Bücher

Buch-Tipp: „Solitaire“ von Alice Oseman

Der ursprünglich 2014 erschienene Roman „Solitaire“ von Alice Oseman ist das Debut der jungen Autorin, die neben ihren Jugendbüchern vor allem durch ihre „Heartstopper“ Comics berühmt wurde, die inzwischen auch für Netflix verfilmt wurden. Genau daher kenne ich die Geschichten um Charlie Spring und seinen Freund Nick Nelson auch, die Comics habe ich bisher nicht gelesen, aber die Serie liebe ich (wie wohl jeder der sie gesehen hat). Deswegen wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Erfinderin des ganzen Universums rund um Charlie und Nick auch als Autorin kennen zu lernen. Und auch in „Solitaire“ steht die Familie Spring im Mittelpunkt, allerdings nicht Charlie, sondern seine minimal ältere Schwester Tori.

Tori ist 16, introvertiert, pessimistisch und meistens eher unglücklich (außer bei ihrem größten Hobby – bloggen), gerne mal wütend und das zu ändern fällt ihr trotz ihrer Freunde und ihrer Familie nicht leicht, doch ihr Alltag scheint zumindest einigermaßen stabil und vorhersehbar. Doch dann möchte plötzlich ein etwas merkwürdiger sehr extrovertierter Schüler namens Michael Holden aus für sie unerfindlichen Gründen unbedingt mit ihr befreundet sein und auch ihr bester Freund aus der Grundschule taucht nach einem Schulwechsel plötzlich wieder in ihrem Leben auf. Als wäre das nicht genug fängt eine anonyme Gruppierung namens „Solitaire“ an die Schule zu terrorisieren und niemand scheint sich so richtig dafür zu interessieren.

Es ist nicht ganz einfach den Roman zu beschreiben, den er ist sicherlich sowohl inhaltlich als auch von der Hauptperson her etwas ungewöhnlich. Es ist nicht einfach Tori mit ihrem ganzen Selbsthass und Zynismus zu mögen und auch die Geschehnisse rund um Solitaire wirken oft etwas absurd. Trotzdem hat mir das Buch im Großen und Ganzen sehr gut gefallen, denn die Charaktere sind sehr außergewöhnlich und Toris Gefühlsschwankungen zwischen Hoffnung und Verzweiflung sind mitreissend. Auch hat es mir sehr gut gefallen einen etwas weniger zuckersüßen Blick auf Charlie Spring zu bekommen als in der Netflix Serie, die aus 99% Romantik besteht und 1% Problemen, während in Solitaire Charlies Probleme mit mentaler Gesundheit im Vordergrund stehen. 

Trotzdem merkt man „Solitaire“ noch etwas an, dass es ein Debut ist, ich würde es im ganz wörtlichen Sinne als Rohdiamant bezeichnen (wild und ungeschliffen) und es liest sich als wäre es definitiv sehr kurz nach oder noch während einer ungeliebten Schulzeit geschrieben worden, von jemandem der sein eigenes Schultrauma noch lange nicht überwunden hatte. Das macht gerade diesen Aspekt aber sicherlich auch sehr authentisch. Tatsächlich gestört hat mich an dem Buch eigentlich nur, dass einige der Aktionen von „Solitaire“ etwas unrealistisch wirken, vor allem, da scheinbar kein Erwachsener oder keine Autoritätsperson darauf reagiert (warum z.B. kann eine anonyme Gruppe stundenlang den gleichen Popsong über die Schullautsprecher abspielen, ohne dass irgendwer in der Lage ist, diesen einfach wieder auszuschalten?). Darüber kann man aber leicht hinwegsehen und eine wirklich außergewöhnliche Coming-Of-Age Geschichte lesen.

Bücher

Young Adult Tipp: „Letztendlich waren wir auch nur verliebt“ von William Hussey

„Letztendlich waren wir auch nur verliebt“ von William Hussey hat für einen Young Adult Roman eine etwas außergewöhnliche und traurige Ausgangssituation, denn das verliebte Paar um das es in dem Roman geht wird direkt am Anfang brutal auseinander gerissen: Der schüchterne, bisher ungeoutete und nicht besonders beliebte Dylan verliebte sich Hals über Kopf in seinen neuen Mitschüler Ellis, der so ganz anders ist als Dylan: selbstbewusst, provokant, schillernd und offen queer. Einige Monate wie auf einer Achterbahn verbringen Dylan und Ellis zusammen, dann wird ihre Beziehung überraschend öffentlich, denn jemand hat die beiden heimlich gefilmt und das Video auf Instagram geteilt. Dylan nutzt die Gelegenheit sich zu outen und eigentlich wäre nun erst Recht alles Bestens, aber in der gleichen Nacht gibt es einen folgenschweren Unfall und Ellis kommt ums Leben.

