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Buch-Tipp: „Eine wie sie fehlt in dieser Zeit – Erinnerungen an Astrid Lindgren – von Katrin Hörnlein“

„Eine wie sie fehlt in dieser Zeit“ von Katrin Hörnlein ist ein neues Buch über Astrid Lindgren in dem zahlreiche Wegbegleiter:innen von Lindgren zu Wort kommen. Die Autorin des Buches stehlt sich im Vorwort selbst die Frage, ob ein weiteres Buch über Astrid Lindgren denn wirklich nötig ist. Sicherlich eine berechtigte Frage, gibt es doch unzählige Biografien, Literatur über ihr Werk, Tagebücher, Briefwechsel, mehr als genug Lesestoff für Lindgren Fans und oft auch von Astrid selbst geschrieben. Dennoch kann ich nach der Lektüre des Buches definitiv sagen: es lohnt sich. Es ist vor allem ein kurzweiliges und liebevolles Buch, das einfach zu lesen ist, viele Impulse setzt und auch für mich, die schon Einges von und über Lindgren gelesen hat, bot es so Einiges Neues. Zu Wort kommen in dem Buch zum Beispiel Lindgrens Tochter Karin, ihre Enkel, ihre Illustratoren, mehrere Menschen mit denen sie im Verlag oder bei der Arbeit an ihren eigenen Büchern zusammengearbeitet hat, Inger Nilsson (wem ihr Name nichts sagt wird vermutlich sowieso kein Buch über Astrid Lindgren lesen) und noch einige weitere Weggefährten. 

Besonders interessant fand ich auch darüber zu lesen wie die Familie die Firma „Astrid Lindgren“ heute leitet, managed und weiterentwickelt, sowohl was Produkte, die Bücher, Merchandising, Museum, etc angeht als auch den Umgang mit Veränderungen am Text. So würde Lindgrens Enkelin z.B. die Sprache einiger älterer Bücher gerne etwas modernisieren, da darin Begriffe verwendet werden, die Kinder heute gar nicht mehr kennen. Auch kommt kurz zur Sprache, dass Astrids Tochter Karin zunächst dagegen war das N-Wort aus Pippi zu entfernen, während ihre Enkelin sich schnell dafür entschied, „denn Lindgren hätte nie ein Wort verwenden wollen, dass Kinder verletzen kann“. Hier sieht man eine gesellschaftliche Weiterentwicklung auch innerhalb weniger Generationen der Lindgren Familie selbst. Aus meiner Sicht hätte man in 2023 ruhig auch noch etwas darauf eingehen können, wie die Tatsache, dass das Gesamtkonstrukt von Pippi und der Abwesenheit ihres Vaters auf einem sehr kolonialistischen Weltbild beruht aus heutiger Sicht zu bewerten ist. Da Lindgren Zeit ihres Lebens sehr meinungsstark und politisch war, hätte sie eine Auseinandersetzung mit dem Thema sicherlich nicht gestört. 

Abgesehen von diesem eher die heutige Zeit betreffenden Thema des literarischen Vermächtnisses, geht es in dem Buch aber meist tatsächlich um Erinnerungen an Astrid Lindgren, wie sie so war im beruflichen Umfeld, als Mensch, im Umgang und in ihren Einstellungen, Vorlieben und Meinungen. Dabei haben die Anekdoten tatsächlich dabei geholfen ein etwas besseres Bild von Astrid Lindgren zu bekommen. Außerdem bekam ich durch das Buch noch einige weitere spannende Tipps für Bücher, die ich noch gar nicht kannte, zum Beispiel der für mich extrem spannend klingende Briefwechsel mit der jungen Deutschen Sara Schwardt, der mir bis dahin gar nicht bekannt war und den ich unbedingt als nächstes Lindgren Buch lesen möchte.

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Buch-Tipp: „Das Marterl“ von Johannes Laubmeier

In „Das Marterl“ von Johannes Laubmeier kommt ein junger Mann in seine bayerische Heimatstadt zurück. Extra hat er abgewartet bis seine Mutter zu einer spirituellen Reise nach Asien aufgebrochen ist, denn der Grund für die Reise ist, dass der junge Mann sich endlich mit dem Tod des Vaters auseinander setzen will und dazu möchte er alleine sein. Dieser starb vor 10 Jahren bei einem Motorradunfall. Seitdem hat der Erzähler in Großbritannien gelebt, bevor er mit seiner Lebensgefährtin zurück nach Deutschland, aber nach Berlin, zog. In seinem Heimatort war er seitdem nur selten und den Tod des Vaters hat er nie richtig verarbeitet. Jetzt also ist er zurück in der Kleinstadt A. (die im ganzen Buch nur abgekürzt wird, aber von Erzählungen zu Geschichte und Sehenswürdigkeiten kann man die Stadt mit Google innerhalb von Sekunden identifizieren) und lässt sich erstmal mehr oder weniger treiben. Besucht Orte seiner Kindheit, den Unfallort, räumt den alten Schuppen seines Vaters aus, trifft ehemalige Freunde und Weggefährten und bekommt ganz langsam eine Verbindung zu dem Ort zurück, aber auch zu seinen Gefühlen von damals.

Die aktuelle Erzählung wechselt sich immer ab mit Episoden aus der Kindheit des Jungen, Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit in der bayerischen Provinz, Erinnerungen an den Vater und an die Heimat.

Die Sprache des Buches ist dabei finde ich einfach nur wunderschön. Melancholich und authenthisch ohne dabei aufgesetzt oder übertrieben „literarisch“ zu sein, einfach nur intensiv und direkt, so dass das Buch wirklich sehr berührt und sowohl die Kindheit des Jungen lebendig werden lässt als auch die Stadt A. und das „typische“ bayerische Kleinstadtleben, das einerseits durchaus ironisch und kritisch betrachtet wird, aber trotzdem nie ablehnend oder wertend. Ein ganz großartiges Debut von einem sehr talentierten Autor.