Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Julia und der Hai“ von Kiran Millwood Hargrave

„Julia und der Hai“ ist ein Kinderbuch von Kiran Millwood Hargrave, das ich mir als Hörbuch angehört habe. Empfohlen wird der Roman ab 10 Jahre, ich kann aber definitiv sagen, dass das Buch auch für Erwachsene absolut hörens- oder lesenswert ist. Julia zieht mit ihrer Familie für ein paar Monate in einen Leuchtturm auf den Shetland Inseln. Mit dabei der Vater, der Informatiker ist und am Leuchtturm etwas digitalisieren soll, die Mutter, die als Meeresbiologin arbeitet und für eine neuartige Forschung unbedingt einen Grönland-Hai finden will, sowie die Katze „Nudel“. Julia bewundert ihre Mutter sehr, die mit Leidenschaft für ihren Beruf brennt, allerdings noch auf die notwendige Finanzierung für ihre aktuelle experimentelle Forschung wartet.

Das Buch beginnt sehr positiv und liebenswert, Julias Familie streitet zwar auch mal, doch beide Eltern lieben Julia und das Familienleben ist von Offenheit und Humor geprägt. Julia ist zwar nicht begeistert davon monatelang in einem Leuchtturm zu leben, ohne Kontakt zu ihren üblichen Freunden, aber immerhin lernt sie im nahegelegenen Dorf den Jungen Kin kennen, so dass die Aussicht auf einen schönen Sommer plötzlich gar nicht mehr so schlecht scheint. Doch Kin hat Probleme mit einigen Jungen im Dorf und die Suche nach dem Grönland-Hai zeigt nach anfänglicher Euphorie auch keine Fortschritte. Schleichend verändert sich die Stimmung im Leuchtturm und Julias Leben wird zunehmend von Unsicherheit geprägt.

Die Geschichte behandelt für ein Kinderbuch so einige schwierige Themen, Mobbing, mentale Gesundheit und die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens. Julia ist ein spannender Charakter, so ist sie kein einfaches, rundum gutes und liebeswertes Kind, sie hat selbst Ecken und Kanten. Das Thema Mobbing wird in dem Buch sehr vielschichtig und nicht klischeehaft behandelt und auch die Geschichte um Julias Mutter ist außergewöhnlich und insgesamt hat mir das Buch wirklich gut gefallen, das zudem von Birte Schnöink sehr einfühlsam aus Sicht von Julia gelesen wird.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Roxy“ von Johann von Bülow

Johann von Bülow kenne ich als Schauspieler aus zahlreichen Deutschen Film- und Fernsehproduktionen. „Roxy“ ist sein Debütroman und der Roman hat mich mit seinem auffälligen Cover und dem Klappentext gleich angesprochen. Außerdem habe ich mit Hörbüchern, die von Schauspielern gelesen werden bisher immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Und dabei enttäuscht auch Johann von Bülow nicht, er liest ausdrucksstark und kraftvoll und erweckt das Buch von der ersten Seite an zum Leben. Im Zentrum des Buches steht Marc, der auf dem Weg zur Beerdigung seines ehemals besten Freundes Roy ist. Während der Autofahrt zurück nach München lässt er sein Leben und seine Freundschaft mit Roy (der eigentlich Robert heisst) Revue passieren und nimmt die Hörer:innen mit in sein Erwachsen werden, dem Beginn seiner Karriere als Schauspieler und seine komplizierte Freundschafts-Beziehung zu Roy, die von viel Eifersucht und Unsicherheit geprägt war.

Der Anfang des Buches hat mir besonders gut gefallen, als Marcs frühe Kindheit als „Zugezogener“ in München geschildert wird, mit viel Humor und bayerischem Dialekt. Auch die Freundschaft mit Roy beginnt zu dieser Zeit. Leider kann das Buch im Mittelteil das Mitreissende vom Anfang nicht ganz behalten, auch die humorvollen Momente nehmen ab, als Marc älter und unsicherer wird. Immer steht er ein bisschen im Schatten von Roy und seinen anderen Freunden, weiß nicht so recht was er will, ganz anders als der arrogante und sehr von sich überzeugte Roy. Auf einem Trip mit den Kumpels nach Barcelona lernt Marc eine attraktive Fremde kennen, Carolin, von der er eine Weile geradezu besessen ist, auch wenn nichts daraus wird, da Marc viel zu schüchtern ist, um sie richtig kennen zu lernen. Als junger Theater-Schauspieler in Wiesbaden trifft er Carolin wieder. Kann er sie diesmal für sich gewinnen?

