Uta Gräf habe ich vor einigen Jahren beim „German Masters“ in Stuttgart zum ersten Mal reiten gesehen (ich glaube es war ein Grand Prix Kür Wettbewerb). Damals kannte ich sie noch gar nicht. Sie stach damals aus einem Feld von bestenfalls mäßigen Ritten und schlimmstenfalls gräßlichen Ritten (*hust* Frau I.W. *hust*) derart positiv heraus, dass ich mir damals gedacht habe, dass sie alleine den doch recht gesalzenen Eintrittspreis wert war. Mit ihrem damaligen Nr.1 Pferd „Le Noir“ zeigte sie eine unheimlich harmonische Kür mit grandiosen Übergängen (vor allem einem traumhaften Schritt-Piaffe-Schritt Übergang). Außerdem war sie so ziemlich die einzelne die ihr Pferd entspannt ein- und am langen Zügel wieder ausreiten konnte (was ein bezeichnendes Bild auf die anderen Teilnehmer dort wirft). Seitdem hat sie es geschafft sich im deutschen Dressursport als eine Art Lichtgestalt zu etablieren (Frau I.W. wäre dann im direkten Vergleich Darth Vader 😀 ).
Da mir fast alles, was ich von Uta Gräf reiterlich bisher gesehen habe, außerordentlich gut gefällt, habe ich mir schon mehrere ihrer DVDs gekauft.
In Folge 1 ihrer neuesten DVD-Reihe werden 2 verschiedene Pferde (Helios und Damon Jerome NRW) über einige Zeit ihrer Ausbildung begleitet, Helios ist dabei eher ein „Normalopferd“, also kein Pferd mit einer überdurchschnittlichen Dressurveranlagung oder mit spektakulären Grundgangarten. Hier ein kurzer Ausschnitt mit diesem Pferd: https://www.youtube.com/watch?v=MgfVRDic-hU
Die DVD zeigt Ausschnitte aus seiner Ausbildung über 2 Jahre hinweg, von seinem Ausbildungsstand als 6-jährigem bis hin zu seinem Ausbildungstand als 8-jährigem und bis zu seinem ersten Start in einer S-Dressur. Gut zu sehen ist bei diesen Videos, dass selbst bei einer Reiterin wie Uta Gräf die Ausbildung eines „normalen“ Pferdes Arbeit ist und auch bei ihr nicht sofort alles perfekt aussieht. Helios ist der Typ Pferd, der dazu neigt sich etwas zu eng zu machen. Man sieht bei ihm deshalb sehr gut, wie es fast 2 Jahre konsequenter Arbeit dauert, um eine 100% korrekte Dehnungshaltung zu erarbeiten, bei der das Pferd wirklich konstant ans Gebiss zieht. Das hilft einem als mäßig talentierter Reiter vielleicht, sich nicht ständig unrealistische Ziele für seine Freizeitreiterei zu setzen 😉 Leider lassen ja viele Sportreiter das Erarbeiten einer korrekten Dehnungshaltung deswegen einfach weg 😛
Insgesamt sieht man wie mit zunehmenden Training aus einem doch etwas schwerfällig wirkenden Pferd ein immer athletischerer und kraftvolleres Pferd wird. Bei seiner ersten S-Dressur wirkt Helios dann fast schon elegant. Uta Gräf zeigt also auf dieser DVD eindrucksvoll wozu Dressur ursprünglich gedacht war, nämlich ein Pferd nicht nur genauso schön zu präsentieren wie es sich im Freilauf auf der Koppel zeigt, sondern es durch die Dressur sogar noch schöner zu machen als vorher. Nicht umgekehrt, wie man es leider häufig sieht.
Bei Damon Jerome NRW werden Trainingsausschnitte als 8-jähriger gezeigt, leider ist von ihm nicht ganz so viel auf der DVD wie von Helios, vielleicht kommt davon bei Folge 2 noch mehr. Damon Jerome NRW ist sozusagen der Gegenpol zu „Helios“, eines dieses Hochleistungszuchtprodukte, die prädestiniert sind im Dressursport möglichst spektakulär auszusehen. Von ihm habe ich leider kein Youtube Video in guter Qualität gefunden, nur diesen kurzen Ausschnitt von Pferdia TV, aber der ist dafür auch besonders gelungen (wenn man so mal Zügel aus der Hand kauen lassen reiten könnte…). https://www.facebook.com/pferdia/videos/230663410319163/
Eigentlich mag ich solche „Gangwunder“ Pferde gar nicht so besonders, da mir die Gangarten meist zu künstlich exaltiert aussehen, allerdings liegt das sicher auch daran, dass man selten solche Pferde gut geritten sieht. Oft werden sie noch zusätzlich unter Spannung gehalten und die spektakulären Grundgangarten künstlich noch mehr verstärkt, bis sozusagen eine Karikatur eines Pferdes dabei herauskommt. Damon Jerome NRW ist wie sein Vater Damon Hill eines der wenigen „modernen“ Dressur-Pferde, die wirklich gut geritten werden.
