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Krimi-Tipp: „Kuckuckskinder“ von Camilla Läckberg

„Kuckuckskinder“ von Camilla Läckberg ist bereits der 11. Krimi aus der Reihe mit der „Ermittlerin“ Erica Falck. Ermittlerin in Anführungszeichen, den eigentlich ist Erica keine Polizisten, sondern Schriftstellerin, die Romane über wahre Kriminalfälle schreibt, während ihr Mann Patrick tatsächlich Kriminalpolizist ist. Ich habe schon mehrere Bücher aus der Reihe gelesen, allerdings ist das schon länger her, weswegen ich erstmal ein paar Schwierigkeiten hatte mich an die vielen Charaktere aus der Krimi-Reihe und ihre Familienverhältnisse zu erinnern. Das tat dem Lesevergnügen allerdings keinen Abbruch, denn der tatsächliche Kriminalfall ist sehr interessant: Der beliebte und renommierte Autor Henning Bauer steht zu Beginn des Buches davor sein Lebenswerk zu krönen. Nicht nur feiert er gerade im Kreise von Familie und Freunden Goldene Hochzeit, auch der Literaturnobelpreis erscheint in greifbarer Nähe. Doch dann erschüttern schreckliche Ereignisse sein Leben, ein guter Freund aus der Kulturszene wird ermordert und kurz drauf folgt noch ein viel grausamerer Mord. Während Ericas Mann Patrick offiziell im Fall ermittelt, wühlt Erica in einem rätselhaften Mord aus den 80er Jahren. Hat die Vergangenheit der Freundes-Clique etwas mit den Ereignissen zu tun?

Camilla Läckberg ist vom Stil sicherlich ein Gegenentwurf zu anderen skandinavischen Reihen, die ja oftmals (Wallander lässt grüßen) eher ruhig und melancholisch daher kommen, mit eher depressiven Ermittlern, die nicht viel Glück im Leben hatten. Camilla Läckbergs Romane erinnern mich im Stil eher an die Krimis von Nele Neuhaus und die Ermittler haben alle ein volles lautes Privatleben und eine ziemlich unübersichtliche Anzahl an Kindern. Also eine gute Abwechslung zu anderen Skandinavien-Krimis, wobei der Roman dadurch, dass die Verdächtigen auch sehr zahlreich waren, tatsächlich minimal überfrachtet wirkte. Außerdem ist es natürlich nicht realistisch, dass Erica Falck jahrelang als Privatperson in den gleichen Kriminalfällen mitermittelt wie ihr Mann. Das ist aber wirklich der einzige kleine Kritikpunkt den man an der Reihe finden kann, davon abgesehen ist die Geschichte spannend, original, mitreissend erzählt und ich habe das ganze Buch innerhalb von knapp 3 Tagen verschlungen. Eine absolute Leseempfehlung.

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Krimi-Tipp: „Verschwiegen“ von Eva Björg Ægisdóttir

Ich bin ein großer Fan von Island-Krimis, zum Beispiel von Yrsa Sigurðardóttir und Arnaldur Indriðason.
Mit Eva Björg Ægisdóttir und ihrem ersten Krimi „Verschwiegen“ rund um die Polizistin Elma taucht ein neues Gesicht in der isländischen Krimilandschaft auf. Ich war sehr gespannt auf den Roman und wurde absolut nicht enttäuscht.

Elma kehrt nach einigen Jahren in Reykjavik nach einem Einschnitt in ihrem Privatleben zurück in ihre Heimatstadt Akranes. Dort soll es eigentlich viel ruhiger zugehen als in Reykjavik, doch schon kurz nach ihrer Rückkehr gibt es eine Leiche. Am alten Leuchtturm der Stadt (den gibt es wirklich als Touristenattraktion) wird eine Frau halb im Meer liegend gefunden und es ist schnell klar, dass ihr Tod kein Unfall war. Relativ schnell findet die Polizei heraus, dass es sich bei der Toten um Elisabet handelt, eine Pilotin, die ihrem Mann gesagt hatte, dass sie zu einer Flugreise aufbricht, sich aber bei der Arbeit krank gemeldet hatte, ohne ihm Bescheid zu sagen. Elma und ihre Kollegen versuchen herauszufinden, was in den Tagen dazwischen passiert ist. Schnell wird klar, dass Elisabet auch in Arkanes aufgewachsen ist, den Ort aber die letzten Jahre konsequent gemieden hat. Hat ihre Vergangenheit etwas mit ihrer Ermordung zu tun?

