Bücher

Krimi-Tipp: „Spiel der Lügner“ von Clare Mackintosh

Spiel der Lügner“ von Clare Mackintosh ist der 2. Band der Krimireihe rund um die walisische Ermittlerin Ffion Morgan. Genau wie der Teil (den ich auch gelesen habe) spielt das Geschehen in dem kleinen Heimatort von Ffion, der in den walisischen Bergen direkt an der Grenze zu England liegt. In der kleinen Feriensiedlung am See (die schon im ersten Teil Ort des mörderischen Geschehens war) wird eine neue Reality TV Serie gedreht, bei der sogar Ffions Postbotin Ceri eine der Teilnehmerinnen ist. Doch die Dreharbeiten laufen schnell aus dem Ruder, einer der Teilnehmer verschwindet und Ffion versucht gemeinsam mit ihrem englischen Kollegen Leo Brady und der neuen Kollegin Georgina dahinter zu kommen, welche Geheimnisse dazu führten, dass die Reality Show brandgefährlich wurde.

Obwohl das Setup des 2. Bandes dem ersten durchaus ziemlich ähnelte und auch die Charaktere zu einem nicht unerheblichen Teil die gleichen waren wie im ersten Krimi, tappte das Buch tatsächlich nicht in die Falle zu repetitiv und unkreativ zu wirken. Im Gegenteil, insgesamt gefiel mir der 2. Band sogar besser als der erste. Die Autorin scheint ihren Stil gefunden zu haben, die Weiterentwicklung der Charaktere ist glaubwürdig und wirkt authentisch, auch Georgina hat mir als neue Kommissarin gut gefallen. Das Verhältnis von Privatkram (natürlich steht Ffions komplizierte Liebes-/Nicht-Liebesbeziehung zu Leo Brady wieder im Fokus) und Krimihandlung ist ausgewogen und auch der Kriminalfall an sich ist gelungen und gut umgesetzt.

Ich empfehle den Krimi für alle die auf der Suche nach eher leichten und unterhaltsamen Krimi-Kost sind und ein landschaftliches Setting in Großbritannien suchen, das noch nicht in vielen Krimi-Reihen im Mittelpunkt steht.

Bücher

Buch-Tipp: „Yoga Town“ von Daniel Speck

„Yoga Town“ von Daniel Speck hat mich als Yoga-Begeisterte natürlich schon allein vom Titel her angesprochen. Von den anderen Büchern des Autors habe ich zwar schon gehört, aber noch keines gelesen. Bei „Yoga Town“ wusste ich rein von der Beschreibung her nicht genau was mich erwartet, war dann aber auf jeden Fall positiv überrascht. Die Yogalehrerin Lucy aus Berlin befindet sich am Anfang des Buches in einer schwierigen Phase, sie hat sich von ihrem Lebenspartner getrennt, schläft übergangsweise im Yogastudio und hadert mit ihrer eigenen Spiritualität. Genau in diesem Moment taucht ihr Vater Lou auf, der sich Sorgen um Corinna, Lucys Mutter und seine Ex-Frau macht, denn die scheint verschwunden zu sein. Gemeinsam finden die beiden heraus, dass Corinna wohl nach Rishikesh gereist ist, der spirituellen Metropole der Hippie Bewegung. Schon 1968 waren Lou und Corinna dort und Lucy kennt die Geschichten von damals nur romantisiert und ausgeschmückt von Lou: zusammen mit den Beatles und anderen Promis verbrachten er, sein Bruder Marc, Corinna und Lous damalige Freundin Marie längere Zeit in einem Ashram mit dem Meditations-Guru Maharishi und versuchen sich an der transzendentalen Meditation. Lucy weiß, dass Lous Bruder Marc auf dieser Reise verstorben ist und dass sie selbst damals dort gezeugt wurde, doch über Genaueres hielten sich Lou und Corinna immer bedeckt. Lucy ahnt intuitiv, dass sie nie die ganze Wahrheit über diese Zeit erfahren hat. Ist Corinna deswegen nach Indien gefahren, um mit der Vergangenheit ihren Frieden zu machen? Lucy und Lou machen sich auf die Suche nach ihr und reisen ebenfalls nach Indien.