Ganz besonders beeindruckt haben mich bei der DVD:
– Die Arbeit an den Fliegenden und Einerwechseln, selten sowas Beeindruckendes gesehen
– eine Sequenz in der Uta Gräf von Damon Jerome eine Trabverstärkung fordert und danach überprüft ob er sich danach mit Zügel aus der Hand kauen lassen direkt wieder in die Dehnungshaltung schicken lässt. Beim ersten Mal klappt das nicht auf Anhieb und Uta Gräf merkt an, dass das ein Zeichen sein kann, dass sie zu viel verlangt hat. Sie reitet das Gleiche zur Überprüfung noch ein 2. Mal, mit dem Hinweis, dass falls er sich wieder nicht gleich in die Dehnung schicken lässt, dies dann definitiv ein Zeichen für eine zu frühe zu hohe Anforderung wäre und sie dann wieder einen Schritt zurückgehen würde (es hat dann aber gleich geklappt).
– wie Uta Gräf beim Erarbeiten von neuen und schweren Lektionen aussitzend praktisch non-stop vom Pferd kommentiert was sie tut, warum sie es tut, was sie fühlt, nur so kann man nämlich wirklich etwas lernen. Allein die sportliche Leistung da die ganze Zeit zu reden, finde ich übrigens schon fast überirdisch.
Die DVD ist nicht unbedingt was für Leute, die Spektakuläres oder „schön aufbereitetes“ auf einer Reit-DVD sehen wollen. Es gibt keine (schlechten) Beine schmeißenden Lampenaustreter Dressurritte a la „schwarzer Wunderhengst“ 😉 und auch kein Gegenprogramm in Form einer aufwändig dekorierten und bemalten Reithalle in der jemand mit klassischer Musik unterlegt vor sich hin schwebt, sondern es wird zu 95% schnörkellose Trainingsarbeit an verschiedenen Lektionen und in verschiedenen Ausbildungsstufen auf dem Reitplatz gezeigt, von Uta Gräf durchgehend während des Reitens kommentiert, mit ein paar zusätzlichen wenigen Off-Kommentaren eines Sprechers. Abgerundet wird das mit wenigen kurzen Szenen aus Turnieren, der beiden vorgestellten Pferde (aber keine kompletten Wettkampfritte).
Dabei ist die DVD wie fast alle Reit-DVDs recht teuer, aber hat mit 130 Minuten auch eine deutlich überdurchschnittliche Länge (ich habe schon Reit-DVDs mit 45 Minuten Spielzeit fürs gleiche Geld gekauft).
Es gibt von Uta Gräf übrigens auch noch eine ältere 3-teilige DVD-Reihe „Dressurreiten mit Begeisterung“, die ich auch habe und die auch sehr empfehlenswert ist. Darauf gibt es auch sehr viel unheimlich gutes Reiten zu sehen, es werden aber auch noch ein paar andere Themen mit behandelt, wie pferdegerechte Haltung und Fütterung, vorbereitende Bodenarbeit (Uta’s Pferde werden vom Boden von ihrem Lebensgefährten ausgebildet, nach Prinzipien des Natural Horsemanship), Ausbildung des Reiters und einige Ausschnitte aus der Working Equitation, da ihr Lebensgefährte in dieser Disziplin zuhause ist. Außerdem wird in der Reihe eher die ganze Zeit das Zielbild („wie sieht das perfekte Endbild beim Reiten“) gezeigt und nicht so sehr der Weg dahin. Zum Einstieg finde ich diese DVD fast besser.
Als tatsächliche „Lehr“-DVD für normale Reiter und Freizeit-Reiter eignen sich die DVDs von Uta Gräf übrigens denke ich kaum, denn sie reitet auf einem Niveau, das fern der Praxis von so ziemlich jedem liegen dürfte und der Ausbildungsstand der Pferde auf dem Video fängt auf einer Ausbildungsstufe an, die die meisten Freizeit-Pferde gar nie erreichen werden. Aber man kann sich trotzdem einiges abgucken, nämlich wie man Pferde motiviert, wozu „Dressurreiten“ und „Lektionen“ eigentlich dienen, dass man zum guten Reiten Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit braucht und natürlich vor allem wie klassisches Reiten nach FN auf hohem Niveau eigentlich aussehen sollte (das kann man sich bei 99,9% der Reiter, die der Meinung sind, sie reiten nach FN nämlich nun mal leider keineswegs abschauen).
Zum Abschluss noch eines meiner Lieblings-Wettkampfritte von Uta Gräf, mit „Le Noir“, leider ist die Kamera-Perspektive nicht so toll (auf der 3. DVD der „Dressurreiten mit Begeisterung“ Reihe ist dieser Ritt übrigens in optimaler Qualität drauf). . Wenn ich nicht grad 1,58m groß wäre und reiten könnte wie Uta Gräf, dann wäre „Le Noir“ mein Traumpferd. Von dem Ritt in Stuttgart beim German Masters habe ich leider nie ein Video gefunden, aber dieser Ritt war denke ich vergleichbar gut (trotz der etwas oft überstrapazierten Musikwahl ;-)). Wobei dem Ritt im Vergleich zu Stuttgart in der ersten Hälfte etwas die Leichtigkeit fehlt und auch die ersten Übergänge in die Piaffe waren nicht sooo gut, dafür finde ich die Galopppirouetten und generell die Galopplektionen und die 2. Hälfte inkl. der finalen Halt-Parade super :
Ich habe ein bisschen nachdenken müssen, um darauf zu kommen, wer IW ist. Aber jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass ich es weiß.
Zusammenfassend möchte ich anmerken, dass Du Dich in die Thematik Dressur mindestens so gut eingearbeitet hast, wie seinerseits in den neuen CoP… 😊