Der Roman ist ein klassischer Ermittlungskrimi, der in eher ruhigem Erzähltempo erzählt wird, aber nicht ganz so melancholisch daherkommt wie z.B. die Krimis von Arnaldur Indriðason. Dabei gibt es viele verschiedene Erzählperspektiven und verschiedene Zeitebenen. Die Leser:Innen erfahren so nach und nach mehr über Elisabets Kindheit, wie andere Bewohner von Arkanes in die Geschehnisse verflechtet sind und was für Ereignisse der Vergangenheit zu Elisabets brutalem Tod geführt haben. Dabei kommt das Kleinstadtleben auf Island so richtig zum Tragen, fast jeder kennt jeden und auch die Polizisten kennen so einige der in die Geschehnisse verwickelten Personen persönlich, was den Job natürlich nicht einfacher macht.

Der Kriminalfall ist sehr atmosphärisch und das Buch ist für mich ein eher psychologischer Krimi, was mir immer besonders gut gefällt. Nicht Brutalität oder die Tat stehen im Mittelpunkt, sondern die Beziehungen zwischen Menschen und Familien. Auch Elisabet ist als Charakter vielschichtiger als man am Anfang des Buches durch die Rückblicke erwarten würde.

Bleiben noch die Ermittler: Elma hat mir als Hauptcharakter ausnehmend gut gefallen. Ihr Privatleben ist etwas chaotisch und wird thematisiert, aber nicht so sehr, dass der Fall ins Hintertreffen gerät. Ihr junger Kollege Saevar bleibt noch etwas blass, ich kann mir aber vorstellen, dass die Charaktere und Beziehungen der Polizist:innen in weiteren Bänden der Reihe noch mehr entwickelt werden können.

Insgesamt war ich richtig begeistert von dieser neuen Reihe, die aus dem Krimi-Einheitsbrei positiv heraussticht und sich nicht hinter den anderen isländischen Reihen verstecken muss. Sie ist auch gut geeignet für Leser:innen denen Arnaldur Indriðason vom Stil doch etwas zu düster und ruhig ist.

Bücher

Krimi-Tipp: „Die letzte Party“ von Claire Mackintosh

„Die letzte Party“ von Clare Mackintosh ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe. An einem abgelegenen See an der Grenze zwischen Wales und England hat der bekannte Klassik-Sänger Rhys Lloyd gemeinsam mit einem Kumpel eine exklusive Luxus-Ferienanlage neu aufgebaut, auf dem Seegrund, den er von seinem Vater geerbt hat. Er selbst stammt aus dem nahegelegenen Dorf. An Silvester gibt er eine große Party für alle Bewohner der Anlage und auch für die alteingesessenen Bewohner des nahegelegenen Ortes, die der Ferienanlage für reiche Engländer kritisch gegenüber stehen. Doch am Morgen nach der Party wird Rhys Lloyd tot im See gefunden. Der Liverpooler Polizist Leo wird an den Tatort geschickt, wo er peinlicherweise auf seinen One Night Stand aus der Silvesternacht trifft, die Dorfpolizistin Ffion Morgan, die fast alle Besucher der Party und den Ermordeten kannte. Dieser hatte so viele Feinde, dass die Zahl der möglichen Verdächtigen ausgesprochen umfangreich ist. 