Für mich waren der Anfang und der letzte Teil des Hörbuches am Stärksten, wo das Buch sich wirklich auf die Beziehungen von Marc konzentriert. Der Teil wo die Jugend und jungen Erwachsenenjahre beschrieben wird, hatte für mich ein paar Längen. Trotzdem hat mir die Geschichte (von der auch eine Teile autobiografisch angehaucht sein dürften?) und auch das Hörbuch insgesamt sehr gut gefallen. 

Bücher

Buch-Tipp: „The Shards“ von Bret Easton Ellis

„The Shards“ von Bret Easton Ellis habe ich mir zum Lesen ausgesucht, da die Beschreibung sehr interessant klang und der Autor seit „American Psycho“ wohl den meisten Leser:innen ein Begriff sein dürfte. Allerdings hatte ich im Vorfeld schon einige eher durchwachsene Rezensionen gelesen, was bei mir aber den Eindruck erweckte, dass einige Leser:innen mit falschen Erwartungen an das Buch herangegangen sind. Einen klassischen Psychothriller darf man dabei nämlich sicher nicht erwarten. Das Buch ist sehr dick und Bret Easton Ellis generell nicht gerade für leichte Kost bekannt.
Zum Buch: der junge Bret geht in den 1980’er Jahren in Los Angeles auf die private Buckley School. Seine Freunde und er stammen aus privilegierten Elternhäusern. Geld, Drogen, Autos und viel Freiheit stehen im Überfluss zur Verfügung. Bret wohnt aktuell sogar alleine in der Villa seiner Eltern, da diese sich auf einem mehrmonatigen Europa-Trip befinden. Nach einem unbeschwerten Sommer geht das Abschlussschuljahr der Freundes-Clique los und gleichzeitig mit dem Beginn der düsteren Jahreszeit scheint sich auch sonst in Los Angeles Einiges zu verdüstern: eine merkwürdige esoterische Sekte terrorisiert die Stadt und ein Serienmörder tötet und misshandelt junge Frauen. Auch in Brets Jahrgangsstufe gibt es eine Veränderung, ein neuer Schüler – Robert – stößt dazu und von Anfang an ist Bret fasziniert von dem gutaussehenden Jungen, findet ihn einerseits anziehend und attraktiv und andererseits verstörend…schnell ist Bret überzeugt, dass Robert etwas mit den Morden zu tun hat und er hat das Gefühl ihn als Einziger zu durchschauen.

Wer nun anhand dieser Beschreibung einen Sebastian Fitzek mäßigen Thriller erwartet, könnte nicht falscher liegen. Das Buch ist nämlich sehr ausschweifend und beschäftigt sich eigentlich nur am Rande mit dem Serienmörder, sehr viel intensiver mit Bret und deswegen zahlreichen Problemen. Bret ist schwul und versucht nach außen hin die Rolle des heterosexuellen aktiven aufmerksamen Freundes seiner in der High School beliebten Freundin zu spielen, während er trotzdem versucht seine Schwärmereien und homosexuellen Bedürfnisse heimlich auszuleben. Dabei verstrickt er sich immer mehr in seiner Besessenheit mit Robert, doch sind seine Vorstellungen und Verdächtigen real oder findet alles nur in seinem Kopf statt? Ist Robert wirklich so gestört wie Bret es empfindet? Und warum interessiert sich außer ihm niemand für die Geschehnisse?

Ich fand das Buch sehr außergewöhnlich und durchaus sehr herausragend, wenn man sich von dem weitschweifenden Stil und den vielen Beschreibungen von Musik, Filmen und Popkultur nicht abschrecken lässt. Dem Autor geht es mit dem Buch sicher auch darum ein bestimmtes Lebensgefühl und eine bestimmte Zeit zu beschreiben, was ihm hervorragend gelingt. Gleichzeitig werden die Leser:innen mit in Brets Kopf genommen und zweifeln eigentlich selbst die ganze Zeit an der Frage wem man in dem Buch eigentlich glauben kann. Das Buch hat eigentlich viele Themen, Selbstfindung, Erwachsen werden, der Umgang mit der eigenen Sexualität in einer Zeit wo ein Coming-Out noch undenkbar war, Verlustängste, Eifersucht und Einsamkeit. Ich vermute dieses Buch kann man nur entweder weglegen oder genial finden, einen Effekt den Bret Easton Ellis bisher wohl mit fast allen seiner Bücher bewirkte. Ich gehöre definitiv zu den Leuten, die er damit abgeholt hat und es hat in mir auch die Lust geweckt einige seiner älteren Bücher zu lesen (und „American Psycho“ ein zweites Mal). Ein Buch das man jedem empfehlen kann, ist es aber sicherlich nicht. Für mich definitiv ein Meisterwerk.

