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Krimi-Tipp: „Die Suche“ von Charlotte Link

In den letzten Monaten habe ich einige sehr dicke Krimis von Deutschen Autorinnen (Nele Neuhaus und Petra Hammesfahr) gelesen, die ich von meiner Mutter „geerbt“ habe und die ich aber eher langatmig fand. Deswegen hatte ich fast schon Bedenken einen weiteren anzufangen, habe mich aber trotzdem an „Die Suche“ von Charlotte Link gewagt, da die Handlung auf dem Klappentext sehr interessant klang. Und diesmal wurde ich von der Geschichte auch nicht enttäuscht, obwohl das Buch auch ein sehr dicker Wälzer ist und es sich nicht um eine klassische Krimihandlung handelt.

Das Buch beginnt mit dem Verschwinden des 14 jährigen Teenagers Hannah. Sie verpasst sehr zum Ärger ihres überbehütenden und kontrollsüchtigem Vater nach einem Besuch bei ihrer Großmutter den verabredeten Zug nach Hause und lässt sich von einem zufällig vorbeikommenden Nachbarsjungen mitnehmen. Dieser setzt sie am Zielort ab, aber als Hannah dort versucht ihren Vater zu erreichen, geht der nicht ans Telefon. Wenig später verschwindet Hannah spurlos und wird nie wieder gefunden. Jahre später wird die Leiche einer anderen 14-jährigen gefunden, gleichzeitig verschwindet in einem kleinen Küstenstädtchen die 14-jährige Amely, die aber nach ca. einer Woche unter sehr mysteriösen Umständen wieder auftaucht und aufgrund des erlebten Traumas nicht erzählen kann was passiert ist. Und dann gibt es noch Mandy, eine 14-jährige aus einem schwierigen Elternhaus, die nach einem Streit mit ihrer Mutter von Zuhause weggelaufen ist.

Die Scotland Yard Polizistin Kate aus London hat eigentlich gar nichts mit dem Fall der 14-jährigen Amely zu tun, da sie aber aus privaten Gründen in der Pension von deren Eltern übernachtet als diese verschwindet, wird sie mehr oder weniger gegen ihren Willen in den Fall hineingezogen. Eigentlich ist der leitende Ermittler nämlich Caleb Hale, mit dem Kate schon vor einigen Jahren zu tun hatte, als ihr Vater brutal ermordet wurde (dies ist die Art etwas unwahrscheinlicher Zufälle über die man in einem Krimi halt mal hinwegsehen muss ;-)). Lange stochert Caleb Hale im Nebel und es ist unklar ob es sich bei den Fällen der verschwundenen Teenager um eine Serie handelt. Außerdem gibt es viele Verdächtige, die alle Dreck am Stecken zu haben scheinen. Kate ist zudem noch ziemlich mit ihrem Privatleben beschäftigt, das Haus ihrer Eltern das sie vermietet hatte, wurde von ihren Mietern verwüstet und verdreckt zurück gelassen (auch der Grund warum sie in der Pension von Amelys Eltern unterkam), außerdem hat sie nach Jahren des erfolglosen Online-Datings plötzlich sogar 2 Verehrer, die um ihre Aufmerksamkeit buhlen. Trotzdem schafft sie es nicht sich aus dem Kriminalfall rauszuhalten, obwohl sie weiß dass Caleb Hale davon nicht begeistert sein dürfte.

Insgesamt hat das Buch also auch fast alle Zutaten, die mich an den anderen beiden Krimis der letzten Zeit gestört haben, die Geschichte ist ziemlich komplex und es geht in der Mitte ermittlungstechnisch wenig voran. Trotzdem konnte mich „Die Suche“ fast komplett überzeugen, denn die Geschichte ist zwar sehr vielschichtig, aber gut erzählt und kann auch mit einigen unerwarteten Wendungen überraschen. Und ganz am Ende kommt tatsächlich noch eine thrillerartige Hochspannung auf . Außerdem fand ich die Charaktere in dem Buch alle sehr gut und vielschichtig herausgearbeitet, auch Kate fand ich sympathisch und glaubwürdig geschildert. Natürlich gibt es einige Punkte die man kritisieren könnte, so sind die Probleme der Ermittler sicher auch etwas klischeehaft und nicht gerade neu in der Krimiwelt (Kommissar mit Alkoholproblem und Kommissarin mit Selbstbewußtseinsproblem in Sachen Beziehungen…), allerdings ist es vermutlich auch eher schwierig in dem Bereich noch neue Ideen zu entwickeln. Und die Kommissare wirkten definitiv nicht so problembehaftet wie es bei manchen nordischen oder skandinavischen Reihen eine Zeitlang Mode war. Insgesamt für mich von den relativ neu erschienen Krimis der großen Deutschen Autorinnen mit Abstand der Beste.

