„Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit“ von Charlotte Roth ist eine Romanbiografie über den Schriftsteller Michael Ende. Wie vermutlich die meisten Kinder habe ich dessen berühmtesten Bücher „Lukas und der Lokomotivführer“, „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ als Kind begeistert gelesen (und vor allem die Augsburger Puppenkisten Adaption vom Lukas geliebt). Mit seinem Leben und seiner Entwicklung als Autor habe ich mich aber nie näher beschäftigt. Trotzdem hat mich die Idee einer Romanbiografie über sein Leben sofort angesprochen, schon alleine durch den sehr faszinierenden und inspirierenden Titel.
Die Geschichte beginnt schon vor der Geburt Michael Endes, mit dem Kennenlernen seiner Eltern Edgar Ende und seiner Mutter Luise. Edgar Ende ist Künstler und Maler, vor und auch nach Michaels Geburt in Garmisch-Partenkirchen nur mit sehr wechselhaftem und unzuverlässigem kommerziellen Erfolg gesegnet. Michaels Mutter liebt ihren kleinen Sohn abgöttisch, eine Liebe die schon in den ersten Jahren des Familienlebens bei mir beim Lesen ein etwas unwohles Gefühl hervorrief, obwohl nichts im Text eine Erklärung dafür lieferte. Das das Gefühl etwas gerechtfertigt war, zeigte sich im späteren Verlauf des Buches allerdings noch, denn die Liebe von Michaels Mutter erschien dann später doch oft als durchaus „erdrückend“. Auch der starke Zusammenhalt der armen aber glücklichen Familie aus den ersten Jahren bleibt nicht lange erhalten, so dass Michaels Kindheit zuerst durch viele erbitterte Streitereien der Eltern und dann auch noch durch die Gräuel der Nazi-Zeit geprägt sind. Trotzdem bekommt Michael von seinen Eltern schon immer ein Faible für Kunst, Fantasie und Träumereien vermittelt. Nachdem es beruflich für seinen Vater zuerst etwas bergauf ging, wird dessen Kunst während der Nazizeit zu entarteter Kunst erklärt und verboten, die Familie landet wieder ganz am Anfang und kann sich nur durch die Arbeit der Mutter als Heil-Masseurin mit Mühe und Not in einer kleinen Münchner Wohnung über dem Wasser halten.
Beeindruckend fand ich bei dem Teil der Geschichte die Erzähl- und Bildkraft der Autorin Charlotte Roth, die den Einfluss der schwierigen Zeit auf das Kind Michael so lebhaft vermittelte, dass es für mich eine der eindrücklichsten und bewegendsten Schilderungen einer Kindheit im 3. Reich war, auch wenn das hier nur einen relativ kleinen Teil der Geschichte ausmachte. So lernte ich auch in diesem Buch das erste Mal welchen Einfluß diese Kindheitserfahrungen zum Beispiel auf die Entstehnung von „Momo“ waren und was Hintergrund und Inspiration für die Zeit stehlenden Grauen Herren waren, etwas das mir als Kind nicht bewußt war.
Der 2. Teil des Buches beschäftigt sich dann entsprechend einerseits überwiegend mit Michael Endes schriftstellerischer Karriere, die durch bemerkenswert viele Zweifel, Schreibblockaden und Fehlschläge geplagt war und andererseits mit seinen Beziehungen zu seiner ersten Ehefrau, der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, deren großen Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen, sowie seinem etwas schwierigem Verhältnis zum Thema Treue. Besonders interessant fand ich auch zu erfahren wie schwierig und für den Autor deprimierend der Prozess der Verfilmung von „Die unendliche Geschichte“ verlief und wie unzufrieden und verhasst der endgültige Film für Michael Ende war (er wurde nur unter Androhung einer für seinen Verlag und ihn selbst existenzbedrohenden Klage dazu genötigt sich nicht mehr gegen den Film zu positionieren) . Da ich den Film als Kind gar nicht so schrecklich fand (obwohl ich die Kritik von Michael Ende aus dem Buch jetzt im Nachhinein schon gut nachvollziehen kann und es auch als Kind schon etwas merkwürdig fand, dass Fuchur aussieht wie ein putziger Hund), war das quasi erst mal etwas schockierend. Aber genauso habe ich erst dieses Jahr erfahren, dass Stephen King die doch sehr kultige Verfilmung von „Shining“ mit Jack Nicholson hasste. Vermutlich kommt es gar nicht so oft vor, dass eine Romanverfilmung die künstlerischen Ansprüche des Autors erfüllt.
Sprachlich und stilistisch fand ich das Buch wirklich herausragend und auch sonst hat es mir immens Spaß gemacht auf diese Art und Weise mehr über den Autor Michael Ende und seine Werke zu erfahren. So erhält man als Leser nochmal einen ganz anderen Zugang zu den Texten und Figuren eines Autors und ich habe richtig Lust bekommen die Klassiker von Michael Ende unter diesen neuen Voraussetzungen mal wieder zu lesen. Fans von Biografien (man sollte sich bewusst sein, dass bei einer Romanbiografie der künstlerische Ausdruck vor 100% Faktentreue steht, was im Vorwort auch betont wird) und Fans von Büchern über Autoren und Literatur, sowie allen Lesern, die Michael Endes Bücher mögen empfehle ich das Buch uneingeschränkt.