Bücher

Krimi-Tipp: „Kuckuckskinder“ von Camilla Läckberg

„Kuckuckskinder“ von Camilla Läckberg ist bereits der 11. Krimi aus der Reihe mit der „Ermittlerin“ Erica Falck. Ermittlerin in Anführungszeichen, den eigentlich ist Erica keine Polizisten, sondern Schriftstellerin, die Romane über wahre Kriminalfälle schreibt, während ihr Mann Patrick tatsächlich Kriminalpolizist ist. Ich habe schon mehrere Bücher aus der Reihe gelesen, allerdings ist das schon länger her, weswegen ich erstmal ein paar Schwierigkeiten hatte mich an die vielen Charaktere aus der Krimi-Reihe und ihre Familienverhältnisse zu erinnern. Das tat dem Lesevergnügen allerdings keinen Abbruch, denn der tatsächliche Kriminalfall ist sehr interessant: Der beliebte und renommierte Autor Henning Bauer steht zu Beginn des Buches davor sein Lebenswerk zu krönen. Nicht nur feiert er gerade im Kreise von Familie und Freunden Goldene Hochzeit, auch der Literaturnobelpreis erscheint in greifbarer Nähe. Doch dann erschüttern schreckliche Ereignisse sein Leben, ein guter Freund aus der Kulturszene wird ermordert und kurz drauf folgt noch ein viel grausamerer Mord. Während Ericas Mann Patrick offiziell im Fall ermittelt, wühlt Erica in einem rätselhaften Mord aus den 80er Jahren. Hat die Vergangenheit der Freundes-Clique etwas mit den Ereignissen zu tun?

Camilla Läckberg ist vom Stil sicherlich ein Gegenentwurf zu anderen skandinavischen Reihen, die ja oftmals (Wallander lässt grüßen) eher ruhig und melancholisch daher kommen, mit eher depressiven Ermittlern, die nicht viel Glück im Leben hatten. Camilla Läckbergs Romane erinnern mich im Stil eher an die Krimis von Nele Neuhaus und die Ermittler haben alle ein volles lautes Privatleben und eine ziemlich unübersichtliche Anzahl an Kindern. Also eine gute Abwechslung zu anderen Skandinavien-Krimis, wobei der Roman dadurch, dass die Verdächtigen auch sehr zahlreich waren, tatsächlich minimal überfrachtet wirkte. Außerdem ist es natürlich nicht realistisch, dass Erica Falck jahrelang als Privatperson in den gleichen Kriminalfällen mitermittelt wie ihr Mann. Das ist aber wirklich der einzige kleine Kritikpunkt den man an der Reihe finden kann, davon abgesehen ist die Geschichte spannend, original, mitreissend erzählt und ich habe das ganze Buch innerhalb von knapp 3 Tagen verschlungen. Eine absolute Leseempfehlung.

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Buch-Tipp: „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ von Mohamed Mbougar Sarr

„Die geheimste Erinnerung der Menschen“ von Mohamed Mbougar Sarr hat aus mehreren Gründen mein Interesse geweckt. Erstens ist das Cover sehr auffällig und gelungen, zweitens klang der Klappentext interessant und drittens habe ich bisher nur wenige Romane von afrikanisch-stämmigen Autoren gelesen.

