Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „You’d Be Home Now“ von Kathleen Glasgow

„You’d Be Home Now“ von Kathleen Glasgow ist ein Young Adult Roman dessen zentrales Thema etwas ernsthafter und dramatischer ist als es sonst oft der Fall ist. Schon das Cover – verziert mit einigen Pillen – lässt erraten worum es geht: Drogensucht bei Teenagern und die generelle Drogen-/Opiodkrise in den USA (deren Ausmaße für uns in Deutschland trotz vieler Filme und Berichte darüber finde ich immer noch schwer vorstellbar ist).
Hauptperson des Buches ist die Jugendliche Emory, die in ihrer Familie nach eigenem Gefühl ein Schattendasein führt. Ihre ältere Schwester Maddie ist schön, erfolgreich und selbstbewusst. Ihr Bruder Joey dagegen ist das Schwarze Schaf der Familie: drogensüchtig und am Anfang des Buches gerade in der Entzugsklinik gelandet, nachdem sein ebenfalls drogensüchtiger Freund Luther einen Autounfall verursacht hat, bei dem Emory sich schwer am Knie verletzte und eine andere Schulkameradin sogar ums Leben kam.
Emory fällt in ihrer Familie weder positiv noch negativ besonders auf und fühlt sich in ihrer Familie deswegen nicht wohl, auch die super kritische und extrem kontrollierende Mutter (die ihren Kindern sogar den Umgang mit Freunden verbietet oder erlaubt) macht das Familienleben nicht gerade angenehm. Emorys Rebellionen geschehen ganz heimlich, ansonsten hat sie es sich zur Aufgabe gemacht die Auswirkungen der Suchtprobleme ihres Bruders möglichst erfolgreich zu vertuschen, auch wenn sie alles damit natürlich nur noch schlimmer macht…

Die Geschichte wird in der Ich-Form aus Sicht von Emory erzählt und beim Hörbuch sehr gut und für eine Teenagerstimme glaubwürdig und sympathisch von Nora Schulte gelesen. Generell höre ich am Liebsten Hörbücher die sehr dynamisch sind und viele Dialoge enthalten, aber Nora Schulte hat es geschafft, dass mich auch dieses aus Sicht einer Person erzählte Hörbuch durchgehend gefesselt hat.

Das Buch an sich hat mir auch gut gefallen. Joeys Drogensucht und die Auswirkungen auf seine Familie wird soweit ich es beurteilen kann realistisch und nicht romantisiert erzählt und das Buch hebt sich von den typischen Young Adult Roman durch seine Thematik ab. Kleinere Schwächen gab es aus meiner Sicht auch: handlungstechnisch passiert in dem Roman gar nicht sooo viel, dafür werden viele verschiedene Teenie-Themen aufgegriffen, das wirkt vielleicht minimal überladen. Trotzdem hat mir das Buch wirklich gut gefallen und wer sich an das Thema heranwagen will, erhält auf jeden Fall ein sehr gelungenes Hörbuch.

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Buch-Tipp: „Der Lärm des Lebens“ von Jörg Hartmann

Jörg Hartmann kenne ich bisher vor allem als Schauspieler, z.B. als Kommissar Faber im Tatort, aber auch aus vielen anderen Produktionen. Sein Buch „Der Lärm des Lebens“ hat mich angesprochen, da ich sehr gerne autobiografische Bücher lese und ihn auch als Schauspieler sehr interessant finde. Das Buch hat mich dann auch zu 100% überzeugt. Es handelt sich dabei nicht um eine klassisch chronologisch aufgebaute Autobiografie, die das gesamte Leben schildert, stattdessen stehen 2-3 Zeiträume im Leben des Autors im Mittelpunkt, garniert mit einigen Erinnerungen an die frühere Vergangenenheit seiner Familie (bis zurück in die Nazizeit). Die Episoden werden dabei vor allem am Anfang des Buches zeitlich abwechselnd erzählt: einerseits begleitet man Jörg Hartmann durch die schwere Zeit, als er seinen demenzkranken Vater verlor (die Kapitel sind entsprechend auch sehr reflektiert), als recht starker Kontrast erzählt er dazwischen immer aus einer Zeit ganz am Anfang seiner Karriere: gemeinsam mit einem Kommilitonen von der Schauspielschule in Stuttgart möchte Jörg Hartmann es unbedingt an die Schaubühne Berlin schaffen und die kritische Regisseurin Andrea Breth beeindrucken. Hier erlebt man als Leser:in einen jungen, ehrgeizigen, etwas naiven Mann, der noch weit von späterer Reflektion entfernt ist. Mir hat gerade dieser Gegensatz in der Erzählweise ganz hervorragend gefallen.

