„Wetter“ von Jenny Offill ist ein außergewöhnlicher Roman, der stilistisch eher dem Ausdruck einer Gefühlslage entspricht, als dass er eine ausgeprägte Handlung besitzt. Er nimmt uns mit in das Leben von Lizzie, einer Bibliotheksangestellten, die mit ihrem Mann und ihrem jungen Sohn irgendwo in den USA lebt. Lizzie zieht irgendwie Menschen und deren Sorgen an, die der Kunden in ihrer Bibliothek, die ihres durch die Konkurrenz gebeutelten selbständigen Taxi-Fahrers, die ihres wiederholt drogensüchtigen Bruders, der eigentlich grad dabei ist sein Leben in den Griff zu kriegen, zu heiraten und ein Kind zu kriegen, aber mit dieser neuen Stabilität auch nicht zurecht kommt. Um so passender, dass sie als Nebenjob auch noch die Fanpost ihrer Mentorin Silvia übernimmt, die eine Art soziologischen Podcast zum Thema Klimawandel hat. Kein Wunder, dass Lizzies Gedanken auch im Privaten immer mehr um die Apokalypse zu kreisen beginnen.–
Das Buch schafft es hervorragend eine Bedrohungskulisse aufzubauen, die alleine aus Lizzie’s Gedankenwelt besteht, über ihrem eher normalen und tristen Alltag steht ständig die Sorge um die Zukunft, Klimawandel, politische Wahlentscheidungen, Prepper Tipps und die ganz konkreten Sorgen um ihren Bruder und dessen Unvermögen im normalen Alltag mit Frau und Baby zurechtzukommen. So liest sich das Buch, das mehr oder weniger aus kurzen Alltagsgedanken und Episoden besteht wirklich sehr mitreissend und erzeugt ein gewisses Unbehagen dadurch, dass sich vermutlich jeder in den letzten Jahren in einigen Gedanken von Lizzie wiederfindet. Das Buch erinnert mich ein bisschen an die Gedankenlage vieler im Jahre 2016, denn damals schienen wirklich nur Hiobsbotschaften von Trumps drohender Wahl, Klimaveränderungen und Terroranschlägen auf einen einzuprasseln.
5 Jahre später ist Trump allerdings schon wieder weg, an den Klimawandel hat man sich so langsam gewöhnt und selbst eine globale Pandemie scheint schon fast wieder überstanden. Vielleicht weiß ich dank der dadurch gewonnenen Gelassenheit nicht so recht, was die Autorin mit ihrem Buch eigentlich genau sagen wollte und warum Lizzie sich aus ihrer ausgesprochen privilegierten Situation so in apokalyptische Fantasien reinsteigert, vielleicht bleiben diese Fragen auch absichtlich komplett offen. Auf jeden Fall ist „Wetter“ ein interessantes Leseerlebnis, das aber vermutlich nicht jedermanns Geschmack treffen wird.