Der Ich-Erzähler Diégane ist ein junger Student aus dem Senegal, der in Paris lebt und seinen ersten Roman veröffentlicht hat. Dieser fand zwar ein bisschen Interesse bei Kritikern und in der Literaturszene, aber letztendlich doch nur 79 Käufer. Während Diégane also selbst noch auf der Suche nach seiner eigenen literarischen Stimme ist, wird er auf ein verschollenes Buch aufmerksam, „Das Labyrinth des Unmenschlichen“ von T.C. Elimane, einem verschollenen Kultautor aus dem Senegal, der 1938 dieses eine Buch veröffentlichte. Kurzzeitig wurde er als junges Talent von Manchen gefeiert, von Manchen kritisiert, dann aber aufgrund von Plagiatsvorwürfen und rassistischen Kritiken medial vernichtet bis er untertauchte. Er veröffentlichte niemals mehr etwas und niemand wusste wer überhaupt hinter dem Namen T.C. Elimane steckte und was aus ihm geworden ist. Diégane versucht mehr über den mysteriösen Autor und sein Werk herauszufinden…

Ich war erst etwas skeptisch, ob mir das Buch zu sehr auf einer Metaebene über Literatur handeln würde und ob die Suche nach dem mysteriösen Autor nicht zu viele Fragen offen lassen würden. Allerdings ist das Buch in der Hinsicht doch anders als erwartet, T.C. Elimanes Leben wird doch recht konkret aufgedeckt, durch Erinnerungen von diversen Weggefährten. Dabei ist das Buch aber absolut nicht linear, es springt labyrinthisch zwischen verschiedenen Erzählern, Perspektiven und Zeiten hinterher und behandelt nicht nur T.C. Elimanes eigene Geschichte, sondern auch noch die seiner Eltern und von diversen Menschen, die mit ihm in Kontakt waren und natürlich auch noch das Leben von Diégane. Klingt auf den ersten Blick wirr und überfrachtet, ist es aber nicht. Bis auf einige wenige Male, wo ich einen Moment brauchte mich auf einen neuen Erzähler einzustellen, funktionierte das Buch für mich hervorragend, es ist intensiv, leidenschaftlich, gesellschaftskritisch, kreativ, interessant und mitreissend. Es geht um Rassismus, die Auswirkungen des Kolonialismus auf die Menschen in den kolonialisierten Ländern, um Familie, Herkunft, Kultur und Verzeihen. Für mich ein besonderes Leseereignis.

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Krimi-Tipp: „Verschwiegen“ von Eva Björg Ægisdóttir

Ich bin ein großer Fan von Island-Krimis, zum Beispiel von Yrsa Sigurðardóttir und Arnaldur Indriðason.
Mit Eva Björg Ægisdóttir und ihrem ersten Krimi „Verschwiegen“ rund um die Polizistin Elma taucht ein neues Gesicht in der isländischen Krimilandschaft auf. Ich war sehr gespannt auf den Roman und wurde absolut nicht enttäuscht.

Elma kehrt nach einigen Jahren in Reykjavik nach einem Einschnitt in ihrem Privatleben zurück in ihre Heimatstadt Akranes. Dort soll es eigentlich viel ruhiger zugehen als in Reykjavik, doch schon kurz nach ihrer Rückkehr gibt es eine Leiche. Am alten Leuchtturm der Stadt (den gibt es wirklich als Touristenattraktion) wird eine Frau halb im Meer liegend gefunden und es ist schnell klar, dass ihr Tod kein Unfall war. Relativ schnell findet die Polizei heraus, dass es sich bei der Toten um Elisabet handelt, eine Pilotin, die ihrem Mann gesagt hatte, dass sie zu einer Flugreise aufbricht, sich aber bei der Arbeit krank gemeldet hatte, ohne ihm Bescheid zu sagen. Elma und ihre Kollegen versuchen herauszufinden, was in den Tagen dazwischen passiert ist. Schnell wird klar, dass Elisabet auch in Arkanes aufgewachsen ist, den Ort aber die letzten Jahre konsequent gemieden hat. Hat ihre Vergangenheit etwas mit ihrer Ermordung zu tun?

Der Roman ist ein klassischer Ermittlungskrimi, der in eher ruhigem Erzähltempo erzählt wird, aber nicht ganz so melancholisch daherkommt wie z.B. die Krimis von Arnaldur Indriðason. Dabei gibt es viele verschiedene Erzählperspektiven und verschiedene Zeitebenen. Die Leser:Innen erfahren so nach und nach mehr über Elisabets Kindheit, wie andere Bewohner von Arkanes in die Geschehnisse verflechtet sind und was für Ereignisse der Vergangenheit zu Elisabets brutalem Tod geführt haben. Dabei kommt das Kleinstadtleben auf Island so richtig zum Tragen, fast jeder kennt jeden und auch die Polizisten kennen so einige der in die Geschehnisse verwickelten Personen persönlich, was den Job natürlich nicht einfacher macht.

