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Krimitipp: „Schattenkind“ von Anne Holt

Die Handlung von „Schattenkind“ von Anne Holt beginnt in Norwegen an einem schicksalhaften Tag, nämlich am Tag an dem Anders Breivik den Terroranschlag in Oslo und das Massaker auf Utoya begeht. Die Tragödie auf die die Kriminalpsychologin Johanne Vik an diesem Tag trifft, hat aber gar nichts mit den schrecklichen Geschehnissen zu tun.
Sie wollte eigentlich nur auf die Geburtstagsfeier des 8-jährigen Sohnes ihrer alten Schulfreundin Ellen. Doch zu ihrem Schock findet sie dort stattdessen traumatisierte Eltern und ein totes Kind vor, angeblich fiel der Junge Sander von einer Trittleiter, als er versuchte die Decke im Wohnzimmer zu bemalen. Sander galt als schwieriges und lebhaftes Kind und hatte eine ADHS Diagnose, so dass die Eltern als Grund für den Unfall seinen unbändigen Bewegungsdrang anbringen.

Da quasi alle Krankenwägen und Polizisten mit dem Terroranschlag in Oslo beschäftigt sind, dauert es lange bis überhaupt ein Polizist am Ort des Geschehens auftaucht und zwar der noch sehr unsichere und unerfahrene Jungpolizist Henrik Holme.
Der macht zwar so einige Fehler und fühlt sich anfangs mit dem Fall überfordert, aber er kann sich Eindrucks nicht erwehren, dass in dem Fall etwas nicht stimmt und nimmt relativ schnell Sanders Vater Jon ins Visier. Ellen bittet verzweifelt Johanne um Hilfe, die sich aber nicht wirklich in den Fall hinein ziehen lassen möchte. Natürlich klappt das nicht wirklich und so graben Johanne und Henrik Holme unabhängig voneinander immer tiefer im Familienleben von Ellen, Jon und Sander.

Mir hat der Krimi wirklich hervorragend gefallen, Anne Holt ist sowieso immer ein Garant für hochwertige psychologische Krimis (ich kann mich nicht erinnern von ihr schon mal etwas gelesen zu haben, das ich nicht gelungen fand). Es handelt sich also nicht um einen Spannungsroman, sondern um eine intelligente Aufdeckung einer Familientragödie, die noch dazu mit einem wirklich ungewöhnlichen Ende aufwartet (das wiederum vermutlich nicht jedem gefallen dürfte). Das Verhältnis zwischen Krimihandlung und Privatleben der Ermittlerin fand ich auch gelungen. Etwas skeptisch war ich bezüglich der Vermengung der Geschichte mit dem Anschlag von Anders Breivik, diese diente aber mehr oder weniger nur als Hintergrund dafür, dass Hendrik Holme als Ermittler in Erscheinung treten konnte und macht insofern schon Sinn, da es sonst wenig glaubwürdig gewesen wäre, dass Hendrik Holme so eine tragende Rolle in den Ermittlungen spielt.

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Buchrezension: „Sleeping Beauties“ von Stephen & Owen King

„Sleeping Beauties“ ist (meines Wissens) das erste Buch, das Stephen King zusammen mit seinem Sohn Owen King geschrieben hat. Wie auch für Stephen Kings Solo-Romane typisch hat es eine epische Länge von an die 900 Seiten, ist also nichts für Leute, die es gerne kurz und knackig mögen. Obwohl das Buch übersinnliche Elemente enthält, handelt es sich keineswegs um einen Horrorroman, ich würde es am Ehesten als Fantasy Roman zur „Me too“ Debatte beschreiben 😉 (obwohl es von 2 Männern geschrieben ist, ist Feminismus, Sexismus, Patriarchat und der fortwährende Konflikt zwischen Frauen und Männern wohl das prägende Thema des Buches…dass es von 2 Männern stammt mag man merkwürdig finden, ist aus meiner Sicht aber durchaus gelungen).

Die Handlung spielt in einer Kleinstadt namens Dooling in den Appalachian Mountains (eine Gegend, die in Büchern und Filmen im Moment immer den Eindruck erweckt, als gäbe es da fast nur arme Menschen die Crack kochen und rauchen…), aber die Geschehnisse betreffen die ganze Welt. Von einem Tag auf den anderen fallen plötzlich Frauen in einen Art Dornröschen-Schlaf, sobald sie einschlafen bildet sich um ihren Körper eine Art spinnwebenartiger Kokon und die Frauen wachen nicht mehr auf. Versucht man den Kokon zu entfernen, nimmt das in der Regel kein gutes Ende für denjenigen der es versucht. Gleichzeitig mit dieser bedrohlichen Krankheit taucht in der Kleinstadt Dooling eine mysteriöse Frau auf und tötet 2 Drogendealer auf brutale Art und Weise…hat sie etwas mit den Geschehnissen zu tun?

