Der Roman „Das Gewicht von Schnee“ von Christian Guay-Poliquin spielt in Kanada, in einem von der Außenwelt abgeschnittenen im Schnee verschwundenen kleinen Dorf irgendwo in der Wildnis, wann genau und wo erfährt der Leser nicht. Das Einzige was man weiß, ist dass der Strom ausgefallen ist und zwar nicht nur dort, sondern vermutlich überall in Kanada oder vielleicht sogar auf der ganzen Welt? Die Bewohner des Dorfes haben sich organisiert und arrangiert, verteilen Lebensmittelvorräte an die Dorfbewohner, gehen Patrouille um sich vor Eindringlingen zu schützen und erhalten die Ordnung aufrecht. Ein harter Winter hat gerade erst angefangen und es wird Monate dauern bis der Schnee genug geschmolzen ist um überhaupt eine Chance zu haben das Dorf zu verlassen.
Hauptpersonen des Romans sind zwei Männer die als Schicksalsgemeinschaft wider Willen aneinandergekettet sind: Mattias ist ein älterer Mann, der einen Trip aus einer Großstadt aufs Land machte als er eine Auszeit von seiner dementen Ehefrau brauchte. Als der Strom ausfiel blieb er in dem Dorf stecken und wohnt nun im Vorbau eines Hauses etwas außerhalb des Dorfes.
Der junge Mann, der bei ihm wohnt ist auf ähnlich ungewollte Weise dort gelandet. Er stammt ursprünglich aus dem Dorf und wollte nach Jahren seinen Vater besuchen. Nicht nur ist dieser bereits verstorben, der junge Mann hatte auf dem Weg auch noch einen schweren Autounfall, brach sich beide Beide und konnte nur geradeso von den Dorfbewohnern gerettet werden. Diese kommen kurzerhand auf die Idee ihn bei Mattias, dem anderen „Eindringling“ abzuladen. Als Gegenleistung für die Pflege werden die beiden von den Dorfbewohnern mit Lebensmitteln versorgt.
Wir begleiten dieses ungleiche Paar also durch einen entbehrungsreichen Winter, während Mattias lediglich darauf hinarbeitet irgendwann das Dorf verlassen zu können, um seine Frau wiederzusehen (vor der Möglichkeit, dass sie den dystopischen Stromanfall gar nicht überlebt hat, verschließt er die Augen) ist der junge Mann ans Bett gefesselt und kann nichts anderes tun als aus dem Fenster auf die Schneemassen zu schauen. Obwohl Mattias eher ruppig auf seinen Mitbewohner reagiert und dieser mit seinem persönlichen Schicksal hadert baut sich über die Monate eine immer tiefere Verbindung auf.
Der Stil des Buches ist ruhig, poetisch und bringt die Abgeschiedenheit und Ausweglosigkeit in dem abgeschnitten Dorf perfekt rüber, fast hat man das Gefühl auch am Ende der Welt vom Schnee eingeschlossen zu sein, trotzdem ist die Geschichte nie langweilig und die wenigen Charaktere sind lebendig und wachsen einem ans Herz. Und auch wenn es sich bei der Geschichte um eine Dystopie handelt in der es eigentlich keinen glücklichen Ausgang geben kann, ist die Hoffnung wohl eine der zentralsten Botschaften des Buches. Für mich ein perfektes Buch für die Wintermonate.
Schlagwort: dystopie
Jugendbuch – Tipp: „Dry“ von Neil und Jarrod Shusterman
„Dry“ ist ein dystopischer Jugendroman von Neal und Jarred Shusterman. Er spielt in Kalifornien, das im Buch seit Jahren von Wasserknappheit bedroht ist (ein für die nähere Zukunft leider sicher mehr als realistisches Szenario). Trotzdem geht das Leben dort mehr oder weniger seinen normalen Gang, nur Wasserverschwendung wie das Befüllen von privaten Pools ist verboten. Doch eines Tages kommt es völlig überraschend zur Katastrophe, ein anderer US-Bundesstaat sperrt eigenmächtig einen wichtigen Wasserversorgungsfluß nach Kalifornien, um selber auf das Wasser zuzugreifen und in Südkalifornien kommt von einer Minute auf die nächste kein Wasser mehr aus den Wasserhähnen der Bevölkerung. Die Politik beschwichtigt zunächst und da in einem anderen Landesteil eine große Naturkatastrophe wütet bleibt der als „Tap-Out“ bezeichnete Notstand von Regierung und Katastrophenschutz erstmal merkwürdig unbeachtet.
Die 17-jährige Alyssa lebt mit ihrem kleinen Bruder Garrett und ihren Eltern in einem der betroffenen Orte und man erlebt zusammen mit der Familie wie diese auf die ungewohnte Situation reagiert, erstmal zeitverzögert fast gar nicht und als die Familie dann doch zum Supermarkt fährt um Wasser zu kaufen gehen dort schon langsam die Vorräte aus. Das Buch schildert sehr gut wie die bedrohliche Situation innerhalb weniger Tage komplett eskaliert, Alyssa und Garretts Eltern verschwinden am 2. Tag beim Versuch bei einer Entsalzungsanlage am Meer Wasser zu bekommen. Alyssa findet Hilfe im Nachbarsjungen Kelton, dessen Familie als Einzige auf derartige Katastrophen vorbereitet sind (oder es zumindest glauben), da sie zur Gruppe der „Prepper“ gehören (Menschen, die ständig damit beschäftigt sind sich auf einen drohenden Weltuntergang vorzubereiten, z.B. in dem sie Vorräte horten oder Bunker auf ihrem Grundstück anlegen. Doch auch Keltons Familie muss bald feststellen, dass die Realität des Überlebenskampfes nicht unbedingt viel mit der Theorie zu tun hat.
