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Regionalkrimi mit ein paar Schwächen: „Ostseefeuer“

„Ostseefeuer“ von Eva Almstädt ist schon der 10. Band der Krimireihe rund um die Kriminalkommissarin Pia Korritki und ihr Team.
Ich glaube ich habe schon einige Bücher aus der Reihe gelesen und diese haben prinzipiell alles was ein typischer Regionalkrimi so braucht, eine typische Deutsche Region (besonders beliebt Bayern und eben die Nord- oder Ostsee), ein mehr oder weniger markantes Ermittlerteam mit ein bisschen Privatleben und einen Kriminalfall, der gut ins entsprechende Regionalkrimimilieu passt. Ein Problem des Genres ist inzwischen sicher, dass der Markt ganz schön  überladen ist und sich die Bücher alle mehr oder weniger ähneln.
Ist der Krimi wirklich gut und unterhaltsam ist das für mich aber kein Problem, leider hat mich „Ostseefeuer“ aber nicht zu 100% überzeugt. Dabei fängt die Geschichte vielversprechend an: der Pfarrer eines kleinen Dorfes an der Ostsee wird in der Sakristei erschlagen aufgefunden und keiner der Dorfbewohner kann sich erklären was passiert ist. Der Pfarrer, der etwas frischen Wind in die Gemeinde bringen wollte hatte zwar hier und da kleinere Konflikte mit den Gemeindemitgliedern ausgefochten (z.B. darüber was wichtiger ist: Jugendarbeit oder die Renovation der alten Kirche), aber keiner davon scheint wichtig genug, um zu einem Mord zu führen.

Was mir an dem Buch gut gefallen hat, ist dass das Dorfleben und die unterschiedlichen Dorfbewohner gut und schlüssig dargestellt wird und dass es viele interessante und sympathische Charaktere gibt (unsympathische natürlich auch), die fast alle das eine oder andere Geheimnis mit sich rumtragen. Auch die Hauptermittlerin Pia ist eine interessante Person (auch wenn das Thema „wie schafft es eine Kommissarin gleichzeitig ihrem Kleinkind gerecht zu werden“ inzwischen auch Tatort-bedingt ein mehr als ausgelutschtes Dauerthema darstellt).
Gestört haben mich an dem Krimi allerdings zwei Dinge. Erstens ermitteln zwar alle Polizisten weitreichend in der Gegend rum und sprechen mit unzähligen Personen, diese haben aber gefühlt alle nur vage mit dem Opfer zu tun und ein richtiges Motiv tut sich bei keinem dieser vielen Menschen schlüssig auf, so dass alles etwas wahllos wirkt und so vor sich hin plätschert.
Zudem werden viele Handlungsstränge eröffnet, aber auch irgendwie nur lieblos wieder aufgelöst. Richtige Spannung kommt dadurch nicht auf. Weitaus störender war für mich allerdings, dass ich quasi beim ersten Auftauchen des Mörders/der Mörderin anhand der Beschreibung und einiger Nebensätze wusste, dass das der Mörder/die Mörderin sein würde, was hieß dass man die restlichen 95% Prozent des Buches nur noch auf die erwartete Auflösung wartete (selbst das Motiv ließ sich eigentlich gleich einigermaßen mit erraten). Ich denke für einigermaßen versierte Krimileser ist das Erraten des Mörders keine wirkliche Herausforderung.

Insgesamt ein gut lesbarer Regionalkrimi für zwischendurch und sicher ein guter Roman für Fans der Serie, die die Reihe eher wegen der persönlichen Entwicklung der Kommissarin lesen. Als Krimi hat mich das Buch aber nur bedingt überzeugt.