Der Kriminalfall ist sehr atmosphärisch und das Buch ist für mich ein eher psychologischer Krimi, was mir immer besonders gut gefällt. Nicht Brutalität oder die Tat stehen im Mittelpunkt, sondern die Beziehungen zwischen Menschen und Familien. Auch Elisabet ist als Charakter vielschichtiger als man am Anfang des Buches durch die Rückblicke erwarten würde.

Bleiben noch die Ermittler: Elma hat mir als Hauptcharakter ausnehmend gut gefallen. Ihr Privatleben ist etwas chaotisch und wird thematisiert, aber nicht so sehr, dass der Fall ins Hintertreffen gerät. Ihr junger Kollege Saevar bleibt noch etwas blass, ich kann mir aber vorstellen, dass die Charaktere und Beziehungen der Polizist:innen in weiteren Bänden der Reihe noch mehr entwickelt werden können.

Insgesamt war ich richtig begeistert von dieser neuen Reihe, die aus dem Krimi-Einheitsbrei positiv heraussticht und sich nicht hinter den anderen isländischen Reihen verstecken muss. Sie ist auch gut geeignet für Leser:innen denen Arnaldur Indriðason vom Stil doch etwas zu düster und ruhig ist.

Bücher

Krimi-Tipp: „Die letzte Party“ von Claire Mackintosh

„Die letzte Party“ von Clare Mackintosh ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe. An einem abgelegenen See an der Grenze zwischen Wales und England hat der bekannte Klassik-Sänger Rhys Lloyd gemeinsam mit einem Kumpel eine exklusive Luxus-Ferienanlage neu aufgebaut, auf dem Seegrund, den er von seinem Vater geerbt hat. Er selbst stammt aus dem nahegelegenen Dorf. An Silvester gibt er eine große Party für alle Bewohner der Anlage und auch für die alteingesessenen Bewohner des nahegelegenen Ortes, die der Ferienanlage für reiche Engländer kritisch gegenüber stehen. Doch am Morgen nach der Party wird Rhys Lloyd tot im See gefunden. Der Liverpooler Polizist Leo wird an den Tatort geschickt, wo er peinlicherweise auf seinen One Night Stand aus der Silvesternacht trifft, die Dorfpolizistin Ffion Morgan, die fast alle Besucher der Party und den Ermordeten kannte. Dieser hatte so viele Feinde, dass die Zahl der möglichen Verdächtigen ausgesprochen umfangreich ist. 

Auch wenn der Roman eine für meinen Geschmack eher Thriller-artige Cover-Aufmachung hat, handelt es sich um einen klassischen Ermittlungskrimi, die Polizisten befragen Zeugen, mit der Zeit erfährt man immer mehr über die verschiedenen Personen, die das Luxusressort bewohnen und über Rhys Lloyd Verbindungen zu den Dorfbewohnern und seine Vergangenheit. Die beiden Ermittler Leo und Ffion sind dabei eine interessante und kreative Kombination (auch wenn das Thema „Polizisten-Duo mit privaten Problemen“ in Krimis natürlich etwas ausgelutscht ist). Auch der Kriminalfall ist sehr interessant und komplexer als die Aufmachung des Buches vermuten lässt. Die Geschichte springt in der Zeit zwischen den aktuellen Ermittlungen und den Monaten vor der fatalen Silvesterfeier hin und her, so dass sich nach und nach herauskristallisiert was mit Rhys Lloyd passiert ist und warum so viele Leute etwas gegen ihn hatten. Auch das Setting in Wales und Walisischen Namen geben dem Krimi etwas Besonderes, da ich nach meiner Erinnerung noch keine Krimis gelesen habe, die in Wales spielen. 

Aus diesem Grund hat mir der Krimi insgesamt sehr gut gefallen und ich kann mir gut vorstellen weitere Krimis aus der Reihe zu lesen. 

