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Buch-Tipp: „Liebe Sophie, Liebe Valborg“ von Selma Lagerlöf

Ich bin ein großer Fan von Biografien und Autobiografien und habe auch schon gute Erfahrungen mit veröffentlichen Briefen von historischen Persönlichkeiten gemacht. Deswegen fiel mir das Buch „Liebe Sophie – Liebe Valborg“ von Selma Lagerlöf sofort ins Auge. Selma Lagerlöf ist den meisten Menschen in Deutschland vermutlich vor allem durch Nils Holgersson bekannt, außerdem war sie die erste Frau, die den Literaturnobelpreis verliehen bekam.

Dieses Buch befasst sich nun mit einer eher privaten Seite von Selma Lagerlöf, nämlich mit ihrer romantischen Beziehung zu gleich zwei Frauen gleichzeitig, die ihr Leben über Jahrzehnte begleiteten. Sophie Elkan war eine Schriftstellerkollegin von Lagerlöf, mit der sie sich intensiv über die jeweiligen Werke austauschte.
Valborg Olander half Selma Lagerlöf bei der Abschrift ihrer Werke und mit ihrer Korrespondenz. Mit beiden Frauen führte Selma Lagerlöf einen ausführlichen Briefwechsel, der Jahrzehnte überdauerte und sehr intim war. Im Buch abgedruckt sind lediglich Briefe von Selma Lagerlöf, nicht die Antworten ihrer Freundinnen. Zu jedem Brief gibt es immer einen kleinen erklärenden Text zu Hintergründen oder zum Kontext.

Einerseits ist es sehr unterhaltsam zu lesen, wie Selma Lagerlöf versucht mit den Bedürfnissen ihrer beiden sehr unterschiedlichen Freundinnen zu jonglieren und versucht vor allem die Eifersucht von Sophie Elkan auf Valborg Olander zu beschwichtigen (auch wenn dieser Charakterzug von Selma Lagerlöf nicht unbedingt immer 100% sympathisch rüberkommt, so doch immerhin sehr menschlich). Andererseits erfährt man ebenfalls sehr viel über die Alltagssorgen der Menschen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts (zugebenermaßen den Alltagssorgen eher privilegierter Menschen), die politischen Ereignisse und die Arbeit an den Büchern der Schriftstellerin. Mir hat das Buch wirklich hervorragend gefallen und ich würde es jedem empfehlen, der Interesse an Selma Lagerlöf hat, mehr über sie lernen möchte oder der Spaß an historischen Briefwechseln hat. Bei mir hat das Buch sehr viel Lust darauf geweckt mehr über und von Selma Lagerlöf zu lesen.

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Buch-Tipp: „Mein Leben mit Fjodor Dostojewski“ von Anna Dostojewskaja

Fjodor Dostojewski ist einer meiner Lieblings-Klassikschriftsteller. Ich habe „Schuld und Sühne“ schon vor einigen Jahren gelesen und vor wenigen Monaten eine Neuauflage von „Die Doppelgänger“. Deswegen hatte ich auch große Lust einmal ein Sachbuch über ihn zu lesen und die Neuauflage der Erinnerungen von Dostojewskis (zweiter) Ehefrau Anna Dostojewskaja „Mein Leben mit Fjodor Dostojewski“ kam mir da gerade recht, fand ich es doch besonders spannend direkt von seiner Ehefrau etwas über den berühmten Schriftsteller zu erfahren. 

Das Buch schildert entsprechend das Leben des Schriftstellers in den 14 Jahren bis zu seinem Tod in denen er mit Anna Dostojewskaja verheiratet war. Die 20-jährige Anna lernte den damals 44-jährigen Fjodor 1866 kennen als sie von ihrem Stenographie-Lehrer zu ihm vermittelt wurde, er suchte jemanden der ihn bei der Arbeit an seinen Büchern unterstützt. Aus einer sehr produktiven Arbeitsgemeinschaft wurde eine liebevolle Ehe, die von gegenseitiger fast schon überschwänglicher Schwärmerei von dem jeweils anderen geprägt war. 

Anna Dostojewskaja schildert ihr Leben mit Dostojewski in sehr strukturierter chronologischer Form (sicher der Tatsache geschildert, dass sie jahrelang stenografisch sehr detailliert Tagebuch schrieb, was beim Verfassen eines solchen Erinnerungsromans sicher sehr hilfreich ist). Beginnend mit der Schilderung ihrer eigenen Kindheit über das Kennenlernen von Dostojewski, die Schwierigkeiten mit seiner Familie direkt nach der Hochzeit, Jahren im Ausland, schwierigen finanziellen und beruflichen Herausforderungen, schlimmen privaten Verlusten und gesundheitlichen Problemen, aber auch vielen „balanen“ und humorvollen Alltagsereignissen. Für mich sehr herausragend an den Erinnerungen waren mehrere Dinge: erstens waren viele der Anekdoten und Erlebnisse wirklich lustig und charmant, zweitens beeindruckte mich die positive Einstellung mit der Anna von der gemeinsamen Zeit mit ihrem Mann schrieb, obwohl der Alltag der beiden von viel Leid (zwei der vier gemeinsamen Kinder starben schon in den ersten Lebensmonaten und -jahren) und Sorgen (ständig Schulden und dem daraus bedingten Zeitdruck unter dem Dostojewski seine Bücher schreiben musste) geprägt war. Trotzdem empfand Anna die Zeit mit ihrem Mann als die glücklichste ihres Lebens und diese tiefe Liebe zu ihrem Mann war wirklich aus jeder Zeile zu entnehmen und sehr bewegend. Trotzdem thematisierte sie durchaus auch die schwierigen Seiten seines Charakters, wie seinen Jähzorn und ständige Eifersuchtsanfälle.