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Buchtipp: „Als die Kirche den Fluss überquerte“ von Didi Drobna

„Als die Kirche den Fluss überquerte“ von Didi Drobna ist nicht nur vom Titel her ein außergewöhnliches Buch.
Ich konnte mir anhand des Klappentextes relativ wenig vorstellen was mich erwartet und ging deswegen ganz unbedarft an das Buch heran.
Hauptperson des Buches ist der ca. 20jährige Daniel, der zusammen mit seiner ebenfalls erwachsenen Schwester Laura noch bei den Eltern lebt. Am Beginn des Buches macht die Familie zum letzten Mal einen traditionellen Familienurlaub, am letzten Tag des Urlaubs trennen sich die Eltern und der Vater zieht aus. Für Daniel ist das ein Schock. Das Buch dreht sich in Folge darum, wie Daniel und der Rest seiner Familie diesen Einschnitt verkraftet und wie die Familie und damit Daniels ganzes Selbstverständnis mit der Zeit immer mehr auseinanderbricht.
Zusätzlich zu den aktuellen Ereignissen erzählt das Buch in einigen Rückblenden von Daniels und Lauras Kindheit, die Daniel ziemlich verklärt und was sicher mit dazu führt, dass er auch als Erwachsener nicht in der Lage ist damit umzugehen, dass die (sowieso nur vermeintlich) „Heile Familienwelt“ der Vergangenheit nicht mehr existiert.

Ich fand das Buch einerseits sehr beeindruckend und habe es innerhalb von 2 Zugfahrten verschlungen, es war aber für mich trotzdem nicht immer leicht mich mit Daniel als Hauptperson anzufreunden, denn er ist nicht gerade ein übermäßig sympathischer Charakter. Er nimmt sich und seine Rolle in der Familie übertrieben ernst, hat ein etwas merkwürdiges Frauenbild und neigt zu Selbstmitleid. Außerdem hat er keinen Job, scheint keine Ausbildung zu machen und hängt anfangs quasi nur zuhause rum, so dass man desöfteren das Bedürfnis hat ihn zu schütteln und ihn dazu zu bringen sein Leben in die Hand zu nehmen. Das macht es (zusammen mit einer etwas
verstörenden Obsession) ziemlich schwierig ihn zu mögen und da das Buch in der Ich-Perspektive erzählt wird, ist das durchaus etwas irritierend wenn man die Geschehnisse quasi aus dem Blickwinkel eines Erzählers betrachtet, mit dem man sich gar nicht identifizieren kann.

Trotz meiner Probleme mit der Hauptfigur hat mir das Buch insgesamt aber trotzdem sehr gut gefallen, die Entwicklung der Familie wird einfühlsam, dramatisch
und trotzdem humorvoll geschildert und mit der Zeit lernt man an Daniel auch seine positive Seiten kennen, so dass die eher traurigen Geschehnisse am Ende des Buches auch tatsächlich berühren können. Für mich eines der Bücher, die 2018 am Meisten aus dem „Mainstream“ herausgestochen sind. Übrigens hatte ich anhand des Autorennamens die ganze Zeit einen älteren männlichen Autor vor Augen und war beim Googeln recht überrascht, dass Didi Drobna eine noch recht junge weibliche Autorin ist 😉

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Jugend-Thriller: „Schattenkuss“ von Inge Löhnig

Nachdem ich zuletzt einige umfangreichere Bücher gelesen habe, war mir mal wieder nach etwas leichterer Lektüre in Form eines Krimis oder Thrillers. „Schattenkuss“ von Inge Löhnig habe ich in einer Büchertauschecke zufällig gefunden, zunächst war ich etwas skeptisch, den der Titel und auch das Cover verbreiteten doch ein bisschen potentiellen Kitsch- oder Mystery-Alarm. Allerdings war die Sorge unbegründet, denn das Buch fand ich dann wirklich unterhaltsam und gut geschrieben.