In den ersten Tagen der Seuche, die „Aurora“ genannt wird, versuchen die Frauen die noch nicht eingeschlafen sind mit allen Mitteln (primär Drogen) wach zu bleiben, während die Männer mehr und mehr die Kontrolle über die Situation verlieren. Die drauf resultierende Geschichte beschäftigt sich dann mit fast allen gesellschaftlichen Themen, die die USA im Moment bewegen, ganz vorne dabei, Seximus und Waffen und stellt die große Frage ob eine Welt in der es nur Männer oder nur Frauen gibt, wohl überhaupt existieren könnte, besser oder schlechter oder gar wünschenswert wäre?

Mir hat der Roman gut gefallen, wobei ich mir vorstellen kann, dass jemand der einen Horrorroman oder Thriller erwartet hat, wohl enttäuscht sein könnte, denn ein Spannungsroman ist das Buch keineswegs und manchen Lesern wird er wohl auch etwas zu langatmig sein. Im Vergleich zum Schreibstil von Stephen King (alleine) finde ich den Stil etwas klarer und nüchterner und etwas weniger „jovial“, was einerseits erfrischend ist wenn man schon unzählige Stephen King Romane gelesen hat, andererseits aber etwas weniger Nähe zu den Charaktere schafft wie Stephen King das alleine irgendwie immer gelingt. Insgesamt ein gelungener Roman zu den großen gesellschaftlichen Debatten dieses Jahres (was eine Leistung ist, da ich vermute, dass der Roman schon sehr viel länger in Entstehung ist).

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Lesetipp: „Familie und andere Trostpreise“

Die Hauptperson des Romans „Familie und andere Trostpreise“ von Martine McDonagh ist der gerade 21 gewordene aus Großbritannien stammende Sonny Anderson. Über Sonny weiß man am Anfang des Romans nur, dass er schon eine turbulente Kindheit hinter sich hat. Er lebt aktuell mit seinem Vormund Thomas in Kalifornien, hat so einige Neurosen und eine Drogen-Vergangenheit. An seinem 21. Geburtstag erfährt Sonny, dass ihm sein verstorbener Vater ein Vermögen vererbt hat…Grund für Sonny sich auf eine Reise in seine Vergangenheit zu machen und die Hintergründe seiner turbulenten Kindheit zu erforschen. Außerdem möchte er herausfinden was eigentlich aus seiner Mutter geworden ist. Sonnys Vater war eine Art halb-krimineller Sektenguru, ein narzisstischer Gründer einer esoretischen Bewegung und Sonny hat nur verschwommene Erinnerungen an seine Kindheit, die er teilweise in einer Kommune in Südamerika verbracht hat.

Seine Reise führt ihn zu allen möglichen Leuten, die früher Kontakt zu seinen Eltern hatten und ihn als Kind kannten…da Sonny auch noch ein glühender Fan der Horror-Komödie „Shaun of the Dead“ ist, versucht er seine Reise zusätzlich noch mit einem Besuch der wichtigsten Dreh-Orte des Films zu verbinden . Die Erzählweise des Buches ist dabei nicht unbedingt so wie man es bei so einem dramatischen Inhalt vermuten würde, denn Sonny erzählt in der Ich Perspektive in einem humorvoll flapsigen und ironischen Tonfall, außerdem ist er auf den ersten Blick nicht unbedingt der größte Menschenfreund, mit seinen Neurosen und seiner eher introvertierten Art. Mir hat diese Kombination aus Drama und Komödie (heißt im Film vermutlich Dramedy) wirklich gut gefallen, da es dem Buch eine Leichtigkeit gibt, die die Geschichte sonst vielleicht etwas zu düster gemacht hätte. Außerdem wächst einem Sonny im Laufe des Buches immer mehr ans Herz, ein gelungener etwas schwieriger Hauptcharakter mit Ecken und Kanten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die flapsige Tonfall nicht jedermanns Geschmack trifft.

