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Buch-Tipp: „Sing lauter, Heidi!“ von Claudia Koreck und Gunnar Graewert

„Sing lauter, Heidi!“ von Claudia Koreck und Gunnar Graewert ist ein sehr spannendes und kreatives literarisches und musikalisches Projekt. Der Roman wird nämlich begleitet von einem zugehörigen Album („The Loveolution Project“), das die Singer- und Songwriterin genauso wie den Roman gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Songwriter und Musikproduzenten Gunnar Graewert kreiert hat.

In dem Roman finden sich also nicht ganz überraschend Charaktere mit ähnlichen Berufen wieder. Die junge aus einer chilenischen Einwandererfamilie stammende sehr talentierte Sängerin Heidi Morales lebt mit ihren Geschwistern und der alkoholkranken Mutter in New York und träumt davon mit ihrer Musik aus ihrem schwierigen Leben auszubrechen. Doch immer wieder wird sie vom Alltag zurück auf den Boden geholt. 

Der aus einer reichen (und skrupellosen) Familie stammende Mick hadert hingegen mit der Gefühlskälte und Geld- und Machtbesessenheit seines Elternhauses und möchte daraus ausbrechen. Tatsächlich gelingt ihm das und er wird zu einem der angesagtesten und bekanntesten Musikproduzenten der Welt…als Heidi und er zufällig aufeinander treffen  und ihre Kreativität vereinen, erschaffen sie etwas, dass das Potential hat die ganze Welt zu verändern.

Wie ich einem Interview entnahm, hatten Claudia Koreck und Gunnar Graewert die Idee zu dem Buch als sie darüber nachdachten wie man es schafft anhand der Welt- und Nachrichtenlage nicht die Hoffnung zu verlieren und das Buch beschäftigt sich mit der Frage ob Musik denn wirklich die Welt verändern kann. Dabei greift es die aktuelle Weltlage und Themen wie Rechtspopulismus und KI sehr präzise und realitätsnah auf (besonders beeindruckt war ich von der treffsicheren Analyse amerikanischer Politikverhältnisse) , aber ohne dass das Buch deprimierend oder kompliziert wäre, die Sprache ist sogar eher sehr direkt und schlicht gehalten und erhält sich ähnlich wie die Hauptpersonen eine idealistische Naivität. Auch dass hier zwei absolute Kenner der Musikbranche schreiben ist unverkennbar, sowohl anhand der Beschreibung kreativer Arbeit als auch anhand der schonungslosen Darstellung des CEOs des erfolgreichsten Record Labels der Welt (das vermutlich nicht ganz zufällig im Buch Universum Music heißt).

Die Verknüpfung von Buch und Album ist auch sehr gelungen, immer wenn ein Song des zugehörigen Albums in der Handlung des Buches vorkommt , ist ein QR Code im Buch abgedruckt (außerdem noch die Lyrics), mit dem man zu der offiziellen Homepage von Claudia Koreck gelangt, wo man die Songs direkt abspielen kann (man braucht also keinen Streaming Dienst). Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, die Songs an der jeweiligen Stelle zu hören, da man so auch noch mehr in die Handlung versetzt wird. Das Musikalbum ist aber auch komplett und eigenständig sehr empfehlenswert (genau wie die anderen Alben von Claudia Koreck).

Insgesamt ein wirklich wunderschönes und hochaktuelles Buchprojekt, das jede Aufmerksamkeit verdient hat!

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Buchtipp: „Herr Sonneborn geht nach Brüssel – Abenteuer im Europaparlament“

Heute möchte ich ein Sachbuch vorstellen, das für mich eines der besten und wichtigsten Bücher 2019 ist, nämlich „Herr Sonneborg geht nach Brüssel – Abenteuer im Europaparlement“, das Buch des Satirikers Martin Sonneborg („Titanic“ Redakteur und Gründer der Satire-Partei „Die PARTEI“ – sie ist bekanntlich sehr gut). Er schildert darin seine Erfahrungen als Abgeordneter im Europaparlament in den Jahre 2014 – 2019. Die PARTEI erhielt bei der Europa-Wahl 2014 0,6% der Stimmen und damit einen Platz im Europaparlament für Martin Sonneborn, der seitdem als fraktionsloser Abgeordneter zwischen sympathischen Menschen wie griechischen Rechtsextremen, dem NPD Vertreter Udo Voigt, Beatrice von Storch (von ihm liebevoll Beatrice von Strolch genannt) und anderen Vertretern von meist mehr oder weniger extremen Kleinparteien, die ebenfalls keiner Fraktion angehören.

Das Buch ist nun durchaus humoristisch und unterhaltsam geschrieben und liest sich deswegen auch sehr kurzweilig, es ist aber trotzdem keine reine Satire und schon gar nicht reine Unterhaltungslektüre, denn die Ereignisse und Entscheidungen im Europaparlament sind trotz der satirischen Aufmachung chronologisch und informativ geschildert (zusätzlich ergänzt mit Auszügen aus der Medienberichterstattung über die PARTEI). In zahlreichen Anekdoten lernt man mehr darüber was hinter den Kulissen der EU abläuft, oft bleibt einem dabei das Lachen im Halse stecken. Das Buch bietet deswegen tatsächlich einen ernsthaften, Augen öffnenden und oft desillusionierenden Einblick in die Europapolitik. Aus meiner Sicht lohnt es sich für quasi jeden es zu lesen (außer er sympathisiert mit rechtsextremen Kleinparteien oder gestandenen CDU Größen wie Elmar Brok).

Ich habe das Buch unter anderem auch gelesen, um mir ein besseres Bild darüber zu machen, ob die PARTEI einen Beitrag zur politischen Kultur liefert, die als konstruktiv angesehen werden kann (und damit ob die PARTEI wählbar ist) und ich für mich kann diese Frage auf jeden Fall mit „Ja“ beantworten. Um so befremdlicher finde ich die Reaktion etablierter Politiker und Parteien auf die PARTEI.
Offenbar wurden die bei der Europawahl 2014 erhaltenen 0,6% von den etablierten Parteien (vor allem CDU und SPD) als so bedrohlich empfunden, dass sie mit allen Mitteln versuchten für die Europawahl 2019 eine Sperrklausel von 3 oder 5% einzuführen, was aber glücklicherweise scheiterte und aus meiner Sicht ein sehr fragwürdiges Demokratieverständnis zeigt. Sowieso scheint die PARTEI bei etablierten Politikern einen Finger in eine Wunde zu legen, denn diese versuchen ständig diese und auch ihre Wähler abzuwerten , eine herablassende Einstellung die ja auch andere Kritiker und Aktivisten derzeit zu spüren kriegen. Glücklicherweise kriegen CDU und SPD ja im Moment durchaus in Umfragen die Folgen dieser sehr befremdlichen Arroganz zu spüren.

Bei der Europawahl 2019 steigerte die PARTEI sich übrigens auf sehr respektable 2,4% und erhielt damit sogar 2 Plätze im Europaparlament, die von Martin Sonneborn und Kabarettist Nico Semsrott wahr genommen werden. Nico Semsrott ist der Fraktion der Grünen beigetreten, Martin Sonneborn bleibt nach aktuellem Stand bei seinem Status als Fraktionsloser.

Generell scheint die PARTEI ihren Status als reine Satirepartei teilweise aufzugeben und auch „ernsthafter“ Politik machen zu wollen, was ich persönlich sehr begrüße. Und wenn Martin Sonneborn über die nächsten 5 Jahre Europaparlament wieder ein Buch schreibt, werden ich es auf jeden Fall wieder lesen.