Die letzten Kapitel des Buches behandeln dann eher die jüngere Vergangenheit, inklusive der Corona-Krise und die (ja immensen) Auswirkungen auf einen Theater-Schauspieler. Im ganzen Buch hält Jörg Hartman übrigens auch nicht mit den negativen Seiten des Berufs Schauspieler (ständiges Reisen und Vernachlässigung von Familie und Schwierigkeiten hier die richtigen Prioritäten zu setzen) hinter dem Berg, ein durchaus ambivalentes Verhältnis zum Beruf ist hier zu spüren.

So gut wie gar nicht Thema im Buch ist übrigens Hartmann Film- und Fernsehkarriere, dieser Aspekt seiner Karriere bleibt mehr oder weniger außen vor.

Insgesamt ein sehr interessantes, berührendes, humorvolles und reflektiertes Buch, das auch sprachlich sehr gelungen ist.

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Buch-Tipp: „Hallo, du Schöne“ von Ann Napolitano

„Hallo, du Schöne“ von Ann Napolitano ist eine bewegende Familiengeschichte, die mich mit sehr viel Tiefgang positiv überrascht hat. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen vier Schwestern aus der italienisch-stämmigen Familie Padovano in den USA: Julia, Sylvie und die jüngeren Zwillinge Emeline und Cecilia, sowie William, ein Einzelkind, der aus einer durch einen Schicksalsschlag gebeutelten Familie stammt. Nachdem seine Schwester im Kleinkindalter verstarb, hatten seine Eltern für ihn keine Liebe mehr übrig. Williams einziger Halt ist der Basketball, in dem er dank seiner Körpergröße brilliert, doch Verletzungen hindern ihn daran, eine ernsthafte Sportler-Karriere zu machen. Als William am College Julia Padovano kennenlernt, wirkt die eng verbundene italienische Großfamilie mit den 4 Töchtern, sowie den Eltern Charlie und Rose fast überwältigend für ihn. Trotz Spannungen zwischen den beiden Eltern wirkt die Familie unzertrennlich. Als William und Julia heiraten, wird William offen in die Familie aufgenommen, eigentlich könnte alles perfekt werden. Doch das Glück währt nicht lange…

Ab ca. diesem Punkt der Geschichte hat mich der Roman wirklich positiv überrascht, hatte ich doch etwas Sorge, dass das Buch eine etwas kitschige klischeehafte Familiengeschichte werden könnte. Doch schnell zeigt sich, dass auch die „perfekte“ italienische Großfamilie ein sehr wackliges Fundament hat. Schneller als man denken kann, zerfällt alles und William und die Padovano Schwestern müssen alle auf ihre eigene Weise versuchen ihr Leben und ihre Beziehungen zueinander wieder in den Griff zu bekommen. Dabei wachsen einem alle Charaktere auf ihre sehr unterschiedlichen Arten und Weisen ans Herz und die großen Themen wie mentale Gesundheit, Eifersucht, Vergebung und Verlust werden in einer sehr poetischen und wunderschönen Sprache geschildert. Ein wirklich sehr empfehlenswertes Buch für jeden der sich gern in komplexen Familiengeschichten vertieft.

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Buch-Tipp: „Deine Margot“ von Meri Valkama

„Deine Margot“ von Meri Valkama hat wegen des außergewöhnlichen Settings mein Interesse geweckt. Das Buch spielt überwiegend in den 1980er Jahren in Ostberlin und schildert das Leben in den letzten Jahren der ehemaligen DDR aus der Sicht der Familie eines finnischen Auslandskorrespondenten. Die Autorin hat selbst als Kind in Ostberlin gelebt, so dass ich davon ausgehe, dass eigene Erfahrungen in das Buch eingeflossen sind.

