwischen nicht mehr ganz so viel wie früher, da diese doch zu oft nach dem gleichen 08/15 Schema geschrieben sind. Über Ausnahmen zu der Regel freue ich mich aber immer.

Gillian Flynn’s Schreibstil hat mir schon in „Gone Girl“ sehr gut gefallen. Dem Klappentext zufolge handelt es sich bei „Cry Baby“ um ein früheres Werk, das erst jetzt veröffentlicht wurde. Das birgt ja oft die Gefahr, dass es sich dabei um ein eher schwaches Erstlingswerk handelt, das nachträglich veröffentlicht wird, um auf der Erfolgswelle mit zu schwimmen. Aber „Cry Baby“ muss sich meiner Meinung nach hinter den anderen Büchern der Autorin keineswegs verstecken.

Hauptfigur der Geschichte ist die Journalistin Camille aus Chicago, die von ihrem Chef zurück in ihre Heimatstadt (eine Kleinstadt in Missouri) geschickt wird, um eine Story über 2 dort verschwundene und ermordete kleine Mädchen zu schreiben. Schnell wird klar, dass es sich bei Camille nicht um eine typische Heldin handelt, schleppt sie doch eine ganze Menge Probleme und Wunden aus der Vergangenheit mit sich herum. Und in ihrer Heimatstadt, zurück bei ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrer 13-jährigen Halbschwester fangen die Probleme erst so richtig an. Camille muss sich mit ihrer Mutter, ihrer Halbschwester, ihrer Vergangenheit und den aktuellen Morden auseinandersetzen…

Mir hat das Buch von Anfang an sehr gut gefallen, was es wirklich auszeichnet ist die bissige und ironische Art, die Gillian Flynn’s Schreibstil auszeichnet, sowie das (nicht sehr schmeichelhafte) Porträt, dass sie von den Charakteren und der Kultur dieser amerikanischen Kleinstadt im Mittleren Westen zeichnet. Was man sich von einem Buch von Gillian Flynn nicht gerade erhoffen sollte, sind liebenswerte sympathische Charaktere, irgendwelche „netten“ und halbwegs geistig gesunden Menschen waren in diesem Buch kaum aufzutreiben. Eventuell könnte man dem Buch vorwerfen die Charaktere und Geschehnisse etwas überzeichnet zu haben, aber es passt zu der Geschichte und hat mich kaum gestört. Ich fand die Handlung und das Verhalten der Personen im Buch aber durchaus teilweise ziemlich heftig und verstörend.

Als Thriller würde ich das Buch übrigens nicht unbedingt bezeichnen, den im Grunde ist die Geschichte recht vorhersehbar, die Spannung liegt in der Art und Weise wie sie aufgedeckt wird. Mir hat das Buch trotz ein paar kleiner Schwächen sehr gut gefallen.

3. Tanja Kinkel – „Schlaf der Vernunft“ – Genre: Belletristik/Geschichte

„Schlaf der Vernunft“ ist mein erstes Buch von Tanja Kinkel. Ich habe von dieser Autorin zwar schon oft gehört, da sie aber meistens historische Romane aus den länger vergangenen Jahrhunderten schreibt (was leider überhaupt nicht mein Genre ist), habe ich tatsächlich noch keines ihrer Bücher gelesen.

„Schlaf der Vernunft“ beschäftigt sich zwar auch mit der Vergangenheit, aber mit der jüngeren deutschen, konkret spielt der Roman auf 2 Zeitebenen, einmal in den 70’er Jahren und einmal 1998. Der Roman dreht sich dabei, um das Leben von Martina, einer fiktiven RAF-Terroristin, die bis 1998 im Gefängnis saß, weil sie an einem Attentat auf einen (ebenfalls fiktiven) Staatssekretär beteiligt war. Der Roman beginnt im Jahr 1998 mit Martina’s Begnadigung. Im Mittelpunkt der Geschichte steht nicht nur Martina allein, sondern auch ihre Tochter Angelika und eine ganze Menge anderer Personen, die durch Martina’s Taten der Vergangenheit beeinflusst wurden: ein ehemaliger Leibwächter, der das Attentat knapp überlebte, Angehörige der Opfer, eine ehemalige Freundin Martina’s, die es zur erfolgreichen Politikerin gebracht hat. Das Buch springt dabei in der Erzählung ständig zwischen den beiden Zeitebenen und den verschiedenen Personen hin und her, was aber hervorragend umgesetzt ist. Ein Großteil der Geschichte nimmt die schwierige Mutter-Tochter-Geschichte ein und schildert wie Angelika in ihrer Kindheit den verwirrenden „Verlust“ der Mutter, die sie verlassen hat, um in den Untergrund zu gehen, verkraftet hat und wie sie im Heute damit zurecht kommt, dass ihre Mutter aus dem Gefängnis entlassen wird.

Weiterhin wird auf beeindruckende Art und Weise aufgezeigt was die Entlassung von Martina auch Jahre später für Auswirkungen auf die Angehörigen ihrer Opfer hat.

Die Teile des Romans, die in den 70’er Jahren spielen erzählen vom Leben der jungen Martina, wie sie überhaupt erst in den Dunstkreis der RAF geriet und schildert ihre zunehmende Radikalisierung. Diesen Teil fand ich besonders lehrreich, da ich zu jung bin, um mich an diesen Teil der deutschen Geschichte selbst zu erinnern und definitiv auch zu wenig darüber weiß (ich habe mir vorgenommen jetzt wirklich unbedingt mal den „Baader-Meinhof-Komplex“ zu lesen, was ich mir schon seit Jahren vornehme).