Die Sommerferien haben für die 16-jährige Lena gerade erst begonnen, da bekommt die Familie eine schlimme Nachricht: Lena’s Großmutter mütterlicherseits ist verstorben. Lena weiß nicht so richtig was sie mit der Nachricht anfangen kann, denn sie hatte kaum Kontakt zu der Großmutter, mit der sich ihre Mutter zerstritten hatte. Trotzdem begleitet sie ihre Mutter zur Haushaltsauflösung in den Heimatort der Oma nach Bayern. Auf der Fahrt dorthin erfährt sie noch eine unglaubliche Nachricht, ihre Mutter hat eine Schwester, von der sie Lena noch nie erzählt hatte und die im Alter von ca. 18 Jahren spurlos verschwand und seitdem angeblich in Spanien lebt. Außer ein paar Postkarten gab es von ihr aber keine Lebenszeichen und auch ein Privatdetektiv konnte sie nicht aufspüren.
Als Lena auch noch entdeckt, dass die verschollene Tante Ulrike ihr ziemlich ähnlich sah, wirft sie sich in deren alte Klamotten und versucht herauszufinden was damals als Ulrike verschwand eigentlich passiert ist. Aber die meisten Verwandten und Dorfbewohner blocken ziemlich ab, auch Lenas Mutter…

Der Schreibstil des Buches ist einfach, aber trotzdem flüssig und gut lesbar und mir hat gut gefallen, dass das Buch in einem ganz normalen Dorf in Bayern spielt (normalerweise spielen solche Bücher ja gerne in irgendwelchen düsteren mysteriösen Dörfern…das einzig klischeehafte am Setting ist eine alte verfallene Villa) und dass das Buch eine gelungene Mischung zwischen (nicht allzu nervenaufreibender) Krimi-/Thrillerhandlung und ganz normaler Teenie – und Familiensorgen ist. Blutrünstig ist das Ganze nicht, da es sich bei dem Buch auch um einen Thriller für Jugendliche handelt. Lena ist eine ganz sympathische Hauptperson, auch wenn sie eine merkwürdige Mischung zwischen einerseits schon recht erwachsen und andererseits in manchen Belangen extrem unvernünftig/naiv ist (für eine 16-jährige allerdings wiederum vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich). Natürlich kommt das Buch nicht ganz ohne Klischees aus (dass der Nachbars-Sohn aussehen musste wie Robert Pattison in Twilight wär vielleicht nicht unbedingt nötig gewesen 😉 ) und auch die Auflösung ist für geübte Krimileser nicht allzu schwer vorauszusehen, aber das Buch unterhält sehr gut und ist für mich für Zwischendurch wirklich eine nette Lektüre gewesen.

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Buchtipp: „Mit mir an meiner Seite“ von Lily Bailey

„Mit mir an meiner Seite“ ist ein autobiographischer Roman der britischen Autorin Lily Bailey. In dem Buch erzählt die junge Autorin von ihrem Leben mit OCD (Obsessive Compulsive Disorder, in Deutschland glaube ich unter dem Begriff Zwangsstörung bekannt), eine Krankheit an der sie schon als kleines Kind erkrankte, die aber erst im Teenageralter diagnostiziert wurde. Laut Interviews hat die Autorin (die auch als Model arbeitet) sich entschlossen ein Buch über ihr Leben zu schreiben, da sie sich oft darüber ärgert wie wenig die Menschen wirklich über diese Krankheit wissen.
Die meisten Menschen assoziieren mit einer Zwangsstörung vermutlich Menschen, die sich 100x am Tag die Hände waschen oder ständig kontrollieren ob der Herd aus ist oder denken an Fernsehserien wie „Monk“ (was sicherlich ein eher verharmlosendes Bild ergibt, da die Krankheit in der Serie primär der Unterhaltung dient).

