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Buch-Tipp: „Wandering Souls“ von Cecile Pin

„Wandering Souls„ von Cecile Pen hat mein Interesse geweckt, da es die Geschichte einer vietnamesischen Einwanderer-Familie erzählt. Teile der Geschichte beruhen lose auf der Familiengeschichte der Autorin. Ich habe dieses Jahr schon einige Bücher von und über asiatischen Einwanderern gelesen, teils Romane und auch eine Autobiografie, die mir sehr gut gefallen haben und dieser Roman klang ebenfalls sehr besonders. Ich kann sagen, dass ich auf keinen Fall enttäuscht wurde, ich würde sogar sagen „Wandering Souls“ ist eines der absoluten Highlights meines Lese-Jahres 2023.

In den 70-er Jahren lebt die 16-jährige Anh mit ihrer 7-köpfigen Familie in Vietnam. Der Krieg ist überstanden, doch Anhs Eltern träumen von einer Flucht in die USA, hat Anhs Onkel diese doch schon erfolgreich geschafft. Anh und ihre beiden Brüder Minh und Thanh werden als ältere Kinder von den Eltern vorausgeschickt, ihre Eltern wollen mit den drei jüngeren Geschwistern nachkommen. Doch während Anh und ihre Brüder es in ein Übergangslager in Hongkong schaffen, stirbt der Rest der Familie auf dem Weg dorthin und Anh kann nur noch ihre toten Körper identifizieren. Von heute auf morgen ist die 16-jährige das Familienoberhaupt und für ihre beiden Brüder verantwortlich. Statt in den USA landen die 3 Geschwister in England und müssen sich ohne Familie dort ein Leben aufbauen.

So traurig die Geschichte, so wundervoll der Roman. Zugleich sprachlich einfach und präzise und trotzdem sehr poetisch wird die Geschichte von Anh erzählt, wie sie mit Pragmatismus und Verantwortungsbewusstsein ihren Weg findet und trotz aller Enttäuschungen immer noch vorne schaut. Der Lebensweg der Geschwister behandelt überwiegend die Flucht, der Weg zum Erwachsenwerden, aber die Leser:innen erfahren auch was aus der Familie geworden wird und ob mit so einer Lebensgeschichte Friede zu finden möglich ist. 

Eine absolute Leseempfehlung für ein wundervoll einfühlsames Buch. 

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Buchtipp: „Familiensilber“ von Sabine Friedrich

In „Familiensilber“ dreht sich auf den ersten Blick alles um die geplante Familienfeier zur Silbernen Hochzeit von Barbara und Gernot, einem Ehepaar das in der bayerischen Kleinstadt Neuenburg lebt. Der Roman spielt innerhalb von nur wenigen Tagen, er beginnt kurz vor der Familienfeier und endet am Tag danach. Barbara hat eine weitverzweigte Familie, die viele gemeinsame Erinnerungen verbindet, Gernot hingegen hat nur noch wenige Verwandte mit denen er zudem zerstritten ist. Ein Traumpaar sind Barbara und Gernot keineswegs, so dass deren Tochter Sarah schon im Vorfeld der Familienfeier an ihrer jahrelang kultivierten Rolle als „Diplomatin“ fast verzweifelt. Mehr oder wenig verzweifelt sind auch noch andere Mitglieder der Großfamilie und in den Kapiteln die zur Familienfeier hinleiten, lernen wir fast alle in episodenhaften Ausschnitten näher kennen.

So sind dort z.B. auch Marianne und Walter, zwei der wenigen Verwandten von Gernot, die auf Marbella in einer abgeschiedenen Luxus-Enklave leben und mehr oder wenig erfolgreich versuchen nichts von der (das schöne Leben doch empfindlich störenden) Flüchtlingskrise an den Küsten Afrikas und Spaniens mitzubekommen. Oder Marie, Barbaras Mutter, die immer noch versucht sich an ihre neue Rolle als Witwe zu gewöhnen. Eine Schwierigkeit des Buches ist sicher die Fülle an Charaktere, die beschrieben werden, da ist es nicht ganz einfach den Überblick zu behalten, wozu es aber am Ende des Buches einen ausführlichen Stammbaum gibt (den man auch gerne in Anspruch nimmt). Mir hat die sprunghafte Erzählweise aber wirklich gut gefallen.
Wer es gerne klar strukturiert, mit einem klaren Anfang und Ende mag, für den ist das Buch vielleicht nicht das Richtige, denn im Prinzip bietet es einen kurzen Einblick in eine weitverzweigte Großfamilie, deren Hoffnungen, Wünsche, Frustrationen, Alltagsprobleme und die Verarbeitung der Vergangenheit als Deutsche Kriegsflüchtlinge. Der Schreibstil ist oft ironisch, zynisch und auch etwas böse, was vielleicht auch nicht jedem liegt, mir aber ganz hervorragend gefallen hat.

Wenn man das Buch liest merkt man auch, dass sich die Gesellschaft und die beherrschenden Themen seit 2005 augenscheinlich null weiterentwickelt haben (was etwas deprimierend ist), denn die beherrschenden gesellschaftspolitischen Themen des Buches sind die Flüchtlingskrise, Migration an sich, Lobbyismus, Globalisierungsfragen und Co…wäre mir nicht beim Blättern aufgefallen, dass da als Erscheinungsdatum 2005 steht, hätte ich das Buch als aktuellen Kommentar zur Lage der Nation verstanden. Ergo für mich ein hochaktuelles Buch, das heute genauso lesenswert ist wie vor 13 Jahren.