Insgesamt fand ich das Buch rundum gelungen, mitreissend und leicht lesbar geschrieben, unterhaltsam, bewegend und auch einfach perfekt wenn man authentische Einblicke in das Leben in Russland und auch Europa im späten 19. Jahrhundert bekommen möchte. Sehr schön abgerundet wird das Buch mit einigen Fotografien der Familie. 

Somit also ein perfekter Start ins Lesejahr 2022.

Gerne möchte ich in Zukunft auch noch den Briefwechsel von Fjodor und Anna lesen, der unter dem Titel „Ich denke immer nur an Dich: Eine Liebe in Briefen“ veröffentlicht wurde, um noch mehr direkte Einblicke in diese wirklich faszinierende historische Liebesgeschichte zu erhalten.

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Buch-Tipp: „Mit Dir, Ima“ von Daniela Kuhn

„Mit dir, Ima“ von Daniela Kuhn ist ein sehr persönliches Buch. Die Schweizerin Daniela Kuhn erzählt darin die Lebensgeschichte ihrer Mutter (das hebräische Wort „Ima“ bedeutet „Mama“), einer Jüdin mit irakischen Wurzel, die in Israel aufwuchs und dann einen nicht-jüdischen Schweizer heiratete, dem sie in die Schweiz folgte. Diese Entwurzelung wäre vermutlich für jeden schon schwierig, doch Daniela’s Mutter ist auch noch psychisch krank, schon vor ihrer Heirat verbrachte sie in Israel einige Zeit in Kliniken. Sie hört Stimmen und leidet öfters unter Wahnvorstellungen (so ist sie irgendwann mal davon überzeugt, dass Prince Charles sie heiraten möchte), die Diagnose lautet Schizophrenie. Über 39x wurde Danielas Mutter im Laufe ihres langen Lebens (zum Erscheinen des Buches war sie über 80) in Kliniken eingewiesen oder liess sich freiwillig einweisen.

Im Mittelpunkt des Buches steht vor allem auch die Beziehung der Autorin mit ihrer Mutter, die in Kindheit und Jugend verständlicherweise oft von Ablehnung geprägt war, dann aber im Alter doch wieder intensiver wurde, schwierig und nervenaufreibend blieb. Aber trotzdem konnte die Autorin im Alter zumindest zeitweise die Nähe zu ihrer Mutter finden, die sie als Kind so schmerzlich vermisst hat.

Die erste Hälfte des Buches fand ich interessant, aber manchmal nicht ganz einfach zu lesen, denn die Lebensgeschichte der Mutter bleibt gefühlt sprunghaft, unvollständig und fragmentiert. Was aber mit Sicherheit daran liegen dürfte, dass das Leben der Mutter eben auch tatsächlich unstet und fragmentiert war und die Autorin die Erinnerungen aus eigenen Tagebucheinträgen und Tagebucheinträgen des Vaters rekonstruieren musste.

Im zweiten Teil erzählt die Autorin dann mehr aus der Gegenwart, wie die Mutter heute im Altenheim lebt, teilweise deutlich stabilisierter als früher, aber dennoch immer wieder in Kliniken eingeliefert werden muss und Mutter und Tochter eine gewisse Stabilität in ihrer Beziehung suchen. Diesen Teil fand ich deutlich eingänglicher und damit auch intensiver und weniger nüchtern erzählt. Am Ende wird auch noch darauf eingegangen wie die Corona-Krise quasi aus dem Nichts das zerbrechliche Gleichgewicht wieder störte, von einem Tag auf den anderen durfte die Autorin ihre Mutter nicht mehr besuchen, diese das Altersheim nicht mehr verlassen.
Die Autorin hat aufgrund dieser Erfahrungen ein Buch über das Besuchs- und Ausgehverbot während Corona in Schweizer Heimen geschrieben, in dem Betroffene ihre Geschichten erzählen konnten.

Mir hat das Buch insgesamt sehr gut gefallen, sicher kein einfaches Thema, aber ein sehr hilfreicher Einblick in den Alltag mit einer psychisch kranken Mutter.

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Buchtipp: „Herzfaden – Roman der Augsburger Puppenkiste“ von Thomas Hettche

„Herzfaden – Roman der Augsburger Puppenkiste“ von Thomas Hettche ist das Buch auf das ich dieses Jahr vielleicht am Gespanntesten war. Denn die Augsburger Puppenkiste mag ich schon lange, liebte ich doch als Kind „Lukas den Lokomotivführer“ und noch viel mehr den „Kater Mikesch“ (und zwar unbedingt die ältere Version in Schwarzweiss!). Eigentlich hatte ich dieses Jahr mit einer Freundin einen Städtetrip nach Augsburg geplant, bei dem ich auch gerne das Museum der Augsburger Puppenkiste besucht hätte, das fiel aber Corona-bedingt alles ins Wasser. Da ist ein Buch, das in Romanform die Geschichte von Hannelore „Hatü“ Marschall-Oehmichen, der Tochter von Walter Oehmichen – dem Gründer der Augsburger Puppenkiste erzählt – natürlich ein schöner Ersatz (und der Städtetrip nach Augsburg kann hoffentlich kommendes Jahr nachgeholt werden).

