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Buch-Tipp: „Kein Feuer kann brennen so heiß“ von Ingrid Noll

Ingrid Noll ist in Deutschland sicherlich am Bekanntesten für ihren Krimi „Die Apothekerin“, der durch hinterlistigen schwarzen Humor zu bestechen wusste. Auch andere Krimis von Ingrid Noll haben mich mit ihrem subtilen Humor immer wieder gut unterhalten, doch die letzten Jahre hatte ich wenig von ihr gehört.

„Kein Feuer kann brennen so heiß“ ist nun ihr neu erschienener Roman, in dem die Altenpflegerin Lorina die Hauptrolle spielt. Lori ist nicht besonders gutaussehend und leidet seit ihrer Kindheit unter ihrer Tollpatschigkeit und einem nicht besonders ausgeprägten Selbstbewusstsein. Ein Handicap das sicher auch dadurch bestärkt wurde, dass sie auch in ihrer Familie als der Tollpatsch galt, nicht zu vergleichen mit ihrer hübscheren und beliebteren Schwester Carola. Doch zumindest beruflich läuft es für Lorina gerade gut, denn sie hat eine Stelle im Haushalt einer betuchten älteren Dame ergattert, die nach einem Schlaganfall Hilfe braucht. Lorina darf bei ihr wohnen, hat relativ moderate Arbeitszeiten und im Haus auch noch Gesellschaft des etwas weibstollen Masseurs Boris und der Haushaltshilfe Nadine. Lorina fühlt sich mit Beruf, Arbeitgeberin und dem sozialen Umfeld sehr wohl, doch als der charakterlich etwas spezielle Boris in ihrem Bett landet, überschlagen sich die Ereignisse bald…

Das Buch ist in lockerem Tonfall geschrieben und die Charaktere wachsen einem schnell ans Herz. Trotzdem hat mich das Buch nicht zu 100% überzeugt, denn als Krimi überzeugt es nicht wirklich und auch sonst fehlt der ganzen Geschichte etwas die Handlung. Es plätschert trotz kreativer Ideen alles etwas gefällig vor sich hin, doch den Biss der alten Krimis von Ingrid Noll findet man darin nicht wirklich wieder. So bleibt es eher ein netter Unterhaltungsroman für zwischendurch, der mir aber trotzdem recht gut gefallen hat.

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Buch-Tipp: „Ich bin Virginia Woolf“ von Pola Polanski

„Ich bin Virginia Woolf“ von Pola Polanski hat mich aus zwei Gründen angesprochen, erstens finde ich Leben und Werk von Virginia Woolf schon immer faszinierend, zweitens erinnerte mich die Beschreibung des Romans etwas an den Klassiker „Ich habe Dir nie einen Rosengarten versprochen“ von Hannah Green, ebenfalls einer meines Lieblingsbücher. Die Assoziation passte auf jeden Fall, denn das Buch spielt sogar eine kleine Rolle in dem modernen sich ebenfalls mit Schizophrenie befassenden Roman von Pola Polanski. Die Hauptfigur des Romans ist Inka, die in Stuttgart vom Geld der Firma ihrer exzentrischen Eltern lebt (zugewiesen allerdings nur in monatlichen Brocken von 3000 Euro, die ihr ehrgeiziger und erfolgsorientierter Bruder ihr zukommen lässt) und ihre Tage recht ziellos in der alten Villa ihrer Familie verbringt. Die Eltern sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als die beiden Kinder noch jung waren und so richtig auf die Reihe gekriegt hat Inka ihr Leben bisher nicht.

Sie ist aber überzeugt davon, dass in ihr eine brillante wenn nicht gar geniale Schriftstellerin schlummert, lediglich verhindert wird diese durch Inkas Schreibblockade, die sich leider so intensiv darstellt, dass Inka noch nie wirklich mehr als ein paar Worte oder ein Gedicht geschrieben hat. Doch das soll sich ändern, denn Inka fühlt sich nicht nur seelenverwandt mit Virginia Woolf (deren Werke sie stets bei sich hat), sondern ist inzwischen sogar überzeugt, dass sie eine Reinkarnation von Virginia ist. Als sie nach einem weiteren missglückten Schriftsteller-Versuch auf die Idee kommt eine hypnotische Rückführungstherapie bei dem charismatischen Julian zu buchen, nimmt das Unheil seinen Lauf und Inka verliert sich immer mehr in ihrer Wahnvorstellungen…

Was nun ziemlich abgedreht und düster klingt, macht trotzdem einen sehr unterhaltsamen Roman aus. Inka ist nicht unbedingt eine super sympathische Hauptfigur aus, hat aber irgendwie trotzdem einen Charme und nimmt den Leser auf einen Trip in ihre Vorstellungen mit, der sowohl amüsant als auch erschreckend ist.