Die Ereignisse überschlagen sich also schon ganz am Anfang des Romans und ähnlich turbulent und leidenschaftlich wie der Beginn ist auch das ganze Buch. Während Dylan in der Gegenwart von Schuldgefühlen überwältigt wird, ist er gleichzeitig sicher, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Er ist sich sicher, dass er in der Unfallnacht von einer unbekannten Person gerettet wurde, die Ellis bewusst sterben liess. Während Polizei und auch sein Umfeld dies skeptisch als Symptom seiner Schuldgefühle als Überlebender sieht, ist Dylan fest entschlossen herauszufinden wer die Person war. Außerdem will er Ellis verborgene Geheimnisse lüften, denn dieser benahm sich in den letzten Monaten teilweise merkwürdig…

Das Buch erzählt abwechselnd von der Zeit nach Ellis Tod und abwechselnd erfährt der Leser was in den vergangenen Monaten passiert ist, von Dylans und Ellis erstem Kennenlernen bis hin zu der tragischen Nacht in der Ellis ums Leben kann.

Die Themen im Buch sind also sehr vielfältig: Coming out, Konflikte mit den Eltern, eine Liebesgeschichte, Dylans Beziehung zu seinem besten Freund Mike und dazu Dylans Recherchen, die dem Buch fast ein bisschen den Anschein eines Krimis gibt. Das klingt in der Beschreibung irgendwie überladen, aber in der Praxis funktioniert das Buch einfach, alles fügt sich nahtlos und harmonisch ineinander, die Charaktere sind sympathisch, stark und liebevoll gezeichnet und werden für den Leser lebendig.

Für mich deswegen ein wirklich außergewöhnlich guter Young Adult Roman, der aus der Masse heraussticht, spannend und charmant ist und trotz der Tatsache, dass eine Hälfte des Liebespaares tot ist, trotzdem unheimlich romantisch ist. Für mich eines der Lese-Highlights 2022.

Bücher

Lese-Tipp: „Der große Sommer“ von Ewald Arenz

„Der große Sommer“ von Ewald Arenz ist ein schöner Coming-Of-Age Roman über einen Jungen, der in den 1980er Jahren aufwächst. Am Beginn des Buches treffen wir den Ich-Erzähler Friedrich, Frieder genannt, auf einem Friedhof, er sucht dort melancholisch nach einem Grab und den nimmt den Leser zurück in einen ganz besonderen Sommer, als er 16 Jahre alt war.
Frieder wohnt mit 2 eher unkonventionellen Eltern und 5 Geschwistern in einem eher chaotischen aber liebevollen Haushalt. Da er aber seine Schullaufbahn sträflich vernachlässigt hat, ist die einzige Hoffnung auf Versetzung eine Nachprüfung nach den Sommerferien und anstatt mit der Familie in den Urlaub fahren zu dürfen wird Frieder dazu verdonnert die Ferien bei seiner Großmutter und seinem Stief-Großvater zu verbringen, um zu lernen. Vor Letzterem hat Frieder fast schon Angst, denn der renommierte Arzt für Bakteriologie ist ein eher harter kühler Mann, der Gefühle nicht nur nicht zeigt, sondern nichtmal zu haben scheint. Frieder ist also erstmal wenig begeistert von der Idee, Trost gibt ihm seine Schwester Alma, die ebenfalls in der Stadt bleibt, sowie sein bester Freund Johann. Und dann ist da noch Petra, die Frieder im Freibad kennen lernt und in die er sich unsterblich verliebt.

