Im August und September habe ich wieder einige interessante Bücher gelesen und diesmal war ich mit der Auswahl auch sehr zufrieden, zwar wiederum noch kein absolutes Mega-Highlight, das mich völlig von den Socken gerissen hätte, aber trotzdem 3 sehr gute Bücher:
Paula Fürstenberg – Familie der geflügelten Tiger (Genre: Belletristik)
„Familie der geflügelten Tiger“ ist ein kompaktes und edel wirkendes Buch, das sich mit der Lebensgeschichte der jungen Johanna beschäftigt. Johanna ist in der Uckermark aufgewachsen, zusammen mit ihrer Mutter. Ihr Vater hat sich Kurz vor Ende der DDR von der Familie abgesetzt, als Johanna noch ein Kleinkind war, laut Johannas Mutter in den Westen.
Die Geschichte spielt als Johanna gerade dabei ist ihr eigenes Leben als Erwachsene zu beginnen, sie ist nach Berlin gezogen und macht eine Ausbildung zur Straßenbahnfahrerin (was ihre Mutter nicht sehr begeistert). Plötzlich bekommt sie einen Anruf von ihrem Vater, der den Kontakt sucht. Johanna ist hin- und hergerissen und entschließt sich dann aber doch Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen und herauszufinden warum er die Familie damals verlassen hat. Und je länger sie sucht, desto unsicherer wird die Vergangenheit, ist der Vater wirklich abgehauen, wurde er vielleicht verhaftet, wollte er seine Familie verlassen oder wurde er vielleicht dazu gezwungen?
Immer besessener wird Johanna von ihrer Suche und ist dadurch aber auch gezwungen sich mehr mit ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld, sowie sich selbst auseinanderzusetzen.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Die Sprache ist eher spröde und melancholisch, nüchtern, aber trotzdem gefühlvoll. Johanna ist kein einfacher Hauptcharakter, sie ist recht unsicher, weiß noch nicht so richtig wo ihr Platz in der Welt ist und trampelt auf der Suche nach dem Geheimnis ihres Vater durchaus auch mal auf den Gefühlen ihrer Mitmenschen rum. Die Stärke des Buches liegt auch genau darin, in der Analyse von Johannas Beziehungen zu ihrem Umfeld. Aber auch die Geschichte der DDR spielt in dem Buch eine Rolle, was für mich als Westdeutsche natürlich auch sehr interessant ist.
Insgesamt ein sehr hochwertiges und interessantes Buch, das für mich deutlich aus der Masse heraussticht.
Joel Dicker – Die Geschichte der Baltimores (Genre: Belletristik)
In „Die Geschichte der Baltimores“ erzählt Joel Dicker die Geschichte von zwei Zweigen der jüdisch amerikanischen Familie Goldmann. Der Ich-Erzähler Marcus Goldmann ist Schriftsteller und bewunderte und verehrte als Kind die Familie seines Onkels Saul Goldmann, die im Vergleich zu seiner eigenen mittelständischen Familie immer wie die erfolgreicheren Goldmanns wirkten, reicher, schöner, glücklicher, vom Glück verwöhnt. Die Familie von Saul Goldmann besteht aus dem Onkel Saul, der Tante Anita, dem leiblichen Sohn Hillel und dem Adoptivsohn Woodie, der aus sozial schwierigen Verhältnissen stammt. Immer wenn Marcus als Kind zu Besuch bei den Goldmans ist, fühlt er sich dort mit seinen beiden Cousins Woody und Hillel wie zu Hause, die drei fühlen sich als „Goldman Gang“ und verbringen eine zumindest auf den ersten Blick unbeschwerte Kindheit und Jugend. Später tritt das Mädchen Alexandra in ihr Leben, für das alle drei Jungs schwärmen…
Die Geschichte wird auf mehreren Zeitebenen erzählt, in der Gegenwart schreibt der erwachsen gewordene Schriftsteller Marcus die Geschichte seiner Familie auf und versucht das inzwischen zerrüttete Verhältnis zu Alexandra zu kitten.