Zur Geschichte: Im Jahr 2011 findet Silja nach dem Tod ihres Vaters einen Briefwechsel, aus dem klar wird, dass ihr Vater in Ostberlin eine Geliebte hatte, die sich noch dazu offenbar sehr mit Silja als Kleinkind verbunden fühlte. Doch Silja, die damals ca 3 oder 4 Jahre alt war kann sich an die Frau überhaupt nicht erinnern. Auf der Suche nach mehr Wahrheit über ihre Kindheit und ihre Familie (die vor dem Tod des Vaters längst zerbrochen war) reist sie nach Ostberlin, mit dem Ziel mehr über das Leben ihres Vaters und seine damalige Geliebte herauszufinden. Und das obwohl sie nicht mal ihren Namen kennt, denn im Briefwechsel schrieben ihr Vater und seine Geliebte sich unter den Decknamen Margot und Erich (natürlich angelehnt an die Honeckers).
Trotz der schwierigen Ausgangslage ist Siljas Recherche mit der Hilfe einer alten Freundin ihrer Mutter Rosa auf einem guten Weg, doch bald muss sich Silja fragen, ob sie wirklich alles über das Leben ihrer Eltern in der DDR wissen möchte.

Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und auf verschiedenen Zeitebenen. Während die Leser:innen im Jahr 2011 mit Silja in der Vergangenheit wühlen, erfährt man in Rückblenden wie Siljas Eltern, Markus und Rosa, das gemeinsame Leben in der DDR empfunden haben. Dabei ist das Kernthema des Buches sicherlich die Entfremdung der Familienmitglieder und die Zerrissenheit und Unzufriedenheit der Eltern. Gleichzeitig erlebt man auch die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche als Leser:in hautnah mit und auch Siljas Entwicklung und Privatleben in in der Gegenwart wird einfühlsam geschildert. Das Buch ist dabei sehr authentisch, poetisch und etwas melancholisch, aber nie hoffnungslos. Ein sehr dichter und beeindruckender Familien- und Gesellschaftsroman.

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Krimi-Tipp: „Spiel der Lügner“ von Clare Mackintosh

Spiel der Lügner“ von Clare Mackintosh ist der 2. Band der Krimireihe rund um die walisische Ermittlerin Ffion Morgan. Genau wie der Teil (den ich auch gelesen habe) spielt das Geschehen in dem kleinen Heimatort von Ffion, der in den walisischen Bergen direkt an der Grenze zu England liegt. In der kleinen Feriensiedlung am See (die schon im ersten Teil Ort des mörderischen Geschehens war) wird eine neue Reality TV Serie gedreht, bei der sogar Ffions Postbotin Ceri eine der Teilnehmerinnen ist. Doch die Dreharbeiten laufen schnell aus dem Ruder, einer der Teilnehmer verschwindet und Ffion versucht gemeinsam mit ihrem englischen Kollegen Leo Brady und der neuen Kollegin Georgina dahinter zu kommen, welche Geheimnisse dazu führten, dass die Reality Show brandgefährlich wurde.

Obwohl das Setup des 2. Bandes dem ersten durchaus ziemlich ähnelte und auch die Charaktere zu einem nicht unerheblichen Teil die gleichen waren wie im ersten Krimi, tappte das Buch tatsächlich nicht in die Falle zu repetitiv und unkreativ zu wirken. Im Gegenteil, insgesamt gefiel mir der 2. Band sogar besser als der erste. Die Autorin scheint ihren Stil gefunden zu haben, die Weiterentwicklung der Charaktere ist glaubwürdig und wirkt authentisch, auch Georgina hat mir als neue Kommissarin gut gefallen. Das Verhältnis von Privatkram (natürlich steht Ffions komplizierte Liebes-/Nicht-Liebesbeziehung zu Leo Brady wieder im Fokus) und Krimihandlung ist ausgewogen und auch der Kriminalfall an sich ist gelungen und gut umgesetzt.

Ich empfehle den Krimi für alle die auf der Suche nach eher leichten und unterhaltsamen Krimi-Kost sind und ein landschaftliches Setting in Großbritannien suchen, das noch nicht in vielen Krimi-Reihen im Mittelpunkt steht.