Das Märchenhafte des Buches entsteht vor allem durch den Rahmen: nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste findet sich ein 12-jähriges Mädchen nach dem Entdecken einer Tür mitsamt seines iPhones auf einem düsteren Dachboden wieder, plötzlich umringt von den zum Leben erwachten Marionetten der Augsburger Puppenkiste und von Hatü, die ihr ihre Geschichte und die ihrer Marionetten erzählt. Die Geschichte beginnt als Hatü und ihre Schwester 8 und 9 Jahre acht sind und ihr Vater im 2. Weltkrieg als Soldat eingezogen wird. Nachdem er in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut, beginnt Hatü gemeinsam mit ihrer Vater Marionetten zu schnitzen und gemeinsam Theater zu spielen, zuerst als Aufmunterung für Kriegsversehrte, bis das ursprüngliche Theater in der Bombennacht 1944 komplett verbrennt. Auch nach dem Krieg ist die Leidenschaft nicht erloschen, so dass Hatü und ihr Vater, das Theater wiederbeleben und zum Beruf machen.

Dass mir das Buch gefallen würde, hatte ich schon erwartet, nicht aber wie „magisch“ die Erzählung auf mich wirken würde, denn dem Autor ist wirklich ein Buch gelungen, dass Märchen und historische Erzählung stilistisch und inhaltlich so verbindet, dass die Art Buch herauskommt, die wirklich jeder lesen kann, Erwachsener oder Kind. Das Buch erinnerte mich etwas an ein Werk von Michael Ende, das sich aber trotzdem mit den schwierigsten Themen auseinander setzt, die man literarisch angehen kann, denn Hannelores Kindheitsbeschreibung zeigt nicht nur die Entstehung der Augsburger Puppenkiste, sondern auch eine Kindheit und Jugend im Dritten Reich, die nicht nur geprägt ist von den Schrecken des Krieges, sondern auch von der Frage nach der eigenen Schuld und dem Hin- und Wegschauen.

Für mich sprachlich und inhaltlich bisher mit Abstand das beste und schönste und charmanteste Buch das ich 2020 gelesen habe. Abgerundet und bereichert wird das Buch durch einige schöne filigrane Bleistiftzeichnungen.

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Buchtipp – „Becoming“ von Michelle Obama

Heute möchte ich mal wieder eine Promi-Autobiografie vorstellen und zwar „Becoming – Meine Geschichte“ von Michelle Obama. Ich habe das Buch als Hardcover bekommen und muss zugeben, dass ich durchaus Respekt davor hatte es anzufangen, denn es handelt sich dabei wirklich um einen ziemlichen „Wälzer“. Doch ich kann sagen, dass das Buch sich absolut flüssig und kurzweilig lesen ließ und mich deutlich mehr begeistert und mitgerissen hat als ich es von einer Autobiografie erwartet hätte, in der der amerikanische Polit-Betrieb eine große Rolle spielt.

Grob kann man das Buch in drei Teile aufteilen, im ersten Drittel beschreibt Michelle Obama sehr liebevoll und farbig ihre Kindheit in Chicago und zeichnet ein Bild von einer aus ganz normalen Verhältnissen stammenden afroamerikanischen Familie, die in einer Wohnung im Haus ihrer Tante wohnte. Michelle wuchs bei liebevollen und liberalen Eltern auf (ich fand es sehr erfrischend, dass es in den USA nicht nur Eltern mit einer puritanischen Einstellung zur Sexualerziehung ihrer Kinder gibt). Sehr berührend auch ihre Schilderungen über die Multiple Sklerose Erkrankung ihres Vaters, der sich von der Krankheit trotzdem nicht nehmen ließ fast bis zu seinem Tod täglich diszipliniert zur Arbeit zu gehen. Aber auch über die Bildungsnachteile afroamerikanischer Kinder lernt man in diesem Abschnitt viel und darüber wie in Michelles Kindheit nach und nach immer mehr weiße Mitschüler und Familien aus ihrem Wohnviertel in die Suburbs zogen, eine Entwicklung die überall in den USA, die Unterschiede zwischen den Rassen noch verstärkte (eindrucksvoll illustriert von den Klassenfotos der Klassen 1 bis 4, auf denen man sehen kann wie Michelles Klasse von einer recht bunt durchmischten Klasse zu einer Klasse mit nur afroamerikanischen Schülern wurde, innerhalb von nur 4 Jahren!).