Bücher

Buch-Tipp: „Unser geteilter Sommer“ von Sophie Hardach

„Unser geteilter Sommer“ von Sophie Hardach befasst sich mit einem Thema der Deutschen Zeitgeschichte, das noch gar nicht so lange her ist, aber mir in der Literatur bisher noch gar nicht begegnet ist. Ella stammt aus Ost-Berlin, lebt aber heute als Künstlerin in England, genau wie ihr jüngerer Bruder. Nach dem Tod der Mutter findet Ella Dokumente, die sie zurück in die Vergangenheit katapultieren, ins Jahr 1987, als Ellas Eltern versuchten mit ihren drei Kindern aus der DDR zu fliehen. Ein schicksalhafter Tag nachdem nichts mehr war wie zuvor. Ellas Mutter landete im DDR-Gefängnis Hohenschönhausen, der Vater verstorben, die beiden älteren Kinder werden von den Großeltern aufgezogen und Ellas jüngster Bruder Heiko wurde der Familie entzogen und adoptiert. Erst nach der Wende kann Ella ihre Mutter wiedersehen. Diese zog mit den beiden älteren Kindern nach Großbritannien, doch nie gab sie die Hoffnung auf herauszufinden was aus Heiko geworden ist. Nach ihrem Tod entschließt sich Ella nach Berlin zu reisen und einen letzten Versuch zu starten.

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen. Einerseits wird Ellas Suche nach der Vergangenheit geschildert, sie spricht mit Behördenvertretern, ehemaligen Mitgefangenen ihrer Mutter und versucht auf jede erdenkliche Weise an Informationen über ihren Bruder Heiko zu kommen. Dabei lernt sie Aaron kennen, der als Praktikant alte Stasi-Akten wieder zusammensetzt und bittet ihn um Hilfe…dieser Teil der Geschichte ist spannend und dass die Geschichte teilweise aus Sicht von Aaron erzählt wird, ergibt ein ganz neuen und sehr interessanten Blickwinkel auf die Stasi-Machenschaften und Stasi-Akten. Diese Idee hat mir ausnehmend gut gefallen.

Außerdem wird die Geschichte der Familie aus Sicht des Kindes Ella im Sommer 1987 erzählt. Ella ist eigentlich ein recht glückliches Kind, das an seinem Leben in der DDR nichts auszusetzen hat. Die Eltern sind Kunsthistoriker und vor allem Ellas Mutter hadert mit den eingeschränkten Möglichkeiten und der eingeschränkten Kunstfreiheit in der DDR, während ihre Mutter – Ellas Großmutter – von den Idealen der DDR zu 100% überzeugt ist. Auch dieser Teil der Geschichte hat mich zu 100% überzeugt, Ellas kindlicher Blick ist voller Leben und Farbe und man fühlt sich direkt in die sehr sympathische Geschichte zurückversetzt.

Insgesamt schafft das Buch den Spagat sowohl spannend und unterhaltsam, aber auch berührend zu sein und diesen Teil der Deutschen Geschichte auf sehr kurzweilige Art und Weise, aber trotzdem tiefgründig zu vermitteln.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Ein notwendiger Tod“ von Anne Holt

„Ein notwendiger Tod“ ist der zweite Teil von Anne Holts neuer Krimireihe rund um die Detektivin Selma Falck. Da ich den ersten Teil schon als Hörbuch gehört habe, habe ich auch beim 2. Teil diese Form gewählt. Diesmal beginnt das Buch mit einem Schock für Selma Falck. Sie wacht orientierungslos und verwirrt in einer brennenden Hütte auf, aus der sie sich nur mit allerletzter Kraft befreien kann. Wie sie dorthin gekommen ist und wo sie ist, weiß sie nicht und auch als Leser:in erfährt man das erstmal nicht.
Denn schon springt das Buch einige Monate zurück, in einen Sommer wo noch alles soweit ok schien:
Nach ihrem Spielsucht-bedingten gesellschaftlichen und familiären Absturz hat sich Selma Falck inzwischen wieder einigermaßen berappelt, auch wenn das Verhältnis zu ihren Kindern und vor allem zu ihrer Tochter schwierig bleibt.
Letztere heiratet ihren Verlobten, einen rechtspopulistischen Meinungsbilder. Selma ist zur Hochzeit zwar eingeladen, doch an den Katzentisch verbannt. Von dort muss sie mit ansehen wie der frischvermählte Gatte ihrer Tochter bei einer Rede für die Gäste tot zusammenbricht. Gestorben an seiner Macadamia-Nuss-Allergie und das obwohl diese allen bekannt war und weit und breit keine Nüsse in Sicht waren.
Der Besitzer des Sterne-Restaurants, der die Hochzeit ausrichtete, beauftragt Selma damit, herauszufinden wie es zu dem Todesfall kommen konnte, um einen Imageschaden für sein Geschäft abzuwenden. Wirkt es erst so, als gäbe es gar keinen Fall, kommt Selma mit der Zeit unglaublichen Vorgängen auf die Spur…