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Buch-Tipp: „Yoga Town“ von Daniel Speck

„Yoga Town“ von Daniel Speck hat mich als Yoga-Begeisterte natürlich schon allein vom Titel her angesprochen. Von den anderen Büchern des Autors habe ich zwar schon gehört, aber noch keines gelesen. Bei „Yoga Town“ wusste ich rein von der Beschreibung her nicht genau was mich erwartet, war dann aber auf jeden Fall positiv überrascht. Die Yogalehrerin Lucy aus Berlin befindet sich am Anfang des Buches in einer schwierigen Phase, sie hat sich von ihrem Lebenspartner getrennt, schläft übergangsweise im Yogastudio und hadert mit ihrer eigenen Spiritualität. Genau in diesem Moment taucht ihr Vater Lou auf, der sich Sorgen um Corinna, Lucys Mutter und seine Ex-Frau macht, denn die scheint verschwunden zu sein. Gemeinsam finden die beiden heraus, dass Corinna wohl nach Rishikesh gereist ist, der spirituellen Metropole der Hippie Bewegung. Schon 1968 waren Lou und Corinna dort und Lucy kennt die Geschichten von damals nur romantisiert und ausgeschmückt von Lou: zusammen mit den Beatles und anderen Promis verbrachten er, sein Bruder Marc, Corinna und Lous damalige Freundin Marie längere Zeit in einem Ashram mit dem Meditations-Guru Maharishi und versuchen sich an der transzendentalen Meditation. Lucy weiß, dass Lous Bruder Marc auf dieser Reise verstorben ist und dass sie selbst damals dort gezeugt wurde, doch über Genaueres hielten sich Lou und Corinna immer bedeckt. Lucy ahnt intuitiv, dass sie nie die ganze Wahrheit über diese Zeit erfahren hat. Ist Corinna deswegen nach Indien gefahren, um mit der Vergangenheit ihren Frieden zu machen? Lucy und Lou machen sich auf die Suche nach ihr und reisen ebenfalls nach Indien.

Das Buch ist sehr komplex und vielschichtig und deswegen auch schwierig einfach nur kurz zusammen zu fassen und auf den Punkt zu bringen. Die Geschichte wird in parallelen Zeitsträngen erzählt, die aktuellen Geschehnisse in 2019 und die Reise auf dem Hippie Trail von Marc, Corinna, Lou und Marie in 1968, wobei der Teil in der Vergangenheit etwas mehr Raum einnimmt (zumindest wirkte es beim Lesen auf mich so). Dabei wurde mir (1979 geboren) erst mit der Zeit klar, dass die Geschehnisse rund um die Beatles in Rishikesh mehr oder weniger auf tatsächlichen Begebenheiten beruhen (was ich nebenher recherchiert habe und so auch noch mehr über die Entstehung von Beatles Songs wie „Dear Prudence“ und „Sexie Sadie“ erfuhr), die Verflechtungen zu den Hauptcharakteren des Buches sind natürlich fiktional, aber so clever gemacht, dass es immer so wirkt als hätte alles wirklich so passiert sein können. Man fiebert mit den Protagonisten des Romans mit, damals und heute, die alle nicht perfekt sind, aber alle menschlich, alle auf der Suche nach sich selbst und miteinander verwoben, auf eine Art und Weise, die sich Schicht für Schicht aufdeckt. Insgesamt ein Buch, dass sich für alle Menschen empfiehlt, die die Hippie Zeit miterlebt haben, für Beatles Fans, für Yoga-Fans, für Meditationsinteressierte, aber auch für alle die gerne Familiengeschichten und Generationenromane lesen und mehr über eine spannende Zeit der Vergangenheit lernen möchte. Für mich bot das Buch viel Spannendes und Neues und aktuell höre ich noch die zum Buch gehörende Playlist, die auf den bekannten Streaming Plattformen abgerufen werden kann und kann so noch weiter in die Musik aus dieser Zeit eintauchen.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Eine Idee von Mord“ von Anne Holt

„Eine Idee von Mord“ von Anne Holt ist schon der 3. Krimi in der Reihe rund um die eigenwillige Ermittlerin Selma Falck. Da ich schon die ersten beiden Teile als Hörbuch gehört habe und wissen wollen wie es mit Selma weiter geht, habe ich mich auch beim dritten Band für das Hörbuch entschieden.

Zum Buch: gerade hat sich Selma Falck von den lebensbedrohenden Strapazen ihres letzten Falles erholt, schon scheint sie wieder zur Zielscheibe zu werden. Während sie mit 2 Freundinnen in einem Cafe sitzt, wird sie von einem Streifschuss an der Schulter getroffen, dieser tötet ihre Freundin Linda, die neben ihr saß. Diese ist Parlamentsabgeordnete und nicht nur Selma fragt sich: war sie das eigentliche Ziel des Attentats oder sollte es tatsächlich Linda treffen? Doch als bald darauf noch andere Morde geschehen, wird schnell klar, dass dieser Fall deutlich komplexer und undurchsichtiger ist als zunächst angenommen.