So begleiten wir Frieder durch seinen letzten großen Sommer, der bittersüß, glücklich und traurig ist und in dem er sich nicht nur mit den Themen Liebe und Freundschaft auseinander setzen muss, sondern mit der Zeit auch immer mehr über die Großeltern erfährt. Bald sieht er sogar seinen spröden Großvater mit ganz anderen Augen…

Der Stil des Buches ist sehr poetisch, leicht und gleichzeitig tiefgründig, einfach ausgesprochen besonders. Teilweise fand ich Frieder für einen 16-jährigen der in den 80er Jahren aufwächst fast etwas ZU reflektiert, so klingt die Geschichte vielleicht doch etwas mehr nach dem erwachsenen Frieder am Grab (auch wenn Frieder und seine Freunde so einige ausgesprochen teenager-hafte Dummheiten begehen). Aber insgesamt hat das mein Lesevergnügen kein Bisschen getrübt, zu schön und mitreissend sind die Charaktere und die Geschichte dieses Buches. Somit ist das definitiv eines meiner größten Lese-Highlights in 2021.

Bücher

Buch-Tipp: „Hard Land“ von Benedict Wells

„Hard Land“ von Benedict Wells spielt in den 1980er Jahren in einer etwas heruntergekommenen Kleinstadt in Missouri. Der 15-jährige Sam lebt dort mit seinem Vater und seiner Mutter, die seit mehreren Jahren an einem Hirntumor leidet. Die ständige Angst vor dem Tod seiner Mutter belastet Sam und auch sonst war seit Teenager-Leben bisher geprägt von seiner Schüchternheit und Angststörungen. Doch als er sich im lokalen Kino um einen Sommerferien-Job bewirbt, um zu vermeiden, dass er über den Sommer zu Verwandten geschickt wird, verändert sich sein Leben. Denn dort arbeiten auch 3 ältere Teenager, die überraschenderweise mit der Zeit zu guten Freunden werden und im Falle der charmanten Tochter des Kinobesitzers vielleicht sogar zu etwas mehr. Erstmals seit langem erlebt Sam unbeschwerte und lustige Tage und gewinnt mit der Zeit an Selbstbewusstsein, auch wenn die Sorgen um seine Familie weiterhin immer im Hintergrund lauern. Das Buch behandelt dabei alle klassischen Themen des Erwachsenwerdens, Freundschaft, erste Liebe, Zukunftssorgen, Heimat, Familie und Trauer, aber mit viel Leichtigkeit und einer schönen Prise Melancholie.

Das Buch kann man sicher als klassischen „Coming-of-Age“ Roman bezeichnen, ein Genre das sowieso schon immer zu meinen Lieblingsgenres gehört. Trotzdem sticht „Hard Land“ aus der Masse der Bücher positiv heraus, denn der Roman ist einfach überdurchschnittlich gut geschrieben, charmant, berührend und lustig und trotzdem auch sehr ernst, aber immer ohne deprimierend zu wirken. Sam ist ein toller Hauptcharakter, aber auch alle andere Charaktere sind lebendig und der Autor schafft es das Leben von Sam und seinen Freunden mit einer Leichtigkeit zu schildern, die die Zeit beim Lesen nur so verfliegen lässt. Auch die Darstellung des ländlichen Missouris wirkte auf mich sehr authenthisch (natürlich kann man das als Außenstehender gar nicht wirklich beurteilen), so dass ich sogar etwas überrascht darüber war, dass es sich bei Benedict Wells um einen Deutschen Autor handelt.

Für mich ist „Hard Land“ eines dieser raren Bücher, bei denen man wirklich traurig ist, wenn es zu Ende ist und man die Charaktere hinter sich lassen muss, von dem her ist das definitiv eines meiner absoluten Lese-Highlights 2021. Ich habe mir auch vorgenommen noch mehr Bücher des Autors zu lesen.

Bücher

Lesetipp: „Familie und andere Trostpreise“

Die Hauptperson des Romans „Familie und andere Trostpreise“ von Martine McDonagh ist der gerade 21 gewordene aus Großbritannien stammende Sonny Anderson. Über Sonny weiß man am Anfang des Romans nur, dass er schon eine turbulente Kindheit hinter sich hat. Er lebt aktuell mit seinem Vormund Thomas in Kalifornien, hat so einige Neurosen und eine Drogen-Vergangenheit. An seinem 21. Geburtstag erfährt Sonny, dass ihm sein verstorbener Vater ein Vermögen vererbt hat…Grund für Sonny sich auf eine Reise in seine Vergangenheit zu machen und die Hintergründe seiner turbulenten Kindheit zu erforschen. Außerdem möchte er herausfinden was eigentlich aus seiner Mutter geworden ist. Sonnys Vater war eine Art halb-krimineller Sektenguru, ein narzisstischer Gründer einer esoretischen Bewegung und Sonny hat nur verschwommene Erinnerungen an seine Kindheit, die er teilweise in einer Kommune in Südamerika verbracht hat.