Das Buch ist sehr komplex und vielschichtig und deswegen auch schwierig einfach nur kurz zusammen zu fassen und auf den Punkt zu bringen. Die Geschichte wird in parallelen Zeitsträngen erzählt, die aktuellen Geschehnisse in 2019 und die Reise auf dem Hippie Trail von Marc, Corinna, Lou und Marie in 1968, wobei der Teil in der Vergangenheit etwas mehr Raum einnimmt (zumindest wirkte es beim Lesen auf mich so). Dabei wurde mir (1979 geboren) erst mit der Zeit klar, dass die Geschehnisse rund um die Beatles in Rishikesh mehr oder weniger auf tatsächlichen Begebenheiten beruhen (was ich nebenher recherchiert habe und so auch noch mehr über die Entstehung von Beatles Songs wie „Dear Prudence“ und „Sexie Sadie“ erfuhr), die Verflechtungen zu den Hauptcharakteren des Buches sind natürlich fiktional, aber so clever gemacht, dass es immer so wirkt als hätte alles wirklich so passiert sein können. Man fiebert mit den Protagonisten des Romans mit, damals und heute, die alle nicht perfekt sind, aber alle menschlich, alle auf der Suche nach sich selbst und miteinander verwoben, auf eine Art und Weise, die sich Schicht für Schicht aufdeckt. Insgesamt ein Buch, dass sich für alle Menschen empfiehlt, die die Hippie Zeit miterlebt haben, für Beatles Fans, für Yoga-Fans, für Meditationsinteressierte, aber auch für alle die gerne Familiengeschichten und Generationenromane lesen und mehr über eine spannende Zeit der Vergangenheit lernen möchte. Für mich bot das Buch viel Spannendes und Neues und aktuell höre ich noch die zum Buch gehörende Playlist, die auf den bekannten Streaming Plattformen abgerufen werden kann und kann so noch weiter in die Musik aus dieser Zeit eintauchen.

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Eine Idee von Mord“ von Anne Holt

„Eine Idee von Mord“ von Anne Holt ist schon der 3. Krimi in der Reihe rund um die eigenwillige Ermittlerin Selma Falck. Da ich schon die ersten beiden Teile als Hörbuch gehört habe und wissen wollen wie es mit Selma weiter geht, habe ich mich auch beim dritten Band für das Hörbuch entschieden.

Zum Buch: gerade hat sich Selma Falck von den lebensbedrohenden Strapazen ihres letzten Falles erholt, schon scheint sie wieder zur Zielscheibe zu werden. Während sie mit 2 Freundinnen in einem Cafe sitzt, wird sie von einem Streifschuss an der Schulter getroffen, dieser tötet ihre Freundin Linda, die neben ihr saß. Diese ist Parlamentsabgeordnete und nicht nur Selma fragt sich: war sie das eigentliche Ziel des Attentats oder sollte es tatsächlich Linda treffen? Doch als bald darauf noch andere Morde geschehen, wird schnell klar, dass dieser Fall deutlich komplexer und undurchsichtiger ist als zunächst angenommen.

Insgesamt hat mir auch dieser Band wieder gefallen und da mir die Hauptcharaktere, vor allem Selma und ihr Bekannter Einar trotz oder wegen der zahlreichen Ecken und Kanten ans Herz gewachsen sind, werde ich bei der Reihe sicherlich dabei bleiben. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich den Fall diesmal etwas langatmig fand, was meiner Meinung auch daran lag, dass neben dem Journalisten Lars Winter noch weitere Charaktere hinzu kamen, die scheinbar ähnliche Funktionen im Buch ausführten und dadurch etwas austauschbar wirkten. Trotzdem wieder ein kreativer und vielschichtiger Krimi.

Gelesen wird das Buch wie immer von Katja Bürkle, die einen guten Job macht, vor allem gefällt mir wie sehr sich die verschiedenen gelesenen Charaktere voneinander unterscheiden und dass auch die Männerstimmen von ihr immer authentisch und glaubwürdig klingen. Ein wenig mehr Dynamik würde mir eventuell trotzdem sogar noch etwas besser gefallen, allerdings liegt die fehlende Dynamik vermutlich weniger an der Sprecherin, sondern mehr daran, dass die  Selma Falck Krimis von Anne Holt generell sehr ausufernd geschrieben sind. Etwas mehr straffen könnte man die Bücher meiner Meinung nach, ohne dass Qualität verloren ginge.