Das Buch wird überwiegend in der Ich-Perspektive erzählt, wobei der Ich-Erzähler von Kapitel zu Kapitel zwischen Alyssa, Kelton und zwei weiteren Teenagern wechselt, auf die Alyssa und Kelton während ihrer Suche nach Wasser stoßen. Diesen Perspektivenwechsel fand ich manchmal ein bisschen verwirrend (das ist jetzt schon das zweite Buch mit wechselnder Ich-Perspektive, das ich in kurzer Zeit lese, dabei ist das eigentlich ja keine so übliche Erzählform, allerdings muss ich sagen, dass ich es in diesem Buch insgesamt gut umgesetzt fand). Aufgelockert wird die Geschichte durch kurze episodenhafte Einblicke in das Schicksal anderer vom Tap-Out betroffener Personen, die im Stile eines Newstickers zwischendrin eingeworfen sind. Diese haben mir gut gefallen.
Insgesamt ist die Geschichte sehr gelungen, spannend, mit interessanten Charakteren und einem sehr realistischen Szenario in dem gut gezeigt wird wie völlig normale zivilisierte Menschen innerhalb von wenigen Tagen in einen Modus kommen, wo es um das reine Überleben und einen Kampf um Ressourcen geht. Nicht überraschenderweise bleibt die Menschlichkeit dort schnell auf der Strecke. Allerdings ist das Buch für eine Dystopie fast ein bisschen „harmlos“, es geschehen zwar natürlich schreckliche Dinge, trotzdem wirkt die Situation nie wirklich hoffnungslos. Ich denke in einem Jugendbuch ist dies aber völlig in Ordnung. Für mich ein sehr lesenswertes kurzweiliges Buch, das ich innerhalb von 2 Tagen durchgelesen habe.
Buch-Rezension: „Anna“ von Niccolò Ammaniti
Bei „Anna“ von Niccolò Ammaniti handelt es sich um ein weiteres Exemplar des sehr beliebten Themas „Dystopie“ (warum die Menschen so gerne Bücher über die eine oder andere Form des Weltuntergangs schreiben und lesen ist sicher eine psychologisch hochinteressante Frage 😀 ).
In diesem Genre hervorzustechen gelingt sicher gar nicht so einfach, der Roman „Anna“ wurde in einem Artikel den ich gerade las sogar mit Cormac McCarthys „Die Straße“ verglichen (den ich tatsächlich auch gelesen habe). Ob der Vergleich angemessen ist, mag ich nicht zu sagen, beide Bücher sind auf jeden Fall außergewöhnlich, der Stil von McCarthy aber spröder und weniger verspielt.
Die Handlung von „Anna“ spielt auf Sizilien, 4 Jahre nachdem auf der ganzen Welt eine Epidemie einer sogannten „roten Seuche“ ausgebrochen ist an der alle Menschen innerhalb von wenigen Monaten starben. Ausbrechen tut die Krankheit aber erst bei Menschen, die die Pubertät erreicht haben, Kinder bleiben bis zu einem Alter von ca. 14 Jahren gesund…dementsprechend ist 4 Jahre nach erstmaligem Ausbruch von der Welt wie wir sie kennen nicht mehr viel übrig, es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser mehr, alles ist verfallen und geplündert, …aber ausgestorben ist die Welt noch nicht, denn es leben noch Kinder und Tiere, mehr schlecht als recht. In dieser feindlichen Welt lebt auch Anna (ca. 12 oder 13 Jahre alt), zusammen mit ihrem kleinen Bruder Astor, der erst 6 Jahre alt ist. Bevor sie starb hat ihre Mutter ihre ein Buch mit Anweisungen zum Überleben geschrieben, an das Anna sich bisher so gut es geht gehalten hat. Die beiden Kinder leben immer noch im ehemaligen Haus der Mutter. Anna geht tagsüber auf Streifzüge um irgendetwas Essbares aufzutreiben. Ihren Bruder hält sie mit Horrorgeschichten über die Außenwelt dazu an, im Haus zu bleiben. Doch es wird immer schwieriger zu überleben, denn der Kampf um Ressourcen wird immer knapper…
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, obwohl es naturgemäß sehr düster ist und nichts für schwache Nerven. Was es von anderen Dystopien unterscheidet ist, dass die Beschreibungen der Ereignisse und der Welt für mich deutlich realistischer wirken als in vielen anderen Büchern, in denen nach einer Katastrophe die Welt oft eine Art Fantasy-mäßige Unwirklichkeit annimmt, in der gar nichts mehr von der vorherigen Welt übrig bleibt…das ist bei „Anna“ nicht so, erstens wird die Geschichte teils in Rückblenden erzählt, so dass man auch Einiges über die Geschehnisse vor Ausbruch der Seuche erfährt, außerdem erinnern auch später noch einzelne Dinge und Alltagsgegenstände an früher, denn so lange ist der Ausbruch der Seuche ja noch gar nicht her. Das macht das Buch für mich irgendwie realistischer, deswegen aber teilweise auch Verstörender. Es ist auf jeden Fall ein besonderes Leseerlebnis, wegen der hoffnungslosen Ausgangssituation aber natürlich auch nicht grade ein Buch das man lesen sollte, wenn man aufmunternde Unterhaltung haben möchte (dann würde man sich das Buch aber wohl schon nach dem Klappentext natürlich nicht raussuchen). Mich hat das Buch überzeugt und es ist definitiv ein Buch, das auch im Genre Dystopie aus der Masse definitiv heraussticht.