Seine Reise führt ihn zu allen möglichen Leuten, die früher Kontakt zu seinen Eltern hatten und ihn als Kind kannten…da Sonny auch noch ein glühender Fan der Horror-Komödie „Shaun of the Dead“ ist, versucht er seine Reise zusätzlich noch mit einem Besuch der wichtigsten Dreh-Orte des Films zu verbinden . Die Erzählweise des Buches ist dabei nicht unbedingt so wie man es bei so einem dramatischen Inhalt vermuten würde, denn Sonny erzählt in der Ich Perspektive in einem humorvoll flapsigen und ironischen Tonfall, außerdem ist er auf den ersten Blick nicht unbedingt der größte Menschenfreund, mit seinen Neurosen und seiner eher introvertierten Art. Mir hat diese Kombination aus Drama und Komödie (heißt im Film vermutlich Dramedy) wirklich gut gefallen, da es dem Buch eine Leichtigkeit gibt, die die Geschichte sonst vielleicht etwas zu düster gemacht hätte. Außerdem wächst einem Sonny im Laufe des Buches immer mehr ans Herz, ein gelungener etwas schwieriger Hauptcharakter mit Ecken und Kanten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die flapsige Tonfall nicht jedermanns Geschmack trifft.

Mir hat das Buch hervorragend gefallen, eine sehr gelungene Mischung aus Coming-Of-Age Story, Familiengeschichte und einem ernsthaften und erschreckenden Einblick in die Welt von Sekten. Auch die Rolle, die der Film „Shaun of the Dead“ in dem Buch gespielt hat, hat mir als Auflockerung gut gefallen und mich dran erinnert, dass ich den schon immer mal angucken wollte…

Bücher

Ein Buch wie ein Gefühlsrausch: „Blanca“ von Mercedes Lauenstein

Als ich den Klappentext von „Blanca“ gelesen habe, war ich mir zunächst nicht sicher ob mir das Buch wirklich gefallen würde, denn es klang nach Roadtrip und dieses Thema wurde literarisch schon so oft aufgegriffen, dass ich mir nicht ganz sicher war ob ich gerade Lust darauf habe. Doch das Buch hat mich dann doch quasi von der ersten Seite an gepackt. Blanca führt mit ihrer Mutter eine Art Nomadenleben. Ihre Mutter ist charismatisch und sprunghaft (und hat wie sich später im Buch herauskristallisiert wohl auch psychische Probleme) und schlägt sich schon ihr ganzes Leben mit Gelegenheitsjobs und Gelegenheitswohngelegenheiten bei Bekannten durchs Leben. Blanca hat keine andere Wahl als dieses Leben mitzumachen, immer wenn sie sich irgendwo etwas eingelebt hat, wird sie von ihrer Mutter davongeschleppt. So  kommen die beiden in den ersten 15 Jahren von Blancas Leben durch ganz Deutschland und Teile von Europa. Blanca besitzt kaum etwas und als ihre Mutter in einem emotionalen Ausbrauch mit einer Auflaufform nach ihr wirft hat sie endgültig genug. Sie haut aus der Wohnung in Hamburg ab und macht sich auf den Weg nach Italien. Dort hat sie mit 9 Jahren einen Sommer verbracht, als ihre Mutter bei einem alleinerziehenden Vater unterkam und mit dessem Sohn verbrachte Blanca einige unbeschwerte Monate, für sie das nächste an einem Zuhause, an dass sie sich erinnern kann.

Das Buch schildert die nächsten Tage in denen Blanca mit wenig Geld und wenig Plan versucht durch Italien zu reisen, dabei trifft sie so einige irrationale Entscheidungen, lernt die unterschiedlichsten Menschen kennen, findet Ablehnung und Hilfe und erlebt so einige verrückte Dinge, die sie emotional und körperlich fast bis an die Belastungsgrenze bringen…nach und nach erfährt man außerdem mehr Details aus Blancas Kindheit und mit der Zeit auch über deren Mutter.

Das Buch ist sehr emotional und mitreißend geschrieben und man kann Blancas Verzweiflung fast immer zu 100% nachvollziehen und fühlt mit ihr und ihrer Suche nach einem Ausweg von Anfang bis Ende mit. Vielleicht passieren ein paar zu viele verrückte Dinge auf einmal (um als 100% komplett realistisch durchzugehen), aber für mich ging es in dem Buch sowieso mehr darum, dass Gefühle transportiert werden und das gelingt der Autorin wirklich ganz hervorragend. Für mich bisher eines der Lese-Highlights von 2018.

Bücher

Jugendbuch-Tipp: „Simon vs. the Homo Sapiens Agenda“

„Simon vs. the Homo Sapiens Agenda“ von Becky Albertalli wurde mir von einer Freundin empfohlen und da ich sehr gerne „Young Adult“ Bücher lese und der Klappentext mich auch sehr angesprochen hat, habe ich mir das Buch (in der englischsprachigen Originalausgabe“) auch bestellt. Die deutsche Ausgabe heißt „Nur drei Worte – Love, Simon“, allerdings kann ich die Qualität der Übersetzung natürlich nicht beurteilen.

Simon ist 17 Jahre alt und geht auf eine typische amerikanische Highschool. Er weiß schon länger, dass er schwul ist, konnte sich aber bisher noch nicht dazu aufraffen, seinen Freunden und seiner Familie davon zu erzählen. Auf Tumblr hat er zufällig einen Post eines Schulkameraden (mit dem Pseudonym „Blue“) entdeckt, der ihn sehr berührt hat, so dass er eine (geradezu altmodische 😉 ) Email-Brieffreundschaft mit ihm beginnt. Der Haken daran: beide schreiben unter einem Pseudonym, wissen zwar, dass sie auf die gleiche High School gehen, aber nicht wer der andere ist…und anfangs ist diese Anonymität beiden auch ganz recht. Unglücklicherweise vergisst Simon sich an einem Bibliotheks-Computer auszuloggen, so dass sein nerdiger Klassenkamerad Martin eine seiner Mails entdeckt und mehr oder weniger ernsthaft versucht ihn mit seiner Homosexualität zu erpressen (als Gegenleistung möchte er dass Simon ihn mit seiner beliebten und hübschen Freundin Abby verkuppelt).

Das Buch erzählt immer abwechselnd von Simons normalen Schulalltag, dazwischen sind seine Email-Konversationen mit Blue abgedruckt. So entspinnt sich einerseits eine zarte und sher süße Liebesgeschichte, andererseits erfahren wir viel über die Alltagsprobleme von Simons Freunden, seinem Familienleben und wie er durch seine Unterhaltungen mit Blue langsam immer selbstbewußter wird.

Als einzige Kritikpunkte ist vielleicht anzuführen, dass das Buch etwas langsam in Fahrt kommt und dass es für den Leser doch recht einfach ist, relativ früh zu erraten wer Blue im wirklichen Leben ist…allerdings tut das dem Lesespaß keinen Abbruch. Die Charaktere sind alle liebevoll gezeichnet und man entwickelt schnell Sympathien für alle, sogar der „Erpresser“ Martin wird nicht als einseitig „böse“ Figur dargestellt. Das Buch schafft es durchaus ernsthafte Themen mit sehr viel Leichtigkeit zu vermitteln und ist somit ein sehr gelungenes Jugendbuch für Leser allen Artes die (unkitschige) Liebesgeschichten und Coming-Of-Age Romane mögen.

Bücher

Buchtipp: „Eine Geschichte der Wölfe“ von Emily Fridlund

„Eine Geschichte der Wölfe“ von Emily Fridlund spielt im ländlichen Minnesota, einem Bundesstaat im Nordwesten der USA.
Die 14-jährige Linda oder Madeline oder Mattie (ihr Name bleibt im Buch genauso merkwürdig unklar, wie ihre Beziehungen zu den Leuten um sie herum) lebt mit ihren Eltern in ärmlichen Verhältnissen unter widrigen Bedingungen an einer Hütte an einem der vielen Seen der Gegend.
Ihre Eltern zogen vor einigen Jahr als Spät-Hippies zusammen mit anderen Erwachsenen und Kindern dorthin, um ihren Traum in einer Kommune zu leben zu verwirklichen. Nach einigen wenigen Jahren in der Kommune verschwanden alle anderen und nur
Linda und ihre Eltern, sowie 4 Hunde, blieben zurück.
Linda lebt dort recht isoliert, ihre Klassenkameraden machen sich über sie lustig und ihre Beziehung zu anderen Menschen besteht weitgehend aus ungesunden Obsessionen (z.B. mit ihrem später wegen dem Besitz von Kinderpornographie verhafteten Geschichtslehrer oder einer Klassenkameradