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Buch-Tipp: „Der Junge, der das Universum verschlang“ von Trent Dalton

„Der Junge, der das Universum verschlang“ von Trent Dalton ist ein außergewöhnlicher Roman aus Australien. Im Mittelpunkt steht der Junge Eli, der mit seinem älteren Bruder August, seiner Mutter und seinem Stiefvater Anfang der 1980er Jahre in einer sozialschwachen Gegend von Brisbane lebt.
August spricht seit einem traumatischen Ereignis aus der früheren Kindheit nicht mehr, malt aber mit Begeisterung Sätze und Wörter in die Luft und scheint manchmal fast prophetische Fähigkeiten zu haben. Das Umfeld der beiden Jungen ist nicht einfach, ihre Mutter und der Stiefvater sind zwar seit einiger Zeit selbst clean, dealen aber immer noch mit Heroin und auch sonst ist das familiäre Umfeld der beiden zwar einerseits erstaunlich liebevoll, andererseits aber auch sehr rustikal und teilweise gewalttätig. Da überrascht es fast nicht mehr, dass auch der Babysitter der beiden Jungs eine sehr außergewöhnliche Wahl ist: Slim Halliday, ein Ex-Häftling, der wegen Mord eingesessen ist und sich einen Ruf als Ausbrecherkönig gemacht hat, da ihm sogar 2x die Flucht aus dem legendären und berüchtigten australischen Gefängnis „Boggo Road“ gelang.
Slim ist sowas wie ein Mentor für Eli, der ihm hilft durch sein turbulentes Leben zu navigieren, in dem Eli und August trotzdem recht glücklich sind. Doch dann gerät alles aus den Fugen, als sich Elis Stiefvater mit dem Kartell- und Drogenboss Tytus Broz anlegt und Eli muss zeigen was wirklich in ihm steckt.

Die Sprache des Buches ist sehr bunt, manchmal fast blumig, dabei aber gleichzeitig derb und oft von Gewalt geprägt. Aber auch Humor kommt in dem Buch nicht zu kurz und Eli ist ein liebenswerter und charmanter Hauptcharakter. Auf mich wirkte die Handlung der Geschichte im Banden- und Drogenmilieu etwas überladen und teils ein bisschen wie eine „Räuberpistole“, auch die Fantasyelemente der Geschichte haben mich nicht ganz überzeugt bzw. ich hätte sie in diesem Roman nicht wirklich gebraucht.
Gerade da die Story des Buches doch teils etwas weit hergeholt wirkte, hat es mich überrascht zu erfahren, dass laut Eigenaussage des Autors ca. 50% des Buches autobiografisch sind und er darin seine eigenen Kindheitserinnerungen verarbeitet. Auch den Verbrecher und Ausbrecherkönig Slim Halliday gab es wirklich und tatsächlich kannte der Autor diesen als Kind, was wohl den Grundstein für seine Romanidee legte.

Insgesamt hat mich der Roman zwar sehr gut unterhalten, aber ich vermute, er hätte mir tatsächlich noch deutlich besser gefallen, wenn der Autor einfach etwas authentischer und weniger ausgeschmückt seine eigene Kindheit beschrieben hätte, denn das familiäre Umfeld des Romans wären auch für sich alleine stark genug für einen herausragenden Roman gewesen.

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Buchtipp: „Familiensilber“ von Sabine Friedrich

In „Familiensilber“ dreht sich auf den ersten Blick alles um die geplante Familienfeier zur Silbernen Hochzeit von Barbara und Gernot, einem Ehepaar das in der bayerischen Kleinstadt Neuenburg lebt. Der Roman spielt innerhalb von nur wenigen Tagen, er beginnt kurz vor der Familienfeier und endet am Tag danach. Barbara hat eine weitverzweigte Familie, die viele gemeinsame Erinnerungen verbindet, Gernot hingegen hat nur noch wenige Verwandte mit denen er zudem zerstritten ist. Ein Traumpaar sind Barbara und Gernot keineswegs, so dass deren Tochter Sarah schon im Vorfeld der Familienfeier an ihrer jahrelang kultivierten Rolle als „Diplomatin“ fast verzweifelt. Mehr oder wenig verzweifelt sind auch noch andere Mitglieder der Großfamilie und in den Kapiteln die zur Familienfeier hinleiten, lernen wir fast alle in episodenhaften Ausschnitten näher kennen.

So sind dort z.B. auch Marianne und Walter, zwei der wenigen Verwandten von Gernot, die auf Marbella in einer abgeschiedenen Luxus-Enklave leben und mehr oder wenig erfolgreich versuchen nichts von der (das schöne Leben doch empfindlich störenden) Flüchtlingskrise an den Küsten Afrikas und Spaniens mitzubekommen. Oder Marie, Barbaras Mutter, die immer noch versucht sich an ihre neue Rolle als Witwe zu gewöhnen. Eine Schwierigkeit des Buches ist sicher die Fülle an Charaktere, die beschrieben werden, da ist es nicht ganz einfach den Überblick zu behalten, wozu es aber am Ende des Buches einen ausführlichen Stammbaum gibt (den man auch gerne in Anspruch nimmt). Mir hat die sprunghafte Erzählweise aber wirklich gut gefallen.
Wer es gerne klar strukturiert, mit einem klaren Anfang und Ende mag, für den ist das Buch vielleicht nicht das Richtige, denn im Prinzip bietet es einen kurzen Einblick in eine weitverzweigte Großfamilie, deren Hoffnungen, Wünsche, Frustrationen, Alltagsprobleme und die Verarbeitung der Vergangenheit als Deutsche Kriegsflüchtlinge. Der Schreibstil ist oft ironisch, zynisch und auch etwas böse, was vielleicht auch nicht jedem liegt, mir aber ganz hervorragend gefallen hat.

Wenn man das Buch liest merkt man auch, dass sich die Gesellschaft und die beherrschenden Themen seit 2005 augenscheinlich null weiterentwickelt haben (was etwas deprimierend ist), denn die beherrschenden gesellschaftspolitischen Themen des Buches sind die Flüchtlingskrise, Migration an sich, Lobbyismus, Globalisierungsfragen und Co…wäre mir nicht beim Blättern aufgefallen, dass da als Erscheinungsdatum 2005 steht, hätte ich das Buch als aktuellen Kommentar zur Lage der Nation verstanden. Ergo für mich ein hochaktuelles Buch, das heute genauso lesenswert ist wie vor 13 Jahren.

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Lesetipp: „Samy“ von Zdenka Becker

„Samy“ ist der Titelheld von Zdenka Beckers Roman, der dem Buch auch gleich den Namen gibt. Am Anfang des Buches liegt Samy im Krankenhaus, offenbar hat es eine Art Unfall gegeben, aber Samy ist kaum ansprechbar und erinnert sich an nichts. Die Psychologin Hana, die Samy privat seit Jahren kennt, weil sie mit dessen Mutter befreundet ist, versucht ihm die Ereignisse zu entlocken und einen Zugang zu ihm zu finden. Entlang dieser aktuellen Ereignisse wird die schwierige Lebensgeschichte von Samy erzählt, bis hin zu dem tragischen Ende.

Samy wächst in der damaligen Slowakei auf, seine Mutter ist Slowakin, sein Vater ein Österreicher indischer Herkunft, den seine Mutter auf einem seltenen Berlin-Besuch während eines Kongresses kennen gelernt hat und mit dem sie eine kurze aber intensive Affäre hatte. Das Ergebnis davon ist Samy, der als einziger dunkelhäutiger Junge in seiner Umgebung in der Slowakei mit so einigen Anfeindungen zu leben hat. Besonders schwer zu schaffen macht ihm sein ehemaliger Jugendfreund Harry und leider gelingt es Samy nicht über die Kränkungen der Kindheit hinweg zukommen, so dass er sich je älter er wird immer mehr in einem Strudel der Hoffnungslosigkeit und Paranoia verfängt.

Das Leben von Samy wird von früher Kindheit an erzählt, bis hin zu seinem Leben als Jugendlicher und als junger Erwachsener. Aber auch die Lebensgeschichte seiner Mutter Olga bekommt viel Raum und ich fand es besonders interessant auch Einiges über den Kommunismus und das Leben in der Slowakei der letzten Jahrzehnte zu erfahren. Man merkt, dass die slowakisch-österreichische Autorin dort auf sehr viele eigene Erfahrungen zurückgreifen kann.

Das Buch basiert anscheinend auf realen Ereignissen und manchmal merkt man das finde ich am Erzählstil, der ein bisschen wie eine Fallgeschichte daherkommt, was mich aber nicht gestört hat. Manchmal fand ich den Erzählstil allerdings etwas sperrig und ein bisschen unterkühlt, aber trotzdem sehr eindringlich.

Samys Lebensgeschichte und wie ihm sein Leben immer weiter entgleitet wird anschaulich und bewegend geschildert und viele Ereignisse des Buches lassen einen wütend und betroffen zurück, deswegen hat es mir insgesamt sehr gut gefallen.