Bei Lily Bailey manifestierte sich die Krankheit im Kindesalter zunächst in Form einer imaginären Freundin, die ihr Anweisungen gibt oder ihr Vorwürfe macht.
Lily hat ständig Angst ein schlechter Mensch zu sein, etwas falsch zu machen oder etwas zu tun, dass andere Leute an ihr abstoßend finden könnten. Als Teenager bekommt sie im Rahmen einer Scherz-Preisverleihung ihrer Jahresstufe sogar einmal einen Preis als „das Mädchen, dass sich am Häufigsten entschuldigt“.
Ihre Gedanken kreisen ständig um imaginäre Fehltritte und mit der Zeit fängt sie an Listen in ihrem Kopf zu erstellen, in denen sie kategorisiert ablegt was sie am jeweiligen Tag alles falsch gemacht hat, um alle Einträge dann später im Kopf zu analysieren und zu bewerten. Trotzdem versucht Lily im Schul- und später im Studienalltag nicht aufzufallen und schafft es teilweise sogar ziemlich beeindruckend ihre Krankheit zu verbergen, doch irgendwann kann sie einfach nicht mehr.

Das erste Drittel des Buches ist sprachlich etwas außergewöhnlich, denn Lily erzählt von ihrer Kinderzeit immer in der „Wir“-Form, da ihre imaginäre Freundin und sie völlig miteinander verwachsen sind.
Als Lily als Teenager das erste Mal Hilfe in Form einer Therapie bekommt (was später andere Probleme aufwirft), verschwindet ihre imaginäre Freundin schließlich aus ihrem Leben und ihrem Kopf, nicht so aber ihre Zwangsgedanken – und handlungen.
Diese wieder loszuwerden bleibt wohl eine Lebensaufgabe.
Im zweiten Teil des Buches erzählt Lily dann aus der Ich-Perspektive wie sie versucht ihre Krankheit in den Griff zu bekommen und trotzdem ein einigermaßen normales Leben aufzubauen.

Das Buch ist wirklich sehr unterhaltsam, berührend und auch vom Stil wirklich super geschrieben und auch trotz des  ernsten Themas durchaus nicht ohne Humor. Die „Wir“- bzw. „Ich“ Form kreiert dazu eine Nähe zu der Erzählerin, die einen wirklich miterleben lässt wie die zwanghaften Gedanken und Handlungen ihren Alltag bestimmen. Mir hat das Buch deswegen wirklich sehr gut gefallen und ich kann es jedem weiterempfehlen, der gerne autobiographische Bücher liest.

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Buch-Rezension: „Anna“ von Niccolò Ammaniti

Bei „Anna“ von Niccolò Ammaniti handelt es sich um ein weiteres Exemplar des sehr beliebten Themas „Dystopie“ (warum die Menschen so gerne Bücher über die eine oder andere Form des Weltuntergangs schreiben und lesen ist sicher eine psychologisch hochinteressante Frage 😀 ).
In diesem Genre hervorzustechen gelingt sicher gar nicht so einfach, der Roman „Anna“ wurde in einem Artikel den ich gerade las sogar mit Cormac McCarthys „Die Straße“ verglichen (den ich tatsächlich auch gelesen habe). Ob der Vergleich angemessen ist, mag ich nicht zu sagen, beide Bücher sind auf jeden Fall außergewöhnlich, der Stil von McCarthy aber spröder und weniger verspielt.

Die Handlung von „Anna“ spielt auf Sizilien, 4 Jahre nachdem auf der ganzen Welt eine Epidemie einer sogannten „roten Seuche“ ausgebrochen ist an der alle Menschen innerhalb von wenigen Monaten starben. Ausbrechen tut die Krankheit aber erst bei Menschen, die die Pubertät erreicht haben, Kinder bleiben bis zu einem Alter von ca. 14 Jahren gesund…dementsprechend ist 4 Jahre nach erstmaligem Ausbruch von der Welt wie wir sie kennen nicht mehr viel übrig, es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser mehr, alles ist verfallen und geplündert, …aber ausgestorben ist die Welt noch nicht, denn es leben noch Kinder und Tiere, mehr schlecht als recht. In dieser feindlichen Welt lebt auch Anna (ca. 12 oder 13 Jahre alt), zusammen mit ihrem kleinen Bruder Astor, der erst 6 Jahre alt ist. Bevor sie starb hat ihre Mutter ihre ein Buch mit Anweisungen zum Überleben geschrieben, an das Anna sich bisher so gut es geht gehalten hat. Die beiden Kinder leben immer noch im ehemaligen Haus der Mutter. Anna geht tagsüber auf Streifzüge um irgendetwas Essbares aufzutreiben. Ihren Bruder hält sie mit Horrorgeschichten über die Außenwelt dazu an, im Haus zu bleiben. Doch es wird immer schwieriger zu überleben, denn der Kampf um Ressourcen wird immer knapper…

