Bücher

Buchtipp: „Mit mir an meiner Seite“ von Lily Bailey

„Mit mir an meiner Seite“ ist ein autobiographischer Roman der britischen Autorin Lily Bailey. In dem Buch erzählt die junge Autorin von ihrem Leben mit OCD (Obsessive Compulsive Disorder, in Deutschland glaube ich unter dem Begriff Zwangsstörung bekannt), eine Krankheit an der sie schon als kleines Kind erkrankte, die aber erst im Teenageralter diagnostiziert wurde. Laut Interviews hat die Autorin (die auch als Model arbeitet) sich entschlossen ein Buch über ihr Leben zu schreiben, da sie sich oft darüber ärgert wie wenig die Menschen wirklich über diese Krankheit wissen.
Die meisten Menschen assoziieren mit einer Zwangsstörung vermutlich Menschen, die sich 100x am Tag die Hände waschen oder ständig kontrollieren ob der Herd aus ist oder denken an Fernsehserien wie „Monk“ (was sicherlich ein eher verharmlosendes Bild ergibt, da die Krankheit in der Serie primär der Unterhaltung dient).

Bei Lily Bailey manifestierte sich die Krankheit im Kindesalter zunächst in Form einer imaginären Freundin, die ihr Anweisungen gibt oder ihr Vorwürfe macht.
Lily hat ständig Angst ein schlechter Mensch zu sein, etwas falsch zu machen oder etwas zu tun, dass andere Leute an ihr abstoßend finden könnten. Als Teenager bekommt sie im Rahmen einer Scherz-Preisverleihung ihrer Jahresstufe sogar einmal einen Preis als „das Mädchen, dass sich am Häufigsten entschuldigt“.
Ihre Gedanken kreisen ständig um imaginäre Fehltritte und mit der Zeit fängt sie an Listen in ihrem Kopf zu erstellen, in denen sie kategorisiert ablegt was sie am jeweiligen Tag alles falsch gemacht hat, um alle Einträge dann später im Kopf zu analysieren und zu bewerten. Trotzdem versucht Lily im Schul- und später im Studienalltag nicht aufzufallen und schafft es teilweise sogar ziemlich beeindruckend ihre Krankheit zu verbergen, doch irgendwann kann sie einfach nicht mehr.

Das erste Drittel des Buches ist sprachlich etwas außergewöhnlich, denn Lily erzählt von ihrer Kinderzeit immer in der „Wir“-Form, da ihre imaginäre Freundin und sie völlig miteinander verwachsen sind.
Als Lily als Teenager das erste Mal Hilfe in Form einer Therapie bekommt (was später andere Probleme aufwirft), verschwindet ihre imaginäre Freundin schließlich aus ihrem Leben und ihrem Kopf, nicht so aber ihre Zwangsgedanken – und handlungen.
Diese wieder loszuwerden bleibt wohl eine Lebensaufgabe.
Im zweiten Teil des Buches erzählt Lily dann aus der Ich-Perspektive wie sie versucht ihre Krankheit in den Griff zu bekommen und trotzdem ein einigermaßen normales Leben aufzubauen.

Das Buch ist wirklich sehr unterhaltsam, berührend und auch vom Stil wirklich super geschrieben und auch trotz des  ernsten Themas durchaus nicht ohne Humor. Die „Wir“- bzw. „Ich“ Form kreiert dazu eine Nähe zu der Erzählerin, die einen wirklich miterleben lässt wie die zwanghaften Gedanken und Handlungen ihren Alltag bestimmen. Mir hat das Buch deswegen wirklich sehr gut gefallen und ich kann es jedem weiterempfehlen, der gerne autobiographische Bücher liest.

Bücher, eiskunstlauf

Ein Buch für Eiskunstlauf-Freunde: „Ein perfektes Paar – Aljona Savchenko und Robin Szolkowy“

Heute gibt es zur Abwechslung mal eine Rezension über ein sportliches Sachbuch, die Biografie über Aljona Savchenko und Robin Szolkowy von der Sportjournalistin Tatjana Flade, die ich mir als langjähriger Eiskunstlauf Fan natürlich nicht entgehen habe lassen.

Tatjana Flade: „Ein perfektes Paar – Aljona Savchenko und Robin Szolkowy“ (Genre: Sachbuch)

„Ein perfektes Paar“ von der Eiskunstlauf-Expertin und Sportjournalistin Tatjana Flade ist ein großformatiges professionelles (und mit vielen Fotos versehenes) Sachbuch  über eines der erfolgreichsten Deutschen Paarlauf-Teams der vergangenen Jahrzehnte: Aljona Sawchenko  & Robin Szolkowy.