Weiterhin wird in Rückblenden die Geschichte der Familie Goldmann erzählt, Woodies und Hillels Kindheit, die Irrungen und Wirrungen der Jugend und der große dramatische Zerfall, der in der ersten Hälfte des Buches wie ein Damoklesschwert über der Handlung schwebt, ohne dass man weiß worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Vom Stil her fand ich den ersten Teil des Buches, dann auch etwas schwierig, denn fast übertrieben schmalzig und euphorisch verklärend wird Marcus‘ Verhältnis zu den Goldmans beschrieben…mit der Zeit ist mir klar geworden, dass das vermutlich ein absichtliches Stilmittel war, um den Kontrast zu den späteren Ereignissen deutlicher herauszustreichen. Mir war es aber fast etwas „too much“.
Etwas verwundert war ich darüber, dass das Buch von einem französischsprachigen Schweizter Autor ist, der auch zumindest von dem was im Klappentext steht, nicht wirklich eine Verbindung zu den USA zu haben scheint. Da frag ich mich, wie man auf die kommt eine amerikanische Familiengeschichte zu schreiben.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, allerdings hat es meine Erwartungen aus 2 Gründen doch ein kleines Bisschen untertroffen: Erstens fand ich die Sprache zwar angenehm zu lesen, aber manche Übersetzungen kamen mir doch etwas holprig vor, vor allem bei den Kosenamen (die Hauptperson heißt Marcus und wird wahlweise im Buch „Markie“ oder „Märkchen“ genannt, zumindest zweiteres finde ich nun doch etwas sehr lächerlich klingend für einen erwachsenen Mann…bin mir auch nicht sicher was da wohl das Original gewesen sein könnte). Zweitens hatte ich mir irgendwie von dem ganzen Buch eine etwas anspruchsvollere Sprache gewünscht, manchmal war mir das ganze tendenziell etwas zu schmalzig formuliert. So fand ich das Buch zwar sehr unterhaltsam und die Geschichte wirklich faszinierend, aber um einen „großen amerikanischen Gesellschaftsroman“ handelt es sich dabei wohl eher nicht, eine gewisses Gefühl, dass der Roman im Endeffekt doch ziemlich banal ist, hat mich nie verlassen. Und da er zumindest von Aufmachung und Klappentext nicht den Eindruck macht, dass es sich dabei um eher seichte Lektüre handeln würde, hat das bei mir dazu geführt, das mich das Buch ein bisschen enttäuscht hat. Als lesenswerte nette Unterhaltung ist es aber definitiv empfehlenswert.
Eric Berg – Das Nebelhaus (Genre: Krimi)
Ich lese eigentlich seit Jahren sehr gerne Krimis, in letzter Zeit hatte ich mich an dem Genre allerdings auch etwas satt gelesen, da doch die meisten Krimis und Thriller immer nach dem gleichen 08/15 Schema aufgebaut sind und man irgendwann relativ selten auf etwas trifft, dass aus der Masse heraussticht. „Das Nebelhaus“ war aber mal wieder ein Krimi, der mir wirklich hervorragend gefallen hat.
In dem Buch geht es um einen Amoklauf, der im idyllischen Hiddensee zwei Jahre zuvor stattgefunden hat. Damals trafen sich 4 ehemalige Studienfreunde (miteinander verbunden durch ein gemeinsames Engagement im militanten Tierschutz) nach vielen Jahren wieder, nachdem sie auf Facebook Kontakt miteinander aufgenommen hatte. Eigentlich sollte es nur ein harmloses Wochenende unter alten Freunden werden, doch stattdessen endet das Ganze mit 3 Toten und einer angeblichen Täterin im Koma.
Zwei Jahre später soll die Journalistin Doro einen Artikel über den Amoklauf schreiben und nimmt dafür Kontakt mit ehemaligen Opfer- und Täterangehörigen auf. Auch wenn sie an ihrem Auftrag zweifelt und Schwierigkeiten hat sich darauf einzulassen, wird sie schnell in die Geschehnisse um den Amoklauf hineingezogen und beginnt zu ermitteln.
Das Buch wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, einerseits erzählt Doro in der Gegenwart von ihren Recherchen, dazwischen werden die Geschehnisse von vor 2 Jahren geschildert, beginnend mit dem Aufbruch zum Treffen der 4 Freunde. Die Charaktere fand ich alle interessant und stimmig dargestellt (wenn auch zugegebenermaßen etwas klischeehaft) und auch die Geschichte ist komplex ohne unglaubwürdig oder zu kompliziert zu sein. Als Thriller würde ich das Buch nicht unbedingt kategorisieren, denn actionreiche Hochspannung gibt es eher nicht, die Spannung kommt leise und psychologisch daher.