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, obwohl es naturgemäß sehr düster ist und nichts für schwache Nerven. Was es von anderen Dystopien unterscheidet ist, dass die Beschreibungen der Ereignisse und der Welt für mich deutlich realistischer wirken als in vielen anderen Büchern, in denen nach einer Katastrophe die Welt oft eine Art Fantasy-mäßige Unwirklichkeit annimmt, in der gar nichts mehr von der vorherigen Welt übrig bleibt…das ist bei „Anna“ nicht so, erstens wird die Geschichte teils in Rückblenden erzählt, so dass man auch Einiges über die Geschehnisse vor Ausbruch der Seuche erfährt, außerdem erinnern auch später noch einzelne Dinge und Alltagsgegenstände an früher, denn so lange ist der Ausbruch der Seuche ja noch gar nicht her. Das macht das Buch für mich irgendwie realistischer, deswegen aber teilweise auch Verstörender. Es ist auf jeden Fall ein besonderes Leseerlebnis, wegen der hoffnungslosen Ausgangssituation aber natürlich auch nicht grade ein Buch das man lesen sollte, wenn man aufmunternde Unterhaltung haben möchte (dann würde man sich das Buch aber wohl schon nach dem Klappentext natürlich nicht raussuchen). Mich hat das Buch überzeugt und es ist definitiv ein Buch, das auch im Genre Dystopie aus der Masse definitiv heraussticht.

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Buchtipp: „Familiensilber“ von Sabine Friedrich

In „Familiensilber“ dreht sich auf den ersten Blick alles um die geplante Familienfeier zur Silbernen Hochzeit von Barbara und Gernot, einem Ehepaar das in der bayerischen Kleinstadt Neuenburg lebt. Der Roman spielt innerhalb von nur wenigen Tagen, er beginnt kurz vor der Familienfeier und endet am Tag danach. Barbara hat eine weitverzweigte Familie, die viele gemeinsame Erinnerungen verbindet, Gernot hingegen hat nur noch wenige Verwandte mit denen er zudem zerstritten ist. Ein Traumpaar sind Barbara und Gernot keineswegs, so dass deren Tochter Sarah schon im Vorfeld der Familienfeier an ihrer jahrelang kultivierten Rolle als „Diplomatin“ fast verzweifelt. Mehr oder wenig verzweifelt sind auch noch andere Mitglieder der Großfamilie und in den Kapiteln die zur Familienfeier hinleiten, lernen wir fast alle in episodenhaften Ausschnitten näher kennen.

So sind dort z.B. auch Marianne und Walter, zwei der wenigen Verwandten von Gernot, die auf Marbella in einer abgeschiedenen Luxus-Enklave leben und mehr oder wenig erfolgreich versuchen nichts von der (das schöne Leben doch empfindlich störenden) Flüchtlingskrise an den Küsten Afrikas und Spaniens mitzubekommen. Oder Marie, Barbaras Mutter, die immer noch versucht sich an ihre neue Rolle als Witwe zu gewöhnen. Eine Schwierigkeit des Buches ist sicher die Fülle an Charaktere, die beschrieben werden, da ist es nicht ganz einfach den Überblick zu behalten, wozu es aber am Ende des Buches einen ausführlichen Stammbaum gibt (den man auch gerne in Anspruch nimmt). Mir hat die sprunghafte Erzählweise aber wirklich gut gefallen.
Wer es gerne klar strukturiert, mit einem klaren Anfang und Ende mag, für den ist das Buch vielleicht nicht das Richtige, denn im Prinzip bietet es einen kurzen Einblick in eine weitverzweigte Großfamilie, deren Hoffnungen, Wünsche, Frustrationen, Alltagsprobleme und die Verarbeitung der Vergangenheit als Deutsche Kriegsflüchtlinge. Der Schreibstil ist oft ironisch, zynisch und auch etwas böse, was vielleicht auch nicht jedem liegt, mir aber ganz hervorragend gefallen hat.