Auch wenn der Roman eine für meinen Geschmack eher Thriller-artige Cover-Aufmachung hat, handelt es sich um einen klassischen Ermittlungskrimi, die Polizisten befragen Zeugen, mit der Zeit erfährt man immer mehr über die verschiedenen Personen, die das Luxusressort bewohnen und über Rhys Lloyd Verbindungen zu den Dorfbewohnern und seine Vergangenheit. Die beiden Ermittler Leo und Ffion sind dabei eine interessante und kreative Kombination (auch wenn das Thema „Polizisten-Duo mit privaten Problemen“ in Krimis natürlich etwas ausgelutscht ist). Auch der Kriminalfall ist sehr interessant und komplexer als die Aufmachung des Buches vermuten lässt. Die Geschichte springt in der Zeit zwischen den aktuellen Ermittlungen und den Monaten vor der fatalen Silvesterfeier hin und her, so dass sich nach und nach herauskristallisiert was mit Rhys Lloyd passiert ist und warum so viele Leute etwas gegen ihn hatten. Auch das Setting in Wales und Walisischen Namen geben dem Krimi etwas Besonderes, da ich nach meiner Erinnerung noch keine Krimis gelesen habe, die in Wales spielen. 

Aus diesem Grund hat mir der Krimi insgesamt sehr gut gefallen und ich kann mir gut vorstellen weitere Krimis aus der Reihe zu lesen. 

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Der Aufstieg“ von Amy McCulloch

„Der Aufstieg“ von Amy McCulloch ist ein Hörbuch-Thriller, den ich mir vor allem wegen der Hintergrund-Thematik ausgesucht habe, denn das Buch spielt in eisiger Höhe, auf einem 8000er, dem Manaslu in den Anden. Der Manaslu ist der achthöchste Berg der Welt und ich fand die Idee eines Thrillers im Bergsteiger-Milieu sehr spannend, da ich auch Interesse daran hatte, mehr darüber zu erfahren wie es ist einen solch hohen Berg zu besteigen. Eine kurze Recherche zur Autorin ergab, dass sie wohl auch definitiv weiß worüber sie schreibt, denn Amy McCulloch ist laut ihrer Biografie die jüngste Kanadierin der es gelang den Manaslu zu besteigen.

Im Mittelpunkt des Buches steht die junge Journalistin Cecily Wong. Sie bekam überraschend die einmalige Gelegenheit den Bergsteiger-Superstar Charles McVeigh zu interviewen, der es sich als Ziel gesetzt hat alle 14 Achttausender im Alpinstil (ohne Hilfsmittel) zu besteigen. Allerdings hat der Auftrag einen Haken: Cecily bekommt das Interview erst wenn sie gemeinsam mit Charles und seinem Team den Manaslu Gipfel erreicht. Diese einmalige Gelegenheit beruflich durchzustarten will sich Cecily nicht entgehen lassen, obwohl ihre eigene Bergsteiger:innen Karriere bisher vor allem durch Selbstzweifel und Misserfolge geprägt war. 

Mit im Team sind außer Cecily noch diverse Sherpas, der etwas mürrische aber erfahrene Guide Doug, eine Influenzerin, einige weitere Einzelkämpfer und natürlich Charles, der aber erst später zum Team stößt. Doch die Expedition scheint unter keinem guten Stern zu stehen, kaum im Base Camp angekommen, verunglückt ein Bergsteiger tödlich noch bevor es überhaupt losgeht. Und das ausgerechnet kurz nachdem er Cecily von einem anderen mysteriösen Todesfall bei einer früheren Expedition erzählt hat. Cecily hat kein gutes Bauchgefühl und je länger und höher die Expedition steigt, desto unheimlicher und bedenklicher werden die Geschehnisse.

Das Hörbuch hat auf jeden Fall meine Erwartungen mehr darüber zu erfahren wie eine 8000er-Besteigung abläuft voll erfüllt und hat mich in diesem Bereich auch sehr viel gelehrt und gleichzeitig hervorragend unterhalten. Ein zweiter großer Pluspunkt ist die Sprecherin Britta Steffenhagen, die die Geschichte sehr dynamisch, lebendig und mitreissend liest. Dank ihrer Performance habe ich das Hörbuch innerhalb kürzester Zeit verschlungen und hatte viel Spaß damit. Ob auch Thriller-Fans 100% zufrieden sind, ist die andere Frage. Die Autorin schrieb bisher vor allem Jugendbücher, „Der Aufstieg“ ist ihr erster Thriller für Erwachsene und ganz so düster und nervenzerreißend ist er dann aber doch nicht geraten. Auch kommen die meisten Neben-Charaktere etwas blass daher und auch sprachlich ist das Buch nicht immer gerade ein Meisterwerk (etwas amüsant wie oft Doug „mit düsterem Blick ein Zelt betritt“ oder „Das Herz in Cecilys Brust hämmert“). Wenn man aber keine überdurchschnittliche Thriller-Kost, sondern nur eine unterhaltsame Geschichte mit coolem Setting erwartet, kann das Buch hervorragend unterhalten.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Happy New Year“ von Malin Stehn

Heute möchte ich eines meiner Hörbuch-Highlights von 2022 vorstellen, den schwedischen Thriller „Happy New Year“ von Malin Stehn. Aufmerksam wurde ich auf das Hörbuch vor allem durch das sehr auffällige pinke Cover, das frisch und auffällig wirkt. Da auch der Klappentext nach etwas Abwechslung von typischer Thrillerkost (wie z.B. Serienmörder entführt und tötet Frauen) klang, griff ich zu und habe die Wahl auch nicht bereut.

Der Startpunkt des Thrillers ist eine Silvesterfeier in Malmö. Das Ehepaar Nina und Frederik sind bei ihren alten Jugendfreunden Lollo und Max eingeladen, während ihre 17-jährige Tochter Smilla zusammen mit Lollos und Max Tochter Jennifer das erste Mal im Zuhause von Nina und Frederik eine eigene Silvesterparty feiern dürfen. Nina hat ein schlechtes Bauchgefühl dabei, aber was soll schon passieren.
Während die Party der Erwachsenen aufgrund einiger betrunkenen Ausfälle von Max nicht besonders harmonisch ausfällt, kommt das böse Erwachen erst am Folgetag. Jennifer hat die Party der Teenager schon vor Mitternacht verlassen, kam aber nie zuhause an. Ihr Verschwinden ist ein Schock und warum verhält sich Frederik seit der Nacht so komisch? Das Buch schildert die Monate nach der verhängnisvollen Silvesternacht, aber auch einige Rückblicke, die die Beziehungen zwischen den Freunden und Familien erklären. Als Leser:in weiß man immer etwas mehr als die Charaktere, aber trotzdem gibt es noch viele Überraschungen und Wendungen.

Es ist natürlich immer schwierig zu sagen, ob einem ein Buch als Hörbuch oder selbst gelesen besser gefallen würde, da der Vergleich ja fehlt. Trotzdem ist „Happy New Year“ eins der Bücher, wo ich vermute, dass es als Hörbuch besonders gut zur Geltung kommt. Denn die Geschichte wird aus Sicht von 3 Personen erzählt – Frederik, Nina und Lollo – und entsprechend hat das Hörbuch auch 3 Sprecher, was dem ganzen sehr viel Dynamik verleiht und die ganze Geschichte sehr lebendig wirken lässt. Man kann sich sehr gut in die Personen hineinversetzen und die jeweiligen Perspektivenwechsel wirken sehr natürlich und authentisch.

Gibt es an dem Buch nun auch etwas zu kritisieren? Keine Kritik, aber für Fans von eher klassischen Spannungs-Thrillern (z.B. Sebastian Fitzek) ist das Buch eventuell nicht geeignet, denn es handelt sich eher um einen psychologischen Thriller, der den Fokus ganz auf die Geheimnisse und Abgründe hinter einigen eigentlich spießigen und bodenständigen Mittelstandsfamilien legt.
Außerdem sind die Charaktere allesamt nicht unbedingt Sympathieträger (vor allem die ich-bezogene und selbstgerechte Nina kann einem doch ganz schön auf die Nerven gehen), wer also gerne Bücher liest, bei denen er sich mit den Charakteren besonders gerne identifizieren oder mitleiden kann, ist vielleicht auch nicht 100% abgeholt. Aber davon abgesehen hat mich der Roman wirklich begeistert und extrem gut unterhalten.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Ein notwendiger Tod“ von Anne Holt

„Ein notwendiger Tod“ ist der zweite Teil von Anne Holts neuer Krimireihe rund um die Detektivin Selma Falck. Da ich den ersten Teil schon als Hörbuch gehört habe, habe ich auch beim 2. Teil diese Form gewählt. Diesmal beginnt das Buch mit einem Schock für Selma Falck. Sie wacht orientierungslos und verwirrt in einer brennenden Hütte auf, aus der sie sich nur mit allerletzter Kraft befreien kann. Wie sie dorthin gekommen ist und wo sie ist, weiß sie nicht und auch als Leser:in erfährt man das erstmal nicht.
Denn schon springt das Buch einige Monate zurück, in einen Sommer wo noch alles soweit ok schien:
Nach ihrem Spielsucht-bedingten gesellschaftlichen und familiären Absturz hat sich Selma Falck inzwischen wieder einigermaßen berappelt, auch wenn das Verhältnis zu ihren Kindern und vor allem zu ihrer Tochter schwierig bleibt.
Letztere heiratet ihren Verlobten, einen rechtspopulistischen Meinungsbilder. Selma ist zur Hochzeit zwar eingeladen, doch an den Katzentisch verbannt. Von dort muss sie mit ansehen wie der frischvermählte Gatte ihrer Tochter bei einer Rede für die Gäste tot zusammenbricht. Gestorben an seiner Macadamia-Nuss-Allergie und das obwohl diese allen bekannt war und weit und breit keine Nüsse in Sicht waren.
Der Besitzer des Sterne-Restaurants, der die Hochzeit ausrichtete, beauftragt Selma damit, herauszufinden wie es zu dem Todesfall kommen konnte, um einen Imageschaden für sein Geschäft abzuwenden. Wirkt es erst so, als gäbe es gar keinen Fall, kommt Selma mit der Zeit unglaublichen Vorgängen auf die Spur…

Wie auch im ersten Fall zeichnet sich der Krimi vor allem dadurch aus, dass brandaktuelle gesellschaftspolitische Themen sehr anschaulich und spannend aufgegriffen werden, in diesem Fall die Verrohung des politischen Diskurses durch Fake News und Desinformation in den Sozialen Medien und die Radikalisierung der extremen rechten und linken politischen Ränder und die Frage wie eine demokratische Gesellschaftsordnung damit umgehen kann. Alles Themen die nicht nur in Norwegen eine Herausforderung darstellen. Der Kriminalfall birgt hierbei einige Überraschungen und das Buch hat mich wieder sehr gut unterhalten, auch Katja Bürkles ruhige, aber trotzdem nicht langweilige Vortragsweise passt sehr gut zu dieser typisch nordischen Krimireihe.

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Krimi-Tipp: „Frau Faust“ von Antje Zimmermann

„Frau Faust“ ist der Debut-Krimi der Kölner Journalistin Antje Zimmermann. Ich wurde vor allem durch den interessanten Titel darauf aufmerksam. Dieser ist auch durchaus Programm, denn die Kommissarin Katharina „Kata“ Sismann war neben ihrer Polizeikarriere erfolgreiche und fast unschlagbare Boxerin. Bis zu einem schicksalshaften Kampf, der ihrer Box-Karriere ein abruptes Ende setzte und sie auch im Polizeidienst mit „angeschlagenem“ Ruf zurückliess.

Auch das Milieu des Kriminalfalls ist spannend, eine bekannte und charismatische Krimiautorin wird ermordet. Gefunden wird sie von einer Teilnehmerin ihres renommierten Schreibkurses, die selbst von einer Karriere als Krimi-Autorin träumt.

Anfangs hat mir der Krimi trotz der etwas einfach plakativen Sprache gut gefallen. Das Setting in der Literatur-Szene ist sehr unterhaltsam gewählt und auch die Spannungen zwischen Bestseller-Autorin und ihrem von Konkurrenzdenken zerfressenen Schreibkurs sind durchaus mitreissend.