Ein paar winzig kleine Schwächen hat der Roman sicherlich auch, ein paar der Dialoge (vor allem zwischen Angelika und Martina) wirken auf mich doch etwas zu konstruiert, aber das sind nur Kleinigkeiten. Insgesamt erhält der Roman von mir eine absolute Leseempfehlung, da er spannende Unterhaltung, mit lehrreichen, aufwändig recherchierten Informationen und einer sehr gelungenen Sprache kombiniert. Definiert eines meiner Lese-Highlights von 2015.

4. Andrea Volk – „Auf den Hengst gekommen“ – Genre: Krimi/Humor

Gut, dieses Buch ist nicht tatsächlich überdurchschnittlich gut, aber ich möchte es als Reiterin und Pferdefreundin hier trotzdem erwähnen, weil es generell sehr sehr wenige gute Bücher gibt, in denen Pferde eine zentrale Rolle spielen.
Normalerweise mag ich eher keine Bücher aus dem Genre „Humor“. Und schon gar keine, die auch noch mit einem „humorvollen“ Cover ausgestattet sind (der Grund dafür ist nicht, dass ich nicht gerne lustige Bücher lese, sondern dass bei Humor halt die Geschmäcker oft so stark auseinander gehen, dass es nie gesagt ist, ob das jeweilige Buch den eigenen Humor trifft oder völlig daneben liegt…) Deswegen hätte ich dieses Buch vermutlich übersehen, wenn ich es nicht zufällig durch  meine Mutter in die Hände bekommen hätte.

Oftmals sind Bücher oder Filme, die von Pferden handeln, ziemlich kitschig und auch unrealistisch und wenn man sich selbst mit Pferden auskennt, verdreht man ob der Geschehnisse oftmals die Augen. Dieses Buch wurde aber offenbar tatsächlich von einer Reiterin (mit Pensionsstallerfahrung) geschrieben, denn alles was dort im Bezug aufs Reiten und den Umgang mit, sowie die Haltung von Pferden zu lesen ist, ist doch sehr fundiert. Die Stärken des Buches liegen meiner Meinung nach eindeutig auf der Seite des Humors, der Schreibstil ist ironisch und kabarettistisch (entsprechend natürlich etwas überzogen, aber für meinen Geschmack gerade richtig, ich könnte mir aber vorstellen, dass der Stil nicht für jeden passt) und hat mich überzeugt und gut unterhalten. Die Geschehnisse auf dem Einstellbetrieb von Bauer Helmut (der eine grandiose und definitiv gar nicht mal so übertriebene Darstellung eines Stallbesitzer-Bauerns ist 😉 ) und die Darstellung der verschiedenen Einsteller sind teilweise wirklich zum Schießen komisch und geben die Realität eines durchschnittlich durchgeknallten Einstellbetriebs durchaus wirklichkeitsnah wieder.

Die Krimihandlung ist tatsächlich auch gar nicht so schlecht, aber für mich jetzt nicht der Hauptpunkt, der den Krimi lesenswert macht. Ergänzt wird das Ganze auch noch durch einige Gedanken zum Thema Tierschutz und artgerechte Handlung, die durchaus so gut in die Handlung integriert sind, dass es nicht bemüht wirkt.

Insgesamt ist das sicher nicht der beste Krimi aller Zeiten, aber sehr kurzweilig und lustig und für Reiter(innen) auf jeden Fall zu empfehlen.

5. Monika Fagerholm – „Das amerikanische Mädchen“ – Genre: Belletristik

„Das amerikanische Mädchen“ ist noch ein Roman auf den ich rein zufällig gestoßen bin, der Titel und das packende Cover haben es mir angetan als ich auf einem Buchportal nach gebrauchten Büchern stöberte.

Der Schreibstil und die Erzählweise des Romans sind sicherlich sehr außergewöhnlich. Der Schreibstil ist poetisch, für mich aber gleichzeitig sehr klar und präzise und außergewöhnlich schön. Die gesamte Geschichte wird im Grund zeitlich linear erzählt. Allerdings sind dementgegen die einzelnen Unterabschnitte nicht wirklich linear erzählt, meist wird man als Leser komplett ohne Kontext in eine Szene geworfen, deren Bedeutung und Handlung und Charaktere sich erst mit der Zeit aus der fortlaufenden Erzählung ergibt. Das macht das ganze Leseerlebnis zu einem Puzzle, das aber hervorragend aufgelöst ist, immer fallen alle Teile innerhalb kurzer Zeit auf ihren Platz und mir hat gerade das gefallen, denn auch die Charaktere erwachen so mit dem Text Schritt für Schritt zum Leben. Ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder Leser mit der Erzählweise zurecht kommt, was auch die recht unterschiedlich ausfallenden Bewertungen erklären dürfte (also ist dies kein Buch, dass ich generell weiterempfehlen würde, vor allem nicht, da es auch noch sehr dick ist). Für mich funktioniert das Buch aber perfekt, es entwickelt gerade durch die besondere Erzählweise einen richtigen Sog und ich fand es auch keineswegs schwierig der Handlung zu folgen. Es ist aber sicherlich kein Buch, das man nebenher so runterlesen kann, sondern es erfordert schon etwas Konzentration.

Zum Inhalt möchte ich gar nicht so viel sagen, da für mich in dem Buch ganz klar die Charaktere und ihre Interaktionen im Vordergrund stehen, in dem Buch geht es für mich um das Erwachsen werden, um Geheimnisse, um Liebe, um Beziehungen, um Verluste, um Familiengeheimnisse und darum wie gefährlich die Vermischung von Realität und Fantasie werden kann.

Für mich eine Ausnahmebuch und dadurch ganz klar eine 5 Sterne Bewertung.