Bücher

Buch-Tipp: „Die Privilegierten“ von Thomas von Steinaecker

„Die Privilegierten“ von Thomas von Steinaecker ist ein klassischer Gesellschaftsroman, mit einem interessanten Einstieg: wir lernen Bastian Klecka kennen, über den am Anfang des Buches nur bekannt ist, dass er in der norwegischen Einöde in einer Hütte als Selbstversorger ums Überleben kämpft und so langsam anfängt seine Sprache und seinen klaren Verstand zu verlieren.
Warum er dort ist und wie er dort hin gelangte erfährt man als Leser:in erstmal nicht.
Stattdessen springt der Roman zurück in Bastians Kindheit, in ein kleines Dort in den 1980ern oder 1990ern, in dem Bastian bei seinem Großvater aufwächst, nachdem seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Der Teil über Bastians Kindheit liest sich dabei wie ein typischer Coming-of-Age Roman, in dem die Themen Freundschaft und Erwachsen werden im Mittelpunkt stehen und die den meisten Leuten, die in einer ähnlichen Zeit aufgewachsen sind wohl ein Gefühl von Nostalgie vermitteln werden. Ein umso stärkerer Bruch wird die Entwicklung des Romans, wenn er sich in Richtung Gegenwart und zuletzt die Zukunft bewegt, Bastians Streben nach beruflichem und familiären Glück wird zunehmend frenetischer und fragiler, während gleichzeitig auch die Welt und die in Deutschland gewohnte Sicherheit zu zerfallen scheint, ein Gefühl das vielen Menschen heute wohl bekannt vorkommen dürfte. Und letztendlich muss Bastian feststellen, dass selbst sein scheinbar perfekter Sohn keine Garantie für Harmonie und Selbstverwirklichung darstellt.

Insgesamt fand ich „Die Privilegierten“ sowohl unterhaltsam als auch interessant und relevant und zum Nachdenken anregend, ein intelligenter Roman über die Herausforderungen und Privilegien der „typischen“ Deutschen meiner Generation. Zudem ist der ganze Roman mit einem subtilen ironischen Humor durchsetzt, der ihn für mich besonders vergnüglich gemacht hat.

Trotzdem gibt es auch kleinere Kritikpunkte, einige Stilmittel fand ich etwas zu betont als überfrachtetes Stilmittel erkennbar (Stichwort: Katze), da wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen. Trotzdem ein sehr beeindruckender Roman.

Hörbuch

Hörspiel-Tipp: „Momo“ von Michael Ende (Neuerscheinung zum Jubiläum)

Heute möchte ich ein ganz besonderes Hörbuch oder besser Hörspiel vorstellen. Zum 50. Geburtstag des Buches „Momo“ von Michael Ende wurde eine neue Hörspiel Version herausgegeben und diese hat mich wirklich rundum begeistert. Ein Fan von Michael Ende bin ich schon immer, doch Momo habe ich schon lange nicht mehr gelesen und in Erinnerung geblieben war mir vor allem Radost Bokel in ihrer Rolle aus der TV-Verfilmung, die wohl die meisten Menschen meines Alters (Jahrgang 1979) mit der „Momo“ assoziieren. Beim Hören des Hörspiels wurde mir schnell klar, dass ich weite Teile der Geschichte vergessen hatte, was das Anhören um so Spannender machte. Vor allem fand ich faszinierend wie aktuell und zeitlos die 50 Jahre alte Geschichte immer noch ist, als wäre sie gerade für die heutige Zeit geschrieben.

Sogar noch mehr als die Geschichte hat mich aber die wirklich unheimlich liebevolle und zauberhafte Umsetzung des Hörspiels überzeugt, es fällt mir wirklich schwer etwas zu finden beziehungsweise es ist tatsächlich unmöglich etwas zu finden, das man hätte besser machen können. Die Sprecher sind alle zu 100% überzeugend und passen zu ihren Rollen und die junge Paula Drescher liest die Momo wirklich hervorragend, authentisch und warmherzig. Auch ganz großartig fand ich wie die grauen Herren gesprochen wurde (für kleinere Kinder könnte das durchaus manchmal etwas gruselig sein). Abgerundet wird das ganze Erlebnis durch die großartige musikalische Untermalung, es kommen nicht übermäßig viele Lieder in der Geschichte vor und diese sind sehr kurz, doch definitiv wirklich eine Bereicherung. Für mich ein absolutes Highlight und sicherlich das Beste das ich im Jahr 2023 bisher gehört habe.

Bücher

Buch-Tipp: „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger

Der österreichische Roman „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger ist ein weiteres Buch, dass dieses Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert ist und es sogar auf die Shortlist geschafft hat (die Bekanntgabe des Gewinners hat zum Zeitpunkt dieser Rezension noch nicht statt gefunden). Schauplatz des Buches ist ein Wiener Elite Gymnasium,  das Marianum,  Protagonist der Geschichte ist der junge Till Konkorda, dessen Schulzeit im Roman über einige Jahre hinweg geschildert wird.

Till ist weder ein besonders guter Schüler, noch bei seinem Mitschülern besonders beliebt, er hat nur ein geheimes Talent, er spielt leidenschaftlich gerne und dadurch auch irgendwann hoch erfolgreich das Online-Strategiespiel Age of Empires 2. Während er über die Jahre hinweg zwar in diesem nerdigen Kosmos zu einer kleinen Internet-Berühmtheit aufsteigt, hat er in der Schule ganz andere Probleme: ausgerechnet in der Klasse des despotischen, autoritären und exzentrischen Lehrers Dolinar ist Till gelandet. Während alle anderen Klassen ein halbwegs normales Leben mit einer normalen Balance zwischen Freizeit und Schule führen können, duldet der Dolinar keine weltlichen Ablenkungen vom Lernen und tyrannisiert seine Schüler täglich, der Best Case ist wenn man es schafft von ihm möglichst wenig beachtet zu werden, was Till leider nur am Anfang seiner Schulkarriere gelingt.

So begleiten wir als Leser:innen Till durch seine Schulzeit bis hin zum Abschluss im Jahre 2020 und verarbeiten mit ihm so einige Themen, die erste Liebe, den Verlust des Vater, die Höhen und Tiefen des Schulalltags und sein merkwürdiges Doppelleben zwischen mittelmäßigen Schüler und Internet-Gaming-Genie.  

Die große Genialität und Unterhaltsamkeit des Romanes lag für mich dabei definitiv in seiner Sprache, die in manchen Fällen dermaßen pointiert, witzig und raffiniert Gesellschaftskritik enthält, dass ich einige Passagen direkt nach dem Lesen nochmal ein zweites Mal lesen musste, etwas das mir wirklich so gut wie niemals passiert. Aber auch Till wächst einem ans Herz und das Schulleben liest sich immer unterhaltsam, obwohl gar nicht so viele wirklich außergewöhnliche Dinge passieren.

Für mich definitiv eines der besten Bücher des Jahres, das die Nominierung für den Buchpreis absolut verdient hat. Möchte man etwas kritisieren, könnte ich mir vorstellen, dass die längeren Ausführung über Gaming-Themen vielleicht etwas schwer verständlich sein können wenn man mit dem Thema nicht sehr vertraut ist. 

Bücher

Krimi-Tipp: „Verlogen“ von Eva Björg Ægisdóttir

„Verlogen“ ist der 2. Band der Krimi-Reihe von Eva Björg Ægisdóttir rund um die Polizistin Elma. Da mir schon der erste Band ausnehmend gut gefallen hat, freute ich mich sehr auf dieses Buch und wurde auch diesmal nicht enttäuscht. 

Elma ist nach dem Tod ihres Verlobten zurück in ihre Heimatstadt Akranes gezogen und ermittelt dort in der kleinen Polizeistation zusammen mit ihrem Kollegen Sævar und dem Chef Hörður. Wie in jedem Island-Krimi ist die Anzahl der Mordfälle für so ein kleines Land bzw. so eine kleine Stadt nicht besonders realistisch, was aber natürlich dem Lesevergnügen keinen Abbruch tut (und auch für die meisten Regionalkrimi-Reihen genauso zutreffen dürfte). In diesem Band wird eine Leiche in einer Höhle in einem Lavafeld gefunden, dabei handelt es sich um Marianna, eine alleinerziehende Mutter, die vor einigen Monaten verschwunden ist und bei deren Tod ein Selbstmord vermutet wurde. Nun aber ist klar, dass Marianna brutal erschlagen wurde und Elma und ihr Team müssen herausfinden wer dahinter steckt. Marianna war schon öfters im Visier des Jugendamts und ihre 15-jährige Tochter Hekla lebt schon seit Jahren zeitweise bei einer Pflegefamilie. Hat Mariannas Tod mit dieser komplizierten Familiendynamik zu tun oder war es vielleicht eine Beziehungstat? 

Elma und Sævar befragen Mariannas Umfeld und versuchen Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei handelt es sich bei dem Buch um einen psychologischen Ermittlungskrimi, der wie die meisten Krimireihen durch etwas Privatkram der Ermittler aufgelockert wird, was aber in dieser Reihe nie überhand nimmt und sehr schön in die Geschichte integriert ist. Thriller-artige Action und Hochspannung a la Sebastian Fitzek darf man in dieser Reihe nicht erwarten, aber wer es gerne raffiniert und tiefgründig mag und Geschichten mag, wo die Familienbeziehungen und das Innenleben der Charaktere im Mittelpunkt stehen, macht mit dieser Reihe nichts falsch. Eine besondere Dynamik und einige Überraschungen entfaltet dieser Band durch den kreativen Wechsel an Erzählperspektiven.

Bücher

Buch-Tipp: „Paradise Garden“ von Elena Fischer

„Paradise Garden“ von Elena Fischer ist eines der Bücher, das ich mir von der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2023 rausgesucht habe. Im Mittelpunkt des Romans steht die 14-jährige Billie, die mit ihrer Mutter Marika in einer eher tristen Hochhaussiedlung lebt. Über ihren Vater weiß Billie nichts und auch über die Lebensgeschichte ihrer Mutter in ihrem Heimatland Ungarn liess ihre Mutter sie im Dunkeln. Obwohl Billie und ihre Mutter nicht viel Geld haben, sind sie ein Herz und eine Seele, haben liebe Nachbarn und träumen davon in den gerade begonnenen Sommerferien endlich mal in Urlaub zu fahren. Doch gerade als dieser Traum tatsächlich in Erfüllung zu gehen scheint, taucht Billies Großmutter überraschend in Deutschland auf und Billies Leben nimmt eine tragische Wende, nach der sie sich auf die Suche nach ihrem Vater macht.

Der Ton des Romans ist leicht, direkt und locker und schafft es, dass man sich als Leser*in sofort in das Leben der 14-jährigen Billie hineinversetzt fühlt. Die Geschichte an sich ist natürlich traurig, aber niemals düster oder hoffnungslos, Billie ist sicher eine der sympathischsten Hauptfiguren, die mir dieses Jahr beim Lesen begegnet sind. Der Autorin gelingt es ganz hervorragend eine authentische, vielschichtige und berührende Familiengeschichte zu erzählen, in der es kein Schwarz und Weiss gibt, sondern in der fast alle Personen irgendwie Verständnis erzeugen. 

Zusammen mit der wirklich wundervollen Sprache, ist der Roman einfach rundum gelungen und hat die Buchpreis Nominierung aus meiner Sicht definitiv verdient. Möchte man unbedingt etwas kritisieren, würde ich sagen, dass es im letzten Teil eine Szene gab, die ich doch für mich persönlich etwas zu „märchenhaft“ fand und wo die Linie zwischen Fantasie und Wirklichkeit kurz verschwamm, was die Geschichte meiner Meinung nach gar nicht nötig hat. Das ist aber wirklich nur eine Kleinigkeit, die dem Roman keinerlei Abbruch tut. 

Bücher, Hörbuch

Hörbuch-Tipp: „Die Verborgenen“ von Linus Geschke

Heute möchte ich ein Hörbuch vorstellen: „Die Verborgenen“ von Linus Geschke, ein Psychothriller mit einem düsteren unheimlichen Cover, das gut zum Ausgangspunkt der Story passt. Die Familie Hoffmann, Vater Sven, Mutter Franziska und die Teenager-Rochter Tabea leben an der Küste in einem schönen Haus, nach außen hin ist die Familie perfekt. Doch hinter der Fassade bröckelt es: Sven wollte eigentlich nie an die Küste ziehen, Franziska liebt er schon lange nicht mehr, stattdessen seine Geliebte Lara. Franziska ist konservativ und selbstgerecht, doch während sie gerne über andere urteilt, hat sie längst selbst eine Affäre. Tabea ist ein normaler Teenager,  doch ihre Eltern wissen wenig über ihr Leben. Als sich ein mysteriöser Eindringling, ein Phrogger (das sind wohl Menschen, die heimlich in den Häusern anderer Leute wohnen), in das Haus der Hoffmanns einnistet und dort Unfrieden stiftet, zieht das Misstrauen in die Familie ein. 

Das Buch wird abwechselnd aus der Sicht der unterschiedlichsten Personen erzählt: Sven, Franziska, Tabea, dem Eindringling und in der zweiten Hälften gibt es sogar noch mehr Perspektiven. Das macht die Erzählweise des Buches sehr dynamisch und mitreissend, was vor allem beim Hörbuch besonders gut zur Geltung kommt. Allerdings wird die Handlung dadurch auch etwas unübersichtlich. Zusätzlich gibt es parallel auch noch einen Mordfall, dessen Verbindungen zu den anderen Geschehnissen sich erst gegen Ende offenbart. Einerseits macht es das Buch sehr abwechslungsreich, andererseits hätte vielleicht auch einer der Handlungsideen und -stränge für ein spannendes Buch ausgereicht. 

Insgesamt ein unterhaltsamer Roman, der aber für Thriller-Fans vielleicht ein bisschen zu brav und harmlos daher kommt, richtig Grusel oder Hochspannung kam bei mir nicht auf, dafür eine sehr kurzweilige und durchaus aussergewöhnliche Geschichte. 

Die Hörbuchsprecher (sechs an der Zahl) lesen das Buch sehr lebhaft und trotz der großen Anzahl an Sprechern in einem so einheitlichen Stil, dass das ganze Hörbuch aus einem Guss erscheint, eine sehr gute Leistung. 

Bücher

Buch-Tipp: „Risse“ von Angelika Klüssendorf

Das Genre der Autofiktion (ein autobiografischer, aber teils fiktionaler Roman) erfreut sich seit einiger Zeit steigender Beliebtheit bei Autor*innen, aber auch bei Leser*innen. Angelika Klüssendorf kann vielleicht durchaus als Vorreiterin dieses Genres angesehen werden, erregte sie doch vor 20 Jahren Aufmerksamkeit mit ihrem Roman „Das Mädchen“ über ihre schwierige Kindheit in DDR mit einer tyrannischen Mutter, Armut, Vernachlässigung und Heimerfahrungen. Das Buch habe ich damals gelesen und es hat mir auch sehr gut gefallen. „Risse“ (das es auch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte) ist nun sozusagen eine Erweiterung des damaligen Romans, in 10 Geschichten werden weitere Episoden aus dem Leben des Mädchens erzählt, Erfahrungen mit der Mutter, Erfahrungen mit dem sprunghaften und alkoholkranken Vater und Erfahrungen aus dem Leben im Heim.

Am Ende jedes Kapitels gibt es eine kurze kursiv geschriebene Einordnung der Geschichte, die mehr über die dahinter liegende Beziehungen verrät und auch zumindest kleinere Hinweise, was von den Geschichten wirklich Autobiografie war und was fiktional verändert. Trotzdem bleibt bei dieser Art Roman natürlich immer eine Unsicherheit, was der Wucht und Kraft der Geschichten aber natürlich auch keinen Abbruch tut, auch als reine Erfinderungen wären sie literarisch außergewöhnlich stark. Ich denke, dass es deswegen auch egal ist ob man „Das Mädchen“ jeweils gelesen hat, die Geschichten sind auch für sich ganz allein stehend unheimlich berührend und einfühlsam, allerdings natürlich auch keine leichte Kost und deswegen für sehr sensible Menschen sicher nicht unbedingt empfehlenswert.