Der zweite Teil beschäftigt sich einerseits damit wie Michelle Barack Obama kennenlernte und mit ihrer eigenen Berufsfindung. Denn Michelle, die sehr zielstrebig in Princeton studierte und begann als Anwältin zu arbeiten, merkte recht schnell, dass sie dieser vernünftige und lukrative Beruf nicht erfüllt. Ausgiebig erzählt Michelle von ihrem Hadern mit dem Erfolgsdruck und den inhaltlich nicht erfüllenden Aufgaben und darüber wie sie sich entschied beruflich andere Wege zu gehen, auch wenn das nicht so viel Geld einbringt.
Relativ schockierend (wenn auch nicht überraschend) fand ich in diesem Zusammenhang, dass man sich bei einem Ivy League Studium dermaßen verschulden muss, dass man quasi gezwungen ist den größten Teil seines hochbezahlten Jobs jahrelang zum Abbau dieser Schulden zu benutzen (was irgendwie den Vorteil der privilegierten Ausbildung auch wieder halb ruiniert). Und dass selbst jemand wie Michelle Obama mit einem derartigen Abschluss erst mit Mitte 30 in der Lage war sich eine wirklich gute Krankenversicherung zu leisten (wofür man eigentlich auch wieder so reich sein muss, dass man diese nicht so dringend benötigt wie jemand der weniger Geld hat). Aus Deutscher Sicht ein ziemlich perverses System, das eigentlich nur darauf beruht, dass man als junger Mensch auf keinen Fall das Pech haben darf krank oder arbeitslos zu werden und das einem ruhig mal wieder in Erinnerung bringen könnte, wie viel Glück wir Deutsche mit unseren Sozial-, Renten- und Krankenversicherungssystemen haben (auch in dieser Pandemie ist nicht zu vergessen, dass es in den USA sowas wie Kurzarbeit auch nicht gibt…) Leider neigt der Deutsche ja trotzdem eher zu Nörgeleien als zu Dankbarkeit.

Im dritten Teil geht es dann um den Teil an den die meisten Menschen bei Michelle Obama denken, Obamas Präsidentschaftswahlkampf und seine Zeit als US Präsident, sowie ihre Zeit als First Lady.
Besonders gut gefallen hat mir in dem Buch, dass Michelle keinen Hehl daraus macht, dass sie quasi von Anfang an wenig von Baracks politischen Ambitionen hielt (was im Prinzip auch bis zum Ende anhielt) und generell mit dem ganzen Politikbetrieb, den sie als zu toxisch und destruktiv empfindet, gar nicht wirklich viel anfangen kann und konnte. Trotzdem schaffte sie es ihren Mann sowohl als Ehefrau als auch beim Präsidentschaftswahlkampf zu unterstützen und ihre Rolle als First Lady mit eigenen Inhalten und Aufgaben zu erfüllen, größtenteils ohne sich selbst allzu sehr zu verbiegen. In dem Teil fand ich es am Spannendsten zu erfahren wie das Leben als US Präsident und First Lady im Alltag aussieht und wie sehr das normale Leben in dieser Zeit quasi unmöglich wird. Michelle und Obama konnten z.B. nicht mal einfach unkompliziert direkt miteinander private Termine ausmachen (geschweige denn etwas unternehmen) und auch das Aufrechterhalten eines halbwegs normalen Alltags für die Töchter Sasha und Malia war ein komplizierter Kraftakt (was Michelle auch durchaus oft ein schlechtes Gewissen verschaffte). In diesem Teil des Buches erfährt man viel über die Herausforderungen und Schattenseiten des Ruhms, aber auch viele unterhaltsame Details darüber wie Michelle sich und ihrer Familie innerhalb dieses „Goldenen Käfigs“ kleine Freiheiten schaffte.

Abgerundet wird das Buch durch eine Sammlung von schönen privaten Bildern im Mittelteil, so dass ich es wirklich rundherum gelungen fand und uneingeschränkt empfehlen kann. Für Netflix-Abonnenten empfehle ich zusätzlich noch die gleichnamige Doku über Michelles Lesereisen-Tour, die das Buch echt super ergänzt.

Bücher

Die letzten Tage von Virginia Woolf: „Ach, Virginia“ von Michael Kumpfmüller

„Ach, Virginia“ von Michael Kumpfmüller ist ein sehr außergewöhnlicher biografischer Roman, der sich ausschließlich mit den letzten 10 Tagen des Lebens der Schriftstellerin Virginia Woolf beschäftigt. Diese beging am 28. März 1941 Selbstmord, indem sie ins Wasser ging, das Buch spielt also in den 10 Tagen zuvor und man wird quasi direkt in die Gedankenwelt der Schriftstellerin geworfen. Sie hat gerade ihr letztes Buch fertig gestellt, hält dieses aber für komplett misslungen und ist wie schon mehrmals bisher in ihrem Leben am Rande eines Zusammenbruchs. Sie fürchtet, dass ihr Ehemann sie zu einer Einweisung in einer psychatrischen Klinik zwingen oder überreden wird. Sie kann nicht schlafen, leidet gelegentlich darunter Stimmen zu hören, tigert durch die Wohnung, kann weder arbeiten noch sich ausruhen und die Hilfeversuche ihres Ehemannes und ihrer Schwester, sowie der befreundeten Ärztin Octavia lehnt sie ab. So werden die letzten Tage in Virginias Leben aus Sicht der Schriftstellerin geschildert, wobei natürlich ihr Innenleben, sowie die Reflektion über vergangene und aktuelle Beziehungen (zum Beispiel ihre mehrjährige Liebesbeziehung zu der Schriftstellerin Vita Sackville-West) den größten Raum einnehmen. Auch ohne bis ins Detail mit Werk und Leben von Virginia Woolf vertraut zu sind, kann man dem Roman hierbei problemlos folgen (ich habe allerdings parallel etwas Recherche betrieben und mich mit ihrer Biografie beschäftigt).