Das Buch schildert die ersten Schritte und die Jugend von Robin Szolkowy im Eiskunstlauf in Ostdeutschland, genauso wie die Kindheit und Jugend von Aljona in der Ukraine. Der Fokus liegt hierbei immer auf dem Sportlichen, aber auch einige auflockernde und informative Informationen über den persönlichen und familiären Hintergrund der beiden Sportler kommen nicht zu kurz. Dabei profitiert das Buch davon, dass es eine autorisierte Biographie ist und unter Mitwirkung der Sportler, ihrer Trainer und teilweise auch Familienangehörigen entstanden ist. So enthält es viele Originalzitate (und zusätzlich auch einige Interviews, die die Autorin über die Jahre mit dem Paar geführt hat).

Den Hauptteil des Buches macht aber die Beschreibung der einzelnen Wettkampfsaisons des Paares auf. Tatjana Flade ist nicht irgendeine Sportjournalistin oder Autorin, sondern eine echte Eiskunstlaufexpertin (die vermutlich jeder deutsche Fan zumindest vom Sehen oder Hören kennen wird), die auch bei vermutlich jedem großen Wettkampf des Paares selbst vor Ort war. Dies führt dazu, dass alles sehr akribisch recherchiert ist und das Buch nicht oberflächlich daher kommt. Es macht es aber natürlich auch zu einem Buch für wirkliche Eiskunstlauffans und Kenner, für Gelegenheitsfans sind die sehr ausführlichen Beschreibungen jedes Wettkampfjahres vielleicht auf Dauer etwas zu „trocken“. Ich fand sie aber nie langweilig, da sie auch jeweils durch ein paar Anekdoten über die Wettkampfstätten aufgelockert wurde, sowie durch viele Zitate der Sportler.

Das Interessanteste an dem Paar „Sawchenko & Szolkowy“ war sicher, dass die beiden entgegen des Titels eben nicht in jeder Hinsicht ein „perfektes Paar“ waren (vielleicht ist der Titel auch deswegen etwas ironisch so gewählt), sondern, dass die professionelle Beziehung und das Training der beiden oft eher schwierig und konfliktbeladen war. Erstens waren die beiden offenbar sehr unterschiedliche Menschen, Aljona extrem ehrgeizig und eher dominant, Robin sehr zurückhaltend und auch dem Eiskunstlauf als Beruf teilweise sogar etwas ambivalent gegenüber eingestellt. Dazu kam die Kombination mit dem Trainer Ingo Steuer, durch dessen  Stasi-Affäre die Trainingsbedingungen des Paares fast die ganze Karriere negativ belastet wurde (bedingt durch Probleme mit der finanziellen Förderung durch den Verband) und dessen etwas komplizierte private und professionelle Beziehung zu Aljona zu Spannungen im Training und im Team Aljona-Robin-Ingo führte. Diese Themen werden im Buch nicht verschwiegen, aber auch nicht unnötig dramatisiert oder sensationalisiert, die Autorin bleibt neutral und lässt jeden zu Wort kommen. Trotzdem bekommt man doch etwas den Eindruck, dass es erstaunlich ist, wie viel das Team unter diesen Umständen insgesamt erreicht hat.

Gut gefallen hat mir da vor allem, wie analytisch und selbstkritisch Aljona und Robin ihre eigene Karriere und auch ihr Training reflektieren und wie schonungslos sie mit sich selbst umgehen (allerdings hab ich auch den Eindruck, dass diese Eigenschaft sich selbst überkritisch zu sehen auch ein bisschen dazu beigetragen hat, dass sie ihre Erfolge und ihre Karriere nie so frei genießen konnten, so sagt Robin selbst in dem Buch, dass sie sich oft gar nicht wirklich über Erfolge oder Siege freuen konnten). Für mich als Fan war am Interessantesten, dass der Eindruck von dem Paar das man als Fan wahr nahm (z.B.: ein sehr sehr gutes Paar, mit teils sehr kreativen Programmen, das immer toll anzuschauen war, bei dem man aber immer trotz der aller Weltmeistertitel ein bisschen das Gefühl hat, dass es doch an ein bisschen Harmonie fehlt und dass es immer ein bisschen unzufrieden mit sich selber ist und sich selbst im Weg steht, weil es immer um jeden Preis ein bisschen mehr will als es erreicht hat und es genau deswegen dann im entscheidenden Moment nicht klappt – siehe Olympia ), tatsächlich ziemlich genau dem Bild entspricht, dass die Sportler auch von sich selbst hatten.

Abgerundet wird das Buch durch einen Ausblick auf die aktuelle Karriere von Aljona und Robin. Robin arbeitet als Trainer in Russland mit russischen Paaren und Aljona hat den Traum von einem Olympiasieg und weiteren Titeln noch nicht aufgegeben und verfolgt ihre Karriere (schon wieder sehr erfolgreich!) mit ihrem neuen Partner Bruno Massot. Vielleicht gibt es ja irgendwann noch ein neues Buch zu lesen: über Aljona und Bruno.

„Ein perfektes Paar“ ist für jeden deutschen Paarlauffan auf jeden Fall 100% empfehlenswert.