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Buch-Tipp: „Übertretung“ von Louise Kennedy

„Übertretung“ von Louise Kennedy spielt im Nordirland der 1970er Jahre. Die junge Katholikin Cushla lebt mit ihrer alkoholkranken Mutter zusammen, ist Lehrerin an einer Grundschule und abends hilft sie gelegentlich ihrem Bruder Eamonn beim Bedienen in seinem Pub, der aufgrund seiner Lage überwiegend von protestantischen Besuchern besucht wird. Als sie sich in den viel älteren und protestantischen Anwalt Michael verliebt und parallel in die familiären Probleme ihres kleinen Schülers Davy hineingezogen wird, nimmt ihr Leben eine turbulente Wende…

Ich habe schon einige Bücher über den Nordirlandkonflikt gelesen (und auch einige Serien geschaut, die in dieser Zeit spielen) und für mich ist dieser Konflikt (was eigentlich eine recht beschönigendes Wort für einen blutigen Bürgerkrieg ist) ein hervorragendes Beispiel dafür, wie fragil unser „zivilisiertes“ Zusammenleben in Europa nicht nur aktuell ist, sondern schon immer war, auch in Zeiten von Wohlstand und „relativem“ Frieden. Dieser Roman versetzt einen direkt zurück in eine Zeit, wo Nachbarn sich wegen ihrer Religionszugehörigkeit misstrauisch beäugten, verprügelten oder gar töteten. Wo Repressalien, willkürliche Kontrollen und Bombenattentate an der Tagesordnung waren und man am Besten vor dem Einsteigen immer unters Auto schaute. 

Im Roman bleibt dieser Konflikt immer präsent, aber trotzdem erstmal im Hintergrund. Im Mittelpunkt steht Cushlas Gefühlsleben, ihr schwieriges Zusammenleben mit der Mutter, ihr emotionales Engagement als Lehrerin und ihr turbulentes Liebesleben, in dem sie versucht sich mit ihrer Rolle als Geliebte moralisch zu arrangieren. Im Mittelteil fand ich den Roman vom Erzähltempo teilweise etwas langsam, doch das Ende macht dann alles wieder wett, die Geschichte entwickelt sich zu einem Höhepunkt der mitreissend und tragisch und richtig stark ist. Insgesamt deswegen für mich ein sehr bewegendes Buch mit authentischen Charakteren.