Wenn man das Buch liest merkt man auch, dass sich die Gesellschaft und die beherrschenden Themen seit 2005 augenscheinlich null weiterentwickelt haben (was etwas deprimierend ist), denn die beherrschenden gesellschaftspolitischen Themen des Buches sind die Flüchtlingskrise, Migration an sich, Lobbyismus, Globalisierungsfragen und Co…wäre mir nicht beim Blättern aufgefallen, dass da als Erscheinungsdatum 2005 steht, hätte ich das Buch als aktuellen Kommentar zur Lage der Nation verstanden. Ergo für mich ein hochaktuelles Buch, das heute genauso lesenswert ist wie vor 13 Jahren.

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Krimi-Jubiläum: „“Am Abgrund lässt man gern den Vortritt“ von Jörg Maurer

Diese Jahr feierten gleich zwei bayerische Regionalkrimis ihr „10-jähriges“, das heißt der jeweils 10. Band der Krimireihe erschien: einmal die beliebte „Kluftinger“ Reihe und zweitens die Reihe von Jörg Maurer rund um Kommissar Jennerwein.

Aus diesem Grund entschieden sich die Autoren wohl ihre Jubiläumsbände lose miteinander zu verbinden, so dass Kluftinger im neuesten Jörg Maurer Krimi einen kurzen Gastauftritt hatte und genauso auch andersrum. Lustigerweise erzählen beide Romane dann jeweils die gleichen Szenen, bloß aus Sicht des jeweiligen Kommissars. Da ich den Kluftinger zuerst gelesen habe, muss ich sagen, dass ich die Sache da etwas besser umgesetzt fand. Ob das Ganze überhaupt nötig war, ist die andere Frage, mich hat es jetzt nicht gestört, aber eine inhaltliche Bereicherung für die beiden Bücher war es auch nicht wirklich.
Davon einmal abgesehen fand ich beide Jubiläums-Krimis weitgehend gelungen. In „Am Abgrund lässt man gern den Vortritt“ will Kommissar Jennerwein eigentlich grad sein Sabbatical-Jahr beginnen und ist auf dem Weg in den Urlaub nach Schweden. Doch schon auf der Zugreise gen Norden erreicht ihn ein Anruf von Ursel Grasegger (Fans der Serie werden das Bestatterehepaar Grasegger auf jeden Fall kennen, denn die beiden spielten ja schon in mehreren Jennerwein Krimis eine wichtige Rolle 😉 ). Ihr Mann Ignaz ist verschwunden und sie hat eine Drohung erhalten, dir klar macht, dass Ignaz wohl entführt wurde. Und das gerade als die beiden nach ihrer Verurteilung wegen krimineller Machenschaften zurück in ein mehr oder weniger bürgerliches Leben finden wollten.
Jennerwein bricht also seinen Urlaub ab und macht sich inoffiziell ermittelnd zusammen mit Ursel auf die Suche nach Ignaz Grasegger.
Die Idee die Graseggers ziemlich in den Mittelpunkt der Serie zu stellen hat mir ganz gut gefallen, denn die beiden sind auf jeden Fall unterhaltsame und spezielle Charaktere. Auch die Ermittlungen von Ursel und Jennerwein haben mir gut gefallen. Trotzdem bleibt der Kriminalfall durchgehend etwas wirr (und auch etwas an den Haaren herbei gezogen). So bleibt für mich insgesamt ein wie immer humorvolles und unterhaltsames Buch, das aber für mich nicht ganz zu den besten Jennerwein Krimis zählt, sondern sich eher im Mittelfeld bewegt.