Mir hat das Buch hervorragend gefallen, eine sehr gelungene Mischung aus Coming-Of-Age Story, Familiengeschichte und einem ernsthaften und erschreckenden Einblick in die Welt von Sekten. Auch die Rolle, die der Film „Shaun of the Dead“ in dem Buch gespielt hat, hat mir als Auflockerung gut gefallen und mich dran erinnert, dass ich den schon immer mal angucken wollte…

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Thriller für Jugendliche: „Mädchen, Mädchen, tot bist Du

Neulich habe ich für eine Zugreise eine „leichte“ Unterhaltung gesucht und da ich sehr gerne Bücher aus dem Bereich „Young Adult“ lese, habe ich mich in dem Bereich umgesehen. Da ich in letzter Zeit einige Coming of Age und Liebesgeschichten gelesen habe, hab ich mir diesmal ein ganz anderes (und nicht so weitverbreitetes) Genre ausgesucht: Thriller für ein jugendliches Publikum.
Generell lese ich nicht so besonders gerne Thriller und im Jugendbuchbereich habe ich eigentlich noch gar nichts aus diesem Genre ausprobiert. „Mädchen, Mädchen – Tot bist Du“ von Mel Wallis de Vries klang für mich aber ganz unterhaltsam, deswegen wollte ich der Sache mal eine Chance geben.
Die Autorin ist wohl in den Niederlanden führend in diesem Genre und sie hat auch schon einige Jugend-Thriller geschrieben, die alle eine ähnliche Titel- und Covergestaltung haben.

„Mädchen, Mädchen – Tot bist Du“ fängt damit an, dass ein junges Mädchen augenscheinlich Selbstmord begangen hat, indem sie sich aufgehängt hat…
in der Folge bekommen aber auch noch andere Mädchen anonyme Drohbriefe und schnell stellt sich heraus, dass hier wohl ein Serienkiller ein perfides Spiel mit den Mädchen treibt…Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht der Opfer erzählt, was ich ausgesprochen ungewöhnlich fand und was zuerst auch mal einen gewissen Schock-Effekt hatte.

Der Schreibstil ist locker und leicht zu lesen und bewegt sich abgesehen von der Thriller-Handlung im typischen Schulumfeld, wobei typische Probleme junger pubertierender Mädchen (Freundschaft, Jungs, Mobbing und Zickereien) im Vordergrund stehen. Nicht ganz überzeugend fand ich, dass sich die einzelnen
Charaktere doch alle sehr ähneln und man nicht immer wirklich das Gefühl hatte, eine Geschichte aus der Perspektive von unterschiedlichen jungen Mädchen erzählt zu bekommen. Da fehlt doch etwas Tiefe bei der Charakterentwicklung, die bei diesem Genre vielleicht aber auch etwas zu viel verlangt wäre (sind doch
auch im Erwachsenen-Metier Thriller doch eher selten für ihren Tiefgang in diesem Bereich bekannt).

Die Thriller Handlung fand ich auch gar nicht so unkomplex, die Geschichte ist in sich schlüssig und alle Fragen werden am Ende gut aufgelöst. Das hat mir wirklich gut gefallen. Von dem her hat mich das Buch als Urlaubslektüre gut unterhalten. Ich denke trotzdem, dass die Thriller von Mel Wallis de Vries sich vermutlich alle recht ähnlich sind und ich hätte jetzt aktuell nicht das Bedürfnis noch einen zu lesen, was aber auch daran liegt, dass ich generell nicht so gerne Thriller lese. Aber wenn man auf der Suche nach einem guten leicht lesbaren Buch aus dem Genre ist, das nicht zu reißerisch daher kommt und sich in einem typischen „Schüler-Umfeld“ bewegt, der ist mit dem Roman sicherlich sehr gut bedient.

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Young-Adult-Tipp: „Clean“ von Juno Dawson

Letzte Woche habe ich mir mit „Clean“ von Juno Dawson einen Young Adult Roman ausgesucht, der in einem etwas anderen Milieu spielt als die typischen „High School“ Geschichten, die man sonst oft liest und in denen normale Teenager „wie Du und ich“ die Hauptrolle spielen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht das 17-jährige IT-Girl Lexi Volkov aus London. Lexis Vater ist eine Art russischer Oligarch, der in Großbritannien mit einer eigenen Luxus-Hotelkette zu Ruhm und Reichtum gekommen ist.
Lexi und ihr Bruder Nikolai führen entsprechend ein ziemliches Luxusleben, sie leben meist in einem der Hotels ihres Vaters, gehen auf Parties und Rote Teppiche, umgeben sich mit anderen Sternchen und haben quasi alles das man sich vorstellen kann (der Gedanke an eine Art Britische Version der Hilton Schwestern drängt sich auf).