Wieviel genau vom Inhalt der letzten Tage belegt ist und wieviel der Fantasie des Autors entsprungen kann ich natürlich ohne tiefere Kenntnisse nicht beurteilen, gehe aber davon aus, dass viele der Ereignisse belegt sind, denn sowohl die Abschiedsbriefe an Virginias Ehemann Leonard und ihre Schwester, also auch die Autobiografie von Virginias Ehemann und Virginias eigene Tagebucheinträge der letzten Tage, stehen als belegte Quellen zur Verfügung. Trotzdem ist das Buch natürlich ein fiktiver Roman, aber aus meiner Sicht hervorragend gelungen, mitreißend und glaubwürdig.

Jetzt ist das Thema des Buches natürlich sehr bedrückend, zumal man schon zum Beginn des Buches weiß, dass es mit dem Selbstmord der Hauptperson enden wird. Trotzdem fand ich die Lektüre weder deprimierend noch besonders schwer. Für mich ein faszinierender und außergewöhnlicher Roman, der auch Lust weckte sich mehr mit Virginia Woolfs Romanen und anderen Werken über ihr Leben zu beschäftigen.

Allgemein, Bücher

Roman-Biografie über Michael Ende: „Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit“

„Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit“ von Charlotte Roth ist eine Romanbiografie über den Schriftsteller Michael Ende. Wie vermutlich die meisten Kinder habe ich dessen berühmtesten Bücher „Lukas und der Lokomotivführer“, „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ als Kind begeistert gelesen (und vor allem die Augsburger Puppenkisten Adaption vom Lukas geliebt). Mit seinem Leben und seiner Entwicklung als Autor habe ich mich aber nie näher beschäftigt. Trotzdem hat mich die Idee einer Romanbiografie über sein Leben sofort angesprochen, schon alleine durch den sehr faszinierenden und inspirierenden Titel.

Die Geschichte beginnt schon vor der Geburt Michael Endes, mit dem Kennenlernen seiner Eltern Edgar Ende und seiner Mutter Luise. Edgar Ende ist Künstler und Maler, vor und auch nach Michaels Geburt in Garmisch-Partenkirchen nur mit sehr wechselhaftem und unzuverlässigem kommerziellen Erfolg gesegnet. Michaels Mutter liebt ihren kleinen Sohn abgöttisch, eine Liebe die schon in den ersten Jahren des Familienlebens bei mir beim Lesen ein etwas unwohles Gefühl hervorrief, obwohl nichts im Text eine Erklärung dafür lieferte. Das das Gefühl etwas gerechtfertigt war, zeigte sich im späteren Verlauf des Buches allerdings noch, denn die Liebe von Michaels Mutter erschien dann später doch oft als durchaus „erdrückend“. Auch der starke Zusammenhalt der armen aber glücklichen Familie aus den ersten Jahren bleibt nicht lange erhalten, so dass Michaels Kindheit zuerst durch viele erbitterte Streitereien der Eltern und dann auch noch durch die Gräuel der Nazi-Zeit geprägt sind. Trotzdem bekommt Michael von seinen Eltern schon immer ein Faible für Kunst, Fantasie und Träumereien vermittelt. Nachdem es beruflich für seinen Vater zuerst etwas bergauf ging, wird dessen Kunst während der Nazizeit zu entarteter Kunst erklärt und verboten, die Familie landet wieder ganz am Anfang und kann sich nur durch die Arbeit der Mutter als Heil-Masseurin mit Mühe und Not in einer kleinen Münchner Wohnung über dem Wasser halten.

Beeindruckend fand ich bei dem Teil der Geschichte die Erzähl- und Bildkraft der Autorin Charlotte Roth, die den Einfluss der schwierigen Zeit auf das Kind Michael so lebhaft vermittelte, dass es für mich eine der eindrücklichsten und bewegendsten Schilderungen einer Kindheit im 3. Reich war, auch wenn das hier nur einen relativ kleinen Teil der Geschichte ausmachte. So lernte ich auch in diesem Buch das erste Mal welchen Einfluß diese Kindheitserfahrungen zum Beispiel auf die Entstehnung von „Momo“ waren und was Hintergrund und Inspiration für die Zeit stehlenden Grauen Herren waren, etwas das mir als Kind nicht bewußt war.

Der 2. Teil des Buches beschäftigt sich dann entsprechend einerseits überwiegend mit Michael Endes schriftstellerischer Karriere, die durch bemerkenswert viele Zweifel, Schreibblockaden und Fehlschläge geplagt war und andererseits mit seinen Beziehungen zu seiner ersten Ehefrau, der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, deren großen Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen, sowie seinem etwas schwierigem Verhältnis zum Thema Treue. Besonders interessant fand ich auch zu erfahren wie schwierig und für den Autor deprimierend der Prozess der Verfilmung von „Die unendliche Geschichte“ verlief und wie unzufrieden und verhasst der endgültige Film für Michael Ende war (er wurde nur unter Androhung einer für seinen Verlag und ihn selbst existenzbedrohenden Klage dazu genötigt sich nicht mehr gegen den Film zu positionieren) . Da ich den Film als Kind gar nicht so schrecklich fand (obwohl ich die Kritik von Michael Ende aus dem Buch jetzt im Nachhinein schon gut nachvollziehen kann und es auch als Kind schon etwas merkwürdig fand, dass Fuchur aussieht wie ein putziger Hund), war das quasi erst mal etwas schockierend. Aber genauso habe ich erst dieses Jahr erfahren, dass Stephen King die doch sehr kultige Verfilmung von „Shining“ mit Jack Nicholson hasste. Vermutlich kommt es gar nicht so oft vor, dass eine Romanverfilmung die künstlerischen Ansprüche des Autors erfüllt.

Sprachlich und stilistisch fand ich das Buch wirklich herausragend und auch sonst hat es mir immens Spaß gemacht auf diese Art und Weise mehr über den Autor Michael Ende und seine Werke zu erfahren. So erhält man als Leser nochmal einen ganz anderen Zugang zu den Texten und Figuren eines Autors und ich habe richtig Lust bekommen die Klassiker von Michael Ende unter diesen neuen Voraussetzungen mal wieder zu lesen. Fans von Biografien (man sollte sich bewusst sein, dass bei einer Romanbiografie der künstlerische Ausdruck vor 100% Faktentreue steht, was im Vorwort auch betont wird) und Fans von Büchern über Autoren und Literatur, sowie allen Lesern, die Michael Endes Bücher mögen empfehle ich das Buch uneingeschränkt.

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Für Eiskunstlauf-Fans: „Beautiful on the Outside“ von Adam Rippon

Heute möchte ich eine englischsprachige Sport-Autobiografie vorstellen: „Beautiful on the outside“ des erst 30 jährigen US-amerikanischen Eiskunstläufers Adam Rippon. Adam ist nun nicht unbedingt einer der allergrößten Stars des Eiskunstlaufs gewesen und auch kein mehrfacher Welt- oder Olympiasieger. Seine größten sportlichen Erfolge waren trotzdem beachtlich, nämlich der Gewinn der Amerikanischen Meisterschaften, der Gewinn der Team-Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen 2018, sowie gute Top Ten Platzierungen bei Olympia und Weltmeisterschaften.
Auch unabhängig vom Amateuer Sport ist Adam Rippon inzwischen wohl einer der bekanntesten männlichen Eiskunstläufer in den USA, den seine Entertainmentqualitäten, sowie wie er sich während der Olympischen Spiele 2018 mit dem homophoben Vize-Präsident der USA Mike Pence anlegte, sorgten dafür dass er der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. So spielte er z.B. in Taylor Swifts Musikvideo zu „You need to calm down“ mit, arbeitet fürs Fernsehen und führt einen erfolgreichen Youtube Channel.

In seiner Autobiografie geht es aber fast ausschließlich um seine (inzwischen beendete) Karriere als Amateur Eiskunstläufer und von dem her macht es tatsächlich Sinn, dass er das Buch über diesen Teil seines Lebens schon mit „zarten“ 30 Jahren veröffentlicht hat.

Das Buch erzählt von den ersten Jahren seiner Eiskunstlaufkarriere als Kind bis hin zu dem absoluten Karriere-Highlight, den Olympischen Winterspielen 2018. Im Gegensatz zu vielen anderen Top-Läufern stammt er nicht aus einer privilegierten Familie (Eiskunstlaufen ist ein sehr teurer Sport, den man noch dazu in der Regel jahrelang selbst finanzieren muss, bevor Preisgelder oder Sponsorenverträge eventuell ausreichen, um zumindest die Kosten zu decken), sondern aus einer ziemlich normalen Familie mit noch dazu 6 Kindern, so dass seine Mutter viele Opfer bringen und unermüdlich daran arbeiten musste, seine Eislaufkarriere zu unterstützen. Auch begann er erst mit 9 oder 10 Jahren mit dem Training, was für einen Wettkampfläufer sehr spät ist (die meisten Top-Läufer beginnen bereits mit 3 oder 4 Jahren). Dafür hat er es später definitiv noch sehr beeindruckend weit gebracht.

Sehr gut gefallen hat mir an dem Buch erstens der sehr witzige, selbstironische, aber trotzdem sehr reflektierte erwachsene Schreibstil. Das allein hat es zu einem Vergnügen gemacht das Buch zu lesen, aber auch der Inhalt kann vollends überzeugen. Mir hat vor allem gut gefallen, dass das Buch eine sehr gute Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Themen findet: Entwicklung der (nicht immer problemlosen) Beziehung zu seiner Mutter und seinem Vater , Schilderung vom Eiskunstlauf-Trainingsalltag, Anekdoten über seine Trainer (Eiskunstlauffans werden vor allem Nikolai Morozov und Rafael Aratunian natürlich kennen), Wettbewerbe, aber auch Coming Out, Privat- und Liebesleben und Freundschaften mit anderen Eisläufern wie Ashley Wagner und Mirai Nagasu. Dabei ist das Buch für ein amerikanisches Buch über Eiskunstlaufen sehr offen und nicht dem schönen Schein verpflichtet (wie es bei anderen Eiskunstlauf Biografien doch oft zu sein scheint) und auch Themen wie Alkohol, Sex und leichte Drogen werden nicht ausgeklammert.

Mir hat vor allem gut gefallen, dass man durch das Buch einmal einen Einblick bekommt, wie viele verschiedene Faktoren im Hintergrund die Karriere eines Eisläufers beeinflussen, als Fan schaltet man meist den TV (oder heute Youtube) ein, sieht einen Wettbewerb bei dem ein Läufer einen schlechten Tag hat und stürzt und hat aber keine Ahnung, welche finanziellen Hindernisse, privaten Beziehungsprobleme oder sonstige Unwegsamkeiten den Läufer die letzten Tage oder Wochen so begleitet haben. Man bekommt dadurch nochmal einen ganz anderen Blick darauf wie schwierig so eine Sportler-Karriere ist, allein deswegen fand ich das Buch für jeden Sportfan lesenswert.

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Autobiografie: „Abgeschminkt: Das Leben ist schön – Von einfach war nie die Rede“ von Ilka Bessin

Diese Woche möchte ich mal wieder eine Promi-Autobiografie vorstellen, nämlich die von Ilka Bessin (den meisten wohl eher unter dem Namen ihrer ehemaligen Kunstfigur „Cindy aus Marzahn“ bekannt). Ilka schrieb das Buch „Abgeschminkt: Das Leben ist schön – Von einfach war nie die Rede“ nachdem sie sich entschlossen hatte Abschied von ihrem künstlerischen Alter Ego „Cindy“ zu nehmen. Das Buch könnte deswegen auch als Übergang in einen neuen Lebensabschnitt gesehen werden.

Die Autobiografie ist sehr strukturiert in 4 Teile und damit auch Lebensabschnitte gegliedert, was mir sehr gefallen hat und auch sprachlich ist das Buch sehr präzise, sachlich und erfrischend selbstkritisch.

Der 1. Teil des Buches befasst sich mit Ilkas Kindheit und Jugend in der DDR. Sie stammt nicht wie Cindy aus Marzahn, sondern aus dem brandenburgischen Luckenfelde. Ihr Vater war Fernkraftfahrer und einer der wenigen, der auch Waren in den kapitalistischen Westen transportieren durfte. Ilkas Kindheit war also durchaus mit einigen Privilegien in Bezug auf West-Waren verbunden allerdings auch geprägt durch ein schwieriges beziehungsweise ambivalentes Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer Schwester und durch Hänseleien von Mitschülern, denen sie dadurch begegnete, dass sie sich eine große Klappe und eine Rolle als „Klassenclown“ zulegte. Mir hat dieser Teil der Biografie sehr gut gefallen, da ich als „Westler“ noch nicht so viele Biografien aus der DDR gelesen habe und es da doch immer Neues zu entdecken gibt.

Der 2. Buchabschnitt beschäftigt sich dann mit Ilkas beruflichem Werdegang bevor sie ins Showbusiness gelangte, sie machte noch zu DDR Zeiten eine Kochlehre und weiter eine Ausbildung zur Hotelfachfrau und arbeitete dann auch jahrelang im Gastronomiebereich (zum Beispiel verschlug es sie zunächst in zwei Gaststättenbetriebe im Schwarzwald oder in die nicht mehr existente Restaurantkette „Planet Hollywood“ an die Ilka nur positive Erinnerungen hat). Aber auch erste Entertainment Erfahrungen konnte Ilka sammeln, arbeitete sie doch 2 Saisons lang als Animateurin auf der AIDA (laut ihren Erfahrungen auch ein Job mit Licht und Schatten).

Nachdem Ilka in ihrem letzten Restaurantjob eine Kündigung erhielt, beginnt der wohl schwierigste Lebensabschnitt und damit auch der 3. Teil des Buches, Ilka wird arbeitslos und bezieht mehrere Jahre Hartz4. Auch hier schildert sie ihre Eindrücke über die nicht sehr konstruktiven und wenig hilfreichen Treffen mit ihrer Job-Center-Mitarbeiterin (mit der Ilka nie richtig warm wird) und die aus der Arbeitslosigkeit resultierenden extrem schwierigen 4 Jahre. Wie aus dieser Situation heraus irgendwann Cindy aus Marzahn geboren wird und innerhalb doch recht kurzer Zeit zu einem Super-Hit wird, beschreibt Ilka auch in diesem Abschnitt des Buches: von den Anfängen im Quatsch Comedy Club bis hin zu ihrer ersten eigenen Tour und zahlreichen TV Auftritten erlebt Cindy einen rasanten Aufstieg.

Der letzte Teil des Buches beschäftigt sich dann mit der langsamen Abkehr von Cindy aus Marzahn, mit den privaten Schwierigkeiten die diesen Zeitraum auch stark beeinflussten (z.B. die Demenz-Erkrankung und spätere Tod ihres Vaters, sowie eine eher ungesunde Beziehung) und mit den Schattenseiten des Showgeschäfts und den negativen Charaktereigenschaften, die Ilka selbst dadurch entwickelt. Dabei ist sie durchaus sehr selbstkritisch und bescheinigte sich zum Beispiel ausgeprägte Star-Allüren. Ein Wendepunkt für ihre Entscheidung mit „Cindy aus Mahrzahn“ aufzuhören war wohl unter anderem eine Talkshowbesuch als Cindy aus Marzahn bei Markus Lanz in der sie ein Gespräch zwischen ihm und Julia Glöckler so aufregte, dass sie das starke Bedürfnis hatte sich in der Show gesellschaftspolitisch zu äußern, etwas das von der Kunstfigur Cindy aus Marzahn weder erwartet wird noch so richtig ernst genommen (die Kombination aus Markus Lanz und Julia Glöckler würde vermutlich auch mir den Rest geben :-P). Und Ilka wollte irgendwann nicht mehr nur als „lustige dicke Ulkfigur“ wahr genommen werden, was sich als Cindy eher nicht realisieren liess und auch bei Teilen des Publikums nicht unbedingt so gut ankam.

Mir hat das Buch jedenfalls hervorragend gefallen, es ist eine sehr gelungene Mischung aus privatem und beruflichen und jeder geschilderte Lebensabschnitt ist auf seine eigene Art und Weise interessant und berührend.

Wie immer wenn man Bücher aus dem Showbusiness liest erschließt sich einem nicht wirklich warum so viele Leute davon träumen berühmt zu werden, dann nach einem Traumjob klingt das oft nicht im Geringsten. Für Ilka war es wohl vor allem finanziell ein Lebensretter, allerdings kommen in dem Buch sonst nicht sehr viele positive Aspekte einer Showbusiness-Karriere rüber, es klingt eher nach dem typischen Haifischbecken als die die Showbranche ja oft beschrieben wird. Trotzdem klingt sie am Ende des Buches sehr mit sich im Reinen. Es wird interessant sein zu sehen, wie sie sich als Ilka Bessin langfristig im Showgeschäft schlagen wird (das Erstellen einer eigenen Show mit ihr selbst als Hauptfigur statt mit der Kunstfigur „Cindy“ scheint schwieriger zu sein als vermutlich anfangs angenommen), doch wie der Untertitel des Buches so schön sagt: „Das Leben ist schön – Von einfach war nie die Rede“

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Promi-Autobiografie: „Ich war mein größter Feind“ von Adele Neuhauser

Adele Neuhauser ist aktuell meine Lieblings-Tatort-Schauspielerin. Ich muss zugeben, dass ich vor dem Tatort ihren Namen und ihr Gesicht auch schon kannte und sicher die eine oder andere Produktion gesehen hatte, aber leider nicht näher mit ihrer künstlerischen Arbeit vertraut war. Das lässt sich für ihre vergangene Arbeit als Theaterschauspielerin nicht mehr ändern, aber ich hoffe, ich werde die Zeit finden zumindest noch mehr von ihren anderen Filme und Serien anzuschauen. Die Tatort Figur der „Bibi Fellner“ finde ich aber dermaßen
charmant und gelungen, dass ich auf Anhieb zu einem Riesenfan von ihr wurde (ich war etwas entsetzt in dem Buch zu lesen, wie laut Adele Neuhauser die künstlerische Ausgestaltung von Bibi Fellner von den Deutschen Sendeanstalten – explizit nicht den Österreichischen – eingeschränkt wird…da wundert es mich nicht mehr, dass alle neuen Tatort Kommissare gefühlt nach 3 Folgen schon wieder hinwerfen 😛 ) und deswegen habe ich mich auch sehr darauf gefreut ihre Autobiografie zu lesen, die mir auch von meiner Freundin von Glimrende empfohlen wurde.

Das Buch macht auf den ersten Blick mit dem Titel „Ich war mein größter Feind“ einen eher düsteren Eindruck, ich kann in der Hinsicht allerdings Entwarnung geben, denn das Buch ist keineswegs traurig oder deprimierend, sondern sehr menschlich, unterhaltsam, berührend und abwechslungsreich. Adele hat das Buch nach eigener Aussage nach einer (unerwartet) sehr schweren Zeit in ihrem Leben geschrieben, nämlich nachdem beide Eltern und ihr Bruder Alexander innerhalb kurzer Zeit verstorben sind. Trotzdem ist es ein sehr lebensbejahendes und nach Vorne blickendes Buch geworden.

Es ist keine klassische chronologische Autobiographie, die mit der frühen Kindheit anfängt und sich ins Erwachsenenleben fortsetzt, sondern es sind ineinander abgeschlossene Kapitel, die sich jemals mit einem anderen Abschnitt oder Thema aus Adeles Leben beschäftigt. Dabei gibt es eine sehr gelungene Ausgewogenheit zwischen beruflichen und privaten Themen, es gibt tiefere Einblicke in Adeles Theaterkarriere (was ich sehr spannend fand, da ich mich mit diesem Teil des Showbusiness wenig auskenne) und dem damit verbundenen künstlerischen Prozess, sowie Einblicke in ihre spätere mehr TV- und Filmorientierte Karriere. Aber auch ihre Kindheit, die Lebensgeschichte ihrer Eltern, ihre Ausbildung, ihre Ehe und ihr Sohn, sowie Reflektionen über ihr eigene Entwicklung kommen nicht zu kurz. Der Schreibstil ist kurzweilig, gut zu lesen, nicht übermäßig sentimental, aber trotzdem sehr ehrlich und berührend, so dass ich das eine der schönsten Autobiografien fand, die ich bisher gelesen habe. Zudem ist Adele Neuhauser wie ich finde wirklich ein sehr faszinierender und besonderer Mensch.

Aufgelockert wird das Buch mit sehr schönen Bildern von Adele in jedem Alter und von ihren Familienmitgliedern.