Wie auch im ersten Fall zeichnet sich der Krimi vor allem dadurch aus, dass brandaktuelle gesellschaftspolitische Themen sehr anschaulich und spannend aufgegriffen werden, in diesem Fall die Verrohung des politischen Diskurses durch Fake News und Desinformation in den Sozialen Medien und die Radikalisierung der extremen rechten und linken politischen Ränder und die Frage wie eine demokratische Gesellschaftsordnung damit umgehen kann. Alles Themen die nicht nur in Norwegen eine Herausforderung darstellen. Der Kriminalfall birgt hierbei einige Überraschungen und das Buch hat mich wieder sehr gut unterhalten, auch Katja Bürkles ruhige, aber trotzdem nicht langweilige Vortragsweise passt sehr gut zu dieser typisch nordischen Krimireihe.

Bücher

Buch-Tipp: „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher

„Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher ist das zweite Buch, das ich dieses Jahr aus den Nominierungen für den Deutschen Buchpreis ausgewählt habe. Das Buch ist ein autobiografisch geprägter Roman über die Mutter der Autorin bzw. über die toxische Beziehung zwischen ihren Eltern. Der Roman spielt Anfang und Mitte der 80er Jahre, als die junge Ela ca. 5 – 8 Jahre alt ist. Die Familie ist auf Wunsch des Vaters zurück in sein Heimatdorf gezogen und die Familie wohnt zusammen mit seinen Eltern in einem Haus. Der Vater arbeitet „quasi“ als Ingenieur in einer Firma (er stammt aus einer Bauernfamilie und hat sich aus einer Ausbildung als technischer Zeichner hochgearbeitet), fühlt sich aber dort nicht ausreichend wertgeschätzt und die erhoffte Beförderung bekommt am Ende doch immer der Junior des Chefs. Frustriert über seine mangelnden Erfolge entwickelt der Vater die fixe Idee das Übergewicht seiner Frau sei hauptschuldig an all seinen fehlenden Erfolgen, nicht vorzeigbar sei Elas Mutter, nicht mal bei wichtigen Weihnachtsfeiern der Firma. Der Alltag der Eltern ist geprägt von Sticheleien, Vorwürfen und Vorhaltungen und auch Ela kann sich über die Jahre dem Blick des Vaters auf die Mutter nicht ganz entziehen.
Gleichzeitig ist Elas Mutter eine Kämpferin, die sich nicht unterkriegen lassen will und einerseits versucht ihr eigenes Leben zu leben, eine eigene Karriere zu haben und den Einschränkungen und Zwängen des konservativen und spießigen Dorflebens der 80er Jahre zu entkommen, aber andererseits versucht alle familiären Anforderungen die ihre Kinder, ihr Mann und ihre pflegebedürftigen Eltern an sie stellen zu erfüllen. Eine unlösbare Aufgabe.

Das Buch hat mich von Anfang an gefesselt. Die Familie wird komplett aus der Sicht der jungen Ela geschildert, ihr kindlicher Blick auf die Geschehnisse ist immer authentisch und wirkt nicht irgendwie aufgesetzt oder als hätte ein Erwachsener versucht wie ein Kind zu denken. Das Buch ist tragisch und traurig, aber trotzdem immer warm und teils sogar humorvoll und alle Charaktere sind irgendwie fair und verzeihend gezeichnet, so dass das Buch trotz aller Tragik immer eine wundervolle Leichtigkeit aufweist.

Das Buch ist also einerseits eine wirklich authentische Kindheitsgeschichte, gleichzeitig ein schonungsloser Blick auf die Hürden und Zwänge mit denen Frauen in den 80er Jahren zu kämpfen hatten, Themen wie Body Shaming, Diätkultur und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind auch heute noch aktuell wie eh und je und man kann sich anhand des Buches die Frage stellen, wie viel sich bis 2022 wirklich verändert hat.

Definitiv eines der Lese-Highlights von 2022 für mich!