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Buch-Tipp: „The Shards“ von Bret Easton Ellis

„The Shards“ von Bret Easton Ellis habe ich mir zum Lesen ausgesucht, da die Beschreibung sehr interessant klang und der Autor seit „American Psycho“ wohl den meisten Leser:innen ein Begriff sein dürfte. Allerdings hatte ich im Vorfeld schon einige eher durchwachsene Rezensionen gelesen, was bei mir aber den Eindruck erweckte, dass einige Leser:innen mit falschen Erwartungen an das Buch herangegangen sind. Einen klassischen Psychothriller darf man dabei nämlich sicher nicht erwarten. Das Buch ist sehr dick und Bret Easton Ellis generell nicht gerade für leichte Kost bekannt.
Zum Buch: der junge Bret geht in den 1980’er Jahren in Los Angeles auf die private Buckley School. Seine Freunde und er stammen aus privilegierten Elternhäusern. Geld, Drogen, Autos und viel Freiheit stehen im Überfluss zur Verfügung. Bret wohnt aktuell sogar alleine in der Villa seiner Eltern, da diese sich auf einem mehrmonatigen Europa-Trip befinden. Nach einem unbeschwerten Sommer geht das Abschlussschuljahr der Freundes-Clique los und gleichzeitig mit dem Beginn der düsteren Jahreszeit scheint sich auch sonst in Los Angeles Einiges zu verdüstern: eine merkwürdige esoterische Sekte terrorisiert die Stadt und ein Serienmörder tötet und misshandelt junge Frauen. Auch in Brets Jahrgangsstufe gibt es eine Veränderung, ein neuer Schüler – Robert – stößt dazu und von Anfang an ist Bret fasziniert von dem gutaussehenden Jungen, findet ihn einerseits anziehend und attraktiv und andererseits verstörend…schnell ist Bret überzeugt, dass Robert etwas mit den Morden zu tun hat und er hat das Gefühl ihn als Einziger zu durchschauen.

Wer nun anhand dieser Beschreibung einen Sebastian Fitzek mäßigen Thriller erwartet, könnte nicht falscher liegen. Das Buch ist nämlich sehr ausschweifend und beschäftigt sich eigentlich nur am Rande mit dem Serienmörder, sehr viel intensiver mit Bret und deswegen zahlreichen Problemen. Bret ist schwul und versucht nach außen hin die Rolle des heterosexuellen aktiven aufmerksamen Freundes seiner in der High School beliebten Freundin zu spielen, während er trotzdem versucht seine Schwärmereien und homosexuellen Bedürfnisse heimlich auszuleben. Dabei verstrickt er sich immer mehr in seiner Besessenheit mit Robert, doch sind seine Vorstellungen und Verdächtigen real oder findet alles nur in seinem Kopf statt? Ist Robert wirklich so gestört wie Bret es empfindet? Und warum interessiert sich außer ihm niemand für die Geschehnisse?

Ich fand das Buch sehr außergewöhnlich und durchaus sehr herausragend, wenn man sich von dem weitschweifenden Stil und den vielen Beschreibungen von Musik, Filmen und Popkultur nicht abschrecken lässt. Dem Autor geht es mit dem Buch sicher auch darum ein bestimmtes Lebensgefühl und eine bestimmte Zeit zu beschreiben, was ihm hervorragend gelingt. Gleichzeitig werden die Leser:innen mit in Brets Kopf genommen und zweifeln eigentlich selbst die ganze Zeit an der Frage wem man in dem Buch eigentlich glauben kann. Das Buch hat eigentlich viele Themen, Selbstfindung, Erwachsen werden, der Umgang mit der eigenen Sexualität in einer Zeit wo ein Coming-Out noch undenkbar war, Verlustängste, Eifersucht und Einsamkeit. Ich vermute dieses Buch kann man nur entweder weglegen oder genial finden, einen Effekt den Bret Easton Ellis bisher wohl mit fast allen seiner Bücher bewirkte. Ich gehöre definitiv zu den Leuten, die er damit abgeholt hat und es hat in mir auch die Lust geweckt einige seiner älteren Bücher zu lesen (und „American Psycho“ ein zweites Mal). Ein Buch das man jedem empfehlen kann, ist es aber sicherlich nicht. Für mich definitiv ein Meisterwerk.