Zum Ende hin liess der Krimi für mich dann aber doch etwas nach und ich hatte den Eindruck die Autorin hat sich etwas verzettelt, die Auflösung hat mich nicht ganz überzeugt, ein Charakter der Amfang recht zentral ist, spielte letzendlich für das Buch überhaupt keine Rolle und die „düstere“ Hauptkommissarin war vielleicht doch etwas zu klischeehaft angelegt. Für mich wurde beim Lesen recht offensichtlich, dass es sich um ein Erstlingswerk handelt, dass vielleicht noch ein etwas sorgfältigeres und kritischeres Lektorat gebraucht hätte. Das Talent der Autorin ist aber trotzdem augenscheinlich und unterhaltsam war der Krimi trotzdem.

Bücher

Buch-Tipp: „Das Marterl“ von Johannes Laubmeier

In „Das Marterl“ von Johannes Laubmeier kommt ein junger Mann in seine bayerische Heimatstadt zurück. Extra hat er abgewartet bis seine Mutter zu einer spirituellen Reise nach Asien aufgebrochen ist, denn der Grund für die Reise ist, dass der junge Mann sich endlich mit dem Tod des Vaters auseinander setzen will und dazu möchte er alleine sein. Dieser starb vor 10 Jahren bei einem Motorradunfall. Seitdem hat der Erzähler in Großbritannien gelebt, bevor er mit seiner Lebensgefährtin zurück nach Deutschland, aber nach Berlin, zog. In seinem Heimatort war er seitdem nur selten und den Tod des Vaters hat er nie richtig verarbeitet. Jetzt also ist er zurück in der Kleinstadt A. (die im ganzen Buch nur abgekürzt wird, aber von Erzählungen zu Geschichte und Sehenswürdigkeiten kann man die Stadt mit Google innerhalb von Sekunden identifizieren) und lässt sich erstmal mehr oder weniger treiben. Besucht Orte seiner Kindheit, den Unfallort, räumt den alten Schuppen seines Vaters aus, trifft ehemalige Freunde und Weggefährten und bekommt ganz langsam eine Verbindung zu dem Ort zurück, aber auch zu seinen Gefühlen von damals.

Die aktuelle Erzählung wechselt sich immer ab mit Episoden aus der Kindheit des Jungen, Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit in der bayerischen Provinz, Erinnerungen an den Vater und an die Heimat.

Die Sprache des Buches ist dabei finde ich einfach nur wunderschön. Melancholich und authenthisch ohne dabei aufgesetzt oder übertrieben „literarisch“ zu sein, einfach nur intensiv und direkt, so dass das Buch wirklich sehr berührt und sowohl die Kindheit des Jungen lebendig werden lässt als auch die Stadt A. und das „typische“ bayerische Kleinstadtleben, das einerseits durchaus ironisch und kritisch betrachtet wird, aber trotzdem nie ablehnend oder wertend. Ein ganz großartiges Debut von einem sehr talentierten Autor.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Ein Grab für zwei“ von Anne Holt

„Ein Grab für zwei“ von Anne Holt ist ein Hörbuch, das mich aus mehreren Gründen angesprochen hat. Erstens habe ich schon einige Krimis von der Autorin gelesen und diese hatten ausnahmslos eine hohe Qualität. Außerdem fand ich das Thema spannend. Wurden doch gerade erst die Olympischen Spiele von Peking von einem Dopingskandal überschattet, da kam mir ein Krimi in dem Doping im Hochleistungssport eine Rolle spielt gerade Recht.