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Buch-Tipp: „Die Kinder hören Pink Floyd“ von Alexander Gorkow

„Die Kinder hören Pink Floyd“ ist ein autobiografischer Roman des Journalisten Alexander Gorkow, der unter anderem für die Süddeutsche Zeitung schreibt (und dort unter anderem auch auf Interviews und Porträts von Bands wie Pink Floyd spezialisiert ist). Der Roman spielt überwiegend in ein bis zwei Jahren der 1970er Jahre, als der junge Held der Geschichte in die Grundschule geht. Geprägt werden diese Jahre durch sein nicht besonders schlimmes aber doch hemmendes Stottern. Er lebt gemeinsam mit seinem Vater, einer Mutter und der 7 Jahre älteren Schwester in Düsseldorf. Die Schwester hat aufgrund von Contergan zwei Herzklappen, die nicht ganz dort gelandet sind wo sie hingehören. Laut den Ärzten müsste sie schon längst tot sein oder zumindest demnächst ganz sicherlich sterben, ist aber immerhin mindestens 16 Jahre alt geworden. Mit ihr zusammen hört der Junge begeistert Pink Floyd und lässt sich von seiner ausgesprochen meinungsstarken Schwester über den Kampf gegen das Establishment aufklären, mit Gruselgeschichten verunsichern und in die Musik von Pink Floyd einführen.

Die Geschichte wird in einer kreativen und außergewöhnlichen, aber ausgesprochen liebenswerten Sprache erzählt, die Hauptperson tritt meist nur als „Der Junge“ in Erscheinung und schildert seinen Blick auf die Welt mit viel trockener Beobachtungsgabe. Im Mittelpunkt steht hierbei die Schule, die mehr oder weniger normalen und unnormalen Kinder dieser Zeit, Nachbarn, Verwandten und sonstigen Bewohner, skurrile Kinoerlebnisse und Monster aller Art (besonders zu erwähnen hierbei: Heino), Alt-Nazis, explodierende Küchengeräte und natürlich wie schon aus dem Titel ersichtlich, die Band-Mitglieder und die Musik von Pink Floyd.

Andere Rezensionen die ich gelesen habe bescheinigten dem Buch einen „melancholischen“ Ton, den ich allerdings nicht wirklich bestätigen würde, für mich überwiegend in dem Buch doch deutlich der leise Humor und der sehr liebevolle Blick auf alle Familienmitglieder und Charaktere, unabhängig von deren Schrullen und Ecken und Kanten. So habe ich das Buch mit sehr viel Vergnügen innerhalb von 2 Tagen verschlungen, dabei sogar etwas Pink Floyd gehört und eines meiner ersten Lese-Highlights für 2021 gefunden. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass der Autor noch ein zweites Buch über seine Familie geschrieben hat („Hotel Laguna“, über die familiären Urlaubsreisen nach Mallorca in den 70ern), das ich deswegen auch definitiv noch lesen möchte.

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Buch-Tipp: „Wut“ von Harald Martenstein

„Wut“ von Harald Martenstein ist ein Buch über eine komplizierte und belastete Mutter-Sohn Beziehung. Im Mittelpunkt steht Frank, der als Kind von seiner Mutter Maria regelmäßig geschlagen und gedemütigt wurde, denn Maria neigt schon seit ihrer schwierigen Kindheit zu Wutanfällen mit denen sie Dampf ablässt. Äußerte sich diese Wut in ihrer Jugend meist noch durch verbale Ausfälle und Beschimpfungen, so wird der kleine Frank leider zu einem unglücklichen Ventil für die Frustrationen seiner Mutter.

So traurig und deprimierend wie das Thema klingt, darf und braucht man sich das Buch aber nicht vorstellen, denn trotz der Thematik wird die Lebensgeschichte von Frank und Maria mit viel Humor und Kreativität erzählt und wagt sich außerdem auf das ungewöhnliche Eis, die Geschichte nicht völlig einseitig aus der Sicht von Frank als Opfer zu erzählen, auch Marias Hintergrund, Kindheit und Jugend wird näher beleuchtet.

Die Erzählweise ist dabei nicht linear chronologisch, sondern der Ich-Erzähler Frank schildert in völlig unterschiedlichen Episoden aus seinem Leben die Auswirkungen die seine Kindheit auf seine Entwicklung und seine Beziehungen hatte, wie er versucht seiner Mutter zu verzeihen und zu verhindern, dass seine eigene Wut das Zepter übernimmt. Marias Geschichte wird in der 3. Person erzählt und der Leser erfährt warum sie so viel Frust mit sich herumträgt.

Das Buch liest sich sehr unterhaltsam und auch trotz des schweren Themas irgendwie „leicht“. Gegen Ende gibt es einen zunächst etwas gewöhnungsbedürftige stilistischen Kunstgriff, der mich am Anfang etwas irritierte, im Nachhinein aber durchaus gelungen ist. Insgesamt ist das Buch kreativ, charmant, berührend und wirklich außergewöhnlich und somit ein klarer Lesetipp.