Insgesamt hat mir auch dieser Band wieder gefallen und da mir die Hauptcharaktere, vor allem Selma und ihr Bekannter Einar trotz oder wegen der zahlreichen Ecken und Kanten ans Herz gewachsen sind, werde ich bei der Reihe sicherlich dabei bleiben. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich den Fall diesmal etwas langatmig fand, was meiner Meinung auch daran lag, dass neben dem Journalisten Lars Winter noch weitere Charaktere hinzu kamen, die scheinbar ähnliche Funktionen im Buch ausführten und dadurch etwas austauschbar wirkten. Trotzdem wieder ein kreativer und vielschichtiger Krimi.

Gelesen wird das Buch wie immer von Katja Bürkle, die einen guten Job macht, vor allem gefällt mir wie sehr sich die verschiedenen gelesenen Charaktere voneinander unterscheiden und dass auch die Männerstimmen von ihr immer authentisch und glaubwürdig klingen. Ein wenig mehr Dynamik würde mir eventuell trotzdem sogar noch etwas besser gefallen, allerdings liegt die fehlende Dynamik vermutlich weniger an der Sprecherin, sondern mehr daran, dass die  Selma Falck Krimis von Anne Holt generell sehr ausufernd geschrieben sind. Etwas mehr straffen könnte man die Bücher meiner Meinung nach, ohne dass Qualität verloren ginge.

Bücher

Buch-Tipp: „Die Privilegierten“ von Thomas von Steinaecker

„Die Privilegierten“ von Thomas von Steinaecker ist ein klassischer Gesellschaftsroman, mit einem interessanten Einstieg: wir lernen Bastian Klecka kennen, über den am Anfang des Buches nur bekannt ist, dass er in der norwegischen Einöde in einer Hütte als Selbstversorger ums Überleben kämpft und so langsam anfängt seine Sprache und seinen klaren Verstand zu verlieren.
Warum er dort ist und wie er dort hin gelangte erfährt man als Leser:in erstmal nicht.
Stattdessen springt der Roman zurück in Bastians Kindheit, in ein kleines Dort in den 1980ern oder 1990ern, in dem Bastian bei seinem Großvater aufwächst, nachdem seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Der Teil über Bastians Kindheit liest sich dabei wie ein typischer Coming-of-Age Roman, in dem die Themen Freundschaft und Erwachsen werden im Mittelpunkt stehen und die den meisten Leuten, die in einer ähnlichen Zeit aufgewachsen sind wohl ein Gefühl von Nostalgie vermitteln werden. Ein umso stärkerer Bruch wird die Entwicklung des Romans, wenn er sich in Richtung Gegenwart und zuletzt die Zukunft bewegt, Bastians Streben nach beruflichem und familiären Glück wird zunehmend frenetischer und fragiler, während gleichzeitig auch die Welt und die in Deutschland gewohnte Sicherheit zu zerfallen scheint, ein Gefühl das vielen Menschen heute wohl bekannt vorkommen dürfte. Und letztendlich muss Bastian feststellen, dass selbst sein scheinbar perfekter Sohn keine Garantie für Harmonie und Selbstverwirklichung darstellt.

Insgesamt fand ich „Die Privilegierten“ sowohl unterhaltsam als auch interessant und relevant und zum Nachdenken anregend, ein intelligenter Roman über die Herausforderungen und Privilegien der „typischen“ Deutschen meiner Generation. Zudem ist der ganze Roman mit einem subtilen ironischen Humor durchsetzt, der ihn für mich besonders vergnüglich gemacht hat.

Trotzdem gibt es auch kleinere Kritikpunkte, einige Stilmittel fand ich etwas zu betont als überfrachtetes Stilmittel erkennbar (Stichwort: Katze), da wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen. Trotzdem ein sehr beeindruckender Roman.