Trotzdem läuft im Leben von Lexi gerade nichts wirklich rund, denn am Anfang des Buches wird sie gerade von ihrem Bruder in einer Luxus-Entzugsklinik auf einer abgelegenen Insel im wahrsten Sinne des Wortes abgeladen, nachdem sie nach einer Party mit ihrem älteren Freund Kurt fast an einer Überdosis Heroin gestorben wäre. Lexi ist anfangs allerdings der Meinung keineswegs ein ernsthaftes Drogenproblem zu haben und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Einweisung…doch ihr Bruder bleibt hart.

Soweit die Prämisse des Buches. Die einzelnen Kapitel sind im Stil eines 12-Punkte-Programms für Abhängige aufgebaut und thematisieren als Kapitelüberschrift jeweils ein Ziel aus einem typischen 12-Punkte Programm. Die ersten Kapitel behandeln Lexis körperlichen Entzug und ihre ersten Begegnungen mit den anderen „Klienten“ der Klinik, die alle aus eher reichem Haus stammen und auf irgendeine Art und Weise unter einer Suche leiden. Die späteren Kapitel beschäftigen sich eher mit Lexis Entwicklung und ihrer Beziehung zu ihrer Familie und den anderen Patienten, mit ihrer Vergangenheit, ihrer toxischen Beziehung zu Kurt und damit wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass sie mit einem ernsthaften Drogenproblem in der Klinik landete.

Ich war mir nach Ansicht von Cover und Klappentext nicht ganz sicher wie gut mir das Buch gefallen würde, da es doch ein bisschen so aussah als könnte es sich dabei um so eine Art Luxus-Seifenoper-Geschichte (im Stile von amerikanischen TV-Soap-Operas) handeln, die potentiell kitschig sein könnte.
Allerdings wurde ich dann mehr als positiv überrascht. Lexi ist trotz ihrer Schwierigkeiten und Privilegien doch eine überwiegend sympathische Hauptfigur, die ihre Geschichte mit viel Ironie und Witz in der Ich-Perspektive erzählt. Und das Buch findet einen guten Mittelweg darin wirklich ernsthafte Themen zu behandeln und trotzdem einen hohen Unterhaltungswert und viel Lockerheit und Leichtigkeit zu besitzen. Auch der Schreibstil ist durchweg mitreissend und auf einem hohen Niveau.
Natürlich darf auch die für einen Young Adult Roman obligatorische Liebesgeschichte nicht fehlen, die aber nicht zu sehr dominiert und auch durchaus gut zur Handlung passt.

Es gab einige wenige Stellen, die ich trotzdem etwas zu kitschig fand, so gibt es zum Beispiel auf der Insel auch einen Pferdestall für die Patienten und klischeehafterweise trifft Lexi dort auf einen verwilderten großes schwarzen Wallach namens Storm (kicher), der sich nicht zähmen lässt, woraufhin sie natürlich die Sache in die Hand nimmt und eine besondere Beziehung zu ihm aufbaut und so weiter und so fort, …was definitiv zu Wendy/Ostwind-mäßig rüberkam und auch gar nicht so recht zum Rest des Buches passen wollte (zumal einige Dinge erfahrenen Pferdeleute fachlich irritieren werden, so ist der gute Storm ein hoffnungsloser Fall, weil er „schon“ 3 Jahre alt ist und immer noch nicht geritten werden kann). Das wirft wirklich die Frage auf, warum es keine Autoren von Teenie Romanen gibt, die es schaffen über Pferde zu schreiben ohne völlig verkitscht und unrealistisch zu werden (die letzten guten Jugendromane in denen Pferde einigermaßen realistisch dargestellt werden stammen vermutlich noch aus den 80ern wie z.B. „Britta und ihre Pferde“ oder „Bille und Zottel“), weswegen man als Reiter bei Pferdebüchern und -filmen eigentlich immer nur schreiend die Flucht ergreifen kann. Da das Pferdethema im Buch allerdings nur ca. 5% der Zeit überhaupt vorkommt, kann man über diese Kleinigkeit gut hinwegsehen.

Davon mal abgesehen fand ich das Buch wirklich sehr gut und sehr kurzweilig und unterhaltsam. Vom Schreibstil ist es definitiv auch für Erwachsene gut geeignet.