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Krimi-Tipp: „Das Geheimnis der Grays“ von Anne Meredith

Heute möchte ich die Neuauflage eines historischen Krimis vorstellen und zwar „Das Geheimnis der Grays“ (Originaltitel: „Portrait Of A Murderer“) von Anne Meredith. Anne Meredith ist ein Pseudonym der britischen Autorin Lucy Beatrice Malleson, die unter dem weiteren Synonym Anthony Gilbert eine langjährige Krimireihe rund um den Ermittler Arthur Crook verfasste. Unter dem Pseudonym Anne Meredith hat sie nur 2 Bücher veröffentlicht, eine Autobiografie und eben den psychologischen Krimi „Das Geheimnis der Grays“.

Der Roman erschien erstmalig 1933 und spielt an Weihnachten 1932. Die ziemlich zerstrittene Familie Gray versammelt sich an Weihnachten beim autoritären und übellaunigen Familienoberhaupt Adrian Gray im alten Herrenhaus der Familie auf dem Land. Vordergründig natürlich um gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Allerdings haben die meisten Familienmitglieder andere Absichten, denn sie stecken in mehr oder minder ernsten finanziellen Schwierigkeiten und erhoffen sich von den Festtagen, den Vater dazu zu kriegen, Ihnen finanziell unter die Arme zu greifen. Adrians ältester Sohn Richard möchte sich einen Adelstitel erkaufen, wird jedoch von einer Geliebten erpresst. Der Schwiegersohn Eustace hat mit windigen Spekulationsgeschäften nicht nur seine Klienten sondern auch Adrian über den Tisch gezogen. Und der jüngere Sohn Hildebrand ist ein mittelloser Künstler, der eine ganze Horde von Kindern durchbringen muss, für die er sich eigentlich gar nicht nicht interessiert. Lediglich die jüngste Tochter Ruth und ihr Mann stecken nicht in Schwierigkeiten und haben beim Weihnachtsbesuch keine Hintergedanken. Der 1. Weihnachtsfeiertag beginnt statt mit Geschenken dann direkt mit einem Schock, Adrian Gray wird ermordet in seinem Arbeitszimmer aufgefunden…

Dies klingt auf den ersten Blick wie ein typischer Whodunnit im Stile von Agatha Christie, entpuppt sich aber als psychologischer Krimi bei dem (für die damalige Zeit sicher noch außergewöhnlich und innovativ) die Gefühlswelt des Mörders im Vordergrund steht. Denn wer der Mörder ist, wird schon im ersten Drittel des Buches enthüllt, der Mord wird nämlich in der Ich-Perspektive aus Sicht des Mörders geschildert. Dieser versucht in Folge seine Tat zu vertuschen und diese stattdessen einem anderen Familienmitglied anzuhängen.

Der Roman nimmt sich anfangs viel Zeit die verschiedenen Familienmitglieder vorzustellen, wobei der Blick auf die damalige Gesellschaft ziemlich bissig und ironisch gerät. Glücklich sind nur die wenigstens der vorgestellten Paare und Familienmitglieder.
Im 2. Teil steht der Mörder und sein Innenleben im Vordergrund, im 3. Teil dann die Auswirkungen des Mordes und die Frage ob der Mörder mit seinem Vertuschungsversuch davon kommt. Der Stil ist natürlich etwas altmodisch, allerdings trotzdem sehr leicht lesbar und wer gerne altmodische Krimis wie z.B. von Agatha Christie liest, wird mit dem Buch sicher seine Freude haben. Ich fand es sehr unterhaltsam und auch durchaus vom Aufbau kreativ. Auch wenn die Aufmachung des Klett-Cotta Verlags vielleicht etwas irreführend ist (der englische Titel passt auch viel besser zum Inhalt als der Deutsche) hat es mir eigentlich sogar besser gefallen, dass es sich bei dem Buch nicht um einen klassischen „Wer ist der Mörder?“ Roman gehandelt hat.