Ermittlerin in dieser Reihe von Anne Holt ist Selma Falck, selbst ehemals Leistungssportlerin und Olympia-Medaillengewinnerin, außerdem bekannte und beliebte Star-Anwältin. Allerdings befindet sich Selma Falck zu Beginn des Romans am aktuellen Tiefpunkt, ihre Spielsucht hat ihre Karriere nachhaltig ruiniert. So am Boden wird sie von einem ehemaligen Klienten um Hilfe gebeten. Dessen Adoptivtochter Hege Chin Morell steht kurz vor den Olympischen Spielen von Pjöngchang unter Doping-Verdacht, dabei ist sie eine der ganz großen Goldmedaillenfavoritinnen.
Selma soll herausfinden ob Sabotage hinter der Sache steckt und Heges Ruf rechtzeitig vor den Spielen wieder rein waschen…

Der Krimi der sich aus dieser Ausgangslage entspinnt ist sehr komplex und bald stellt sich heraus, dass der Dopingfall nur die Spitze des Eisberges darstellt. Und dann wird auch noch ein anderer Spitzenlangläufer tot aufgefunden…
Selma spricht mit Menschen, ist teils persönlich involviert, gräbt in der Vergangenheit, hat teils extravagante und fragwürdige Methoden und ganz langsam kristallisiert sich heraus, was eigentlich hinter der ganzen Sache steckt.

Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn ich zugeben muss, dass der Fall doch ein paar Längen hat und die Geschichte vielleicht etwas kompakter erzählt werden hätte können. Trotzdem eine sehr interessante Ermittlerin und ein Setting das gerade für Wintersport-Fans sehr attraktiv ist. Katja Bürkle liest das Buch sehr klar, aber trotzdem mit einer sehr guten Interpretation der verschiedenen Charaktere.

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Krimi-Tipp: „Der Tod der dreckigen Anna“ von Tina Seel

„Der Tod der dreckigen Anna“ von Tina Seel ist ein außergewöhnlicher Krimi. Aufmerksam wurde ich auf das Buch zuerst durch den auffälligen Titel und das interessant und wie ich finde einfach aber besonders attraktiv gestaltete Cover. Der Roman spielt in einem kleinen Dorf in der Pfalz im Jahr 1974 und basiert auf einem echten Mordfall, den die Autorin als Kind in ihrem eigenen Dorf miterlebte. Im Dorf wohnen 3 ältere Schwestern gemeinsam in einem Haus, etwas verwahrlost, etwas isoliert von den anderen Dorfbewohnern und als schrullig bis unangenehm bekannt. Innerhalb eines Jahres sterben zwei der Schwestern, zurück bleibt nur die etwas geistig behinderte Anna, die kaum spricht. Zwei Verwandte kümmern sich notdürftig um Anna, doch überwiegend lebt sie alleine im Haus der Schwestern und kommt mehr oder weniger zurecht. Am Heiligabend 1974 dann der Schock: als Anna nicht wie verabredet bei ihren Verwandten erscheint, finden diese sie ermordert und brutal zugerichtet in ihrem Haus vor.

Der Krimi wird dann auf verschiedenen Zeitebenen erzählt: in der Gegenwart versuchen die Kriminalpolizisten dem Täter auf die Spur zu kommen, außerdem wird schnell klar wie sehr dieser brutale Mord das Gleichgewicht in der eingeschworenen Dorfgemeinschaft durcheinander bringt. Dazwischen werden die Jahre und Monate bis zur Tat erzählt und wer der Täter ist bleibt dementsprechend dann auch nicht lange ein Geheimnis für den Leser. Um die Mördersuche wie in einem klassischen Krimi geht es aber in diesem Buch auch nicht, stattdessen stehen die Entwicklung des Täters und die Dorfbewohner im Mittelpunkt, es handelt sich also wohl eher um eine Mischung aus Psychogram und Dorfroman. Dazu kommt eine teilweise etwas derbe, aber authentische Sprache, die einen gefühlt direkt ins Jahr 1974 zurückversetzt und die den Roman besonders charmant aber auch eindringlich macht. Etwas überrascht war ich entsprechend auch wie sehr mich das Geschehen teilweise „mitgenommen“ hat, was vor allem daran liegt, wie überzeugend und plastisch die Autorin das Innenleben des Mörders gezeichnet wird, es gruselt einen teilweise richtig vor ihm. Für mich ist dieser Roman eine wirklich beeindruckende Debüt-Leistung der Autorin, die aus dem 08/15 Krimi-Material sehr positiv heraussticht.