Hörbuch

Hörspiel-Tipp: „Momo“ von Michael Ende (Neuerscheinung zum Jubiläum)

Heute möchte ich ein ganz besonderes Hörbuch oder besser Hörspiel vorstellen. Zum 50. Geburtstag des Buches „Momo“ von Michael Ende wurde eine neue Hörspiel Version herausgegeben und diese hat mich wirklich rundum begeistert. Ein Fan von Michael Ende bin ich schon immer, doch Momo habe ich schon lange nicht mehr gelesen und in Erinnerung geblieben war mir vor allem Radost Bokel in ihrer Rolle aus der TV-Verfilmung, die wohl die meisten Menschen meines Alters (Jahrgang 1979) mit der „Momo“ assoziieren. Beim Hören des Hörspiels wurde mir schnell klar, dass ich weite Teile der Geschichte vergessen hatte, was das Anhören um so Spannender machte. Vor allem fand ich faszinierend wie aktuell und zeitlos die 50 Jahre alte Geschichte immer noch ist, als wäre sie gerade für die heutige Zeit geschrieben.

Sogar noch mehr als die Geschichte hat mich aber die wirklich unheimlich liebevolle und zauberhafte Umsetzung des Hörspiels überzeugt, es fällt mir wirklich schwer etwas zu finden beziehungsweise es ist tatsächlich unmöglich etwas zu finden, das man hätte besser machen können. Die Sprecher sind alle zu 100% überzeugend und passen zu ihren Rollen und die junge Paula Drescher liest die Momo wirklich hervorragend, authentisch und warmherzig. Auch ganz großartig fand ich wie die grauen Herren gesprochen wurde (für kleinere Kinder könnte das durchaus manchmal etwas gruselig sein). Abgerundet wird das ganze Erlebnis durch die großartige musikalische Untermalung, es kommen nicht übermäßig viele Lieder in der Geschichte vor und diese sind sehr kurz, doch definitiv wirklich eine Bereicherung. Für mich ein absolutes Highlight und sicherlich das Beste das ich im Jahr 2023 bisher gehört habe.

Bücher

Buch-Tipp: „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger

Der österreichische Roman „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger ist ein weiteres Buch, dass dieses Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert ist und es sogar auf die Shortlist geschafft hat (die Bekanntgabe des Gewinners hat zum Zeitpunkt dieser Rezension noch nicht statt gefunden). Schauplatz des Buches ist ein Wiener Elite Gymnasium,  das Marianum,  Protagonist der Geschichte ist der junge Till Konkorda, dessen Schulzeit im Roman über einige Jahre hinweg geschildert wird.

Till ist weder ein besonders guter Schüler, noch bei seinem Mitschülern besonders beliebt, er hat nur ein geheimes Talent, er spielt leidenschaftlich gerne und dadurch auch irgendwann hoch erfolgreich das Online-Strategiespiel Age of Empires 2. Während er über die Jahre hinweg zwar in diesem nerdigen Kosmos zu einer kleinen Internet-Berühmtheit aufsteigt, hat er in der Schule ganz andere Probleme: ausgerechnet in der Klasse des despotischen, autoritären und exzentrischen Lehrers Dolinar ist Till gelandet. Während alle anderen Klassen ein halbwegs normales Leben mit einer normalen Balance zwischen Freizeit und Schule führen können, duldet der Dolinar keine weltlichen Ablenkungen vom Lernen und tyrannisiert seine Schüler täglich, der Best Case ist wenn man es schafft von ihm möglichst wenig beachtet zu werden, was Till leider nur am Anfang seiner Schulkarriere gelingt.

So begleiten wir als Leser:innen Till durch seine Schulzeit bis hin zum Abschluss im Jahre 2020 und verarbeiten mit ihm so einige Themen, die erste Liebe, den Verlust des Vater, die Höhen und Tiefen des Schulalltags und sein merkwürdiges Doppelleben zwischen mittelmäßigen Schüler und Internet-Gaming-Genie.  

Die große Genialität und Unterhaltsamkeit des Romanes lag für mich dabei definitiv in seiner Sprache, die in manchen Fällen dermaßen pointiert, witzig und raffiniert Gesellschaftskritik enthält, dass ich einige Passagen direkt nach dem Lesen nochmal ein zweites Mal lesen musste, etwas das mir wirklich so gut wie niemals passiert. Aber auch Till wächst einem ans Herz und das Schulleben liest sich immer unterhaltsam, obwohl gar nicht so viele wirklich außergewöhnliche Dinge passieren.

Für mich definitiv eines der besten Bücher des Jahres, das die Nominierung für den Buchpreis absolut verdient hat. Möchte man etwas kritisieren, könnte ich mir vorstellen, dass die längeren Ausführung über Gaming-Themen vielleicht etwas schwer verständlich sein können wenn man mit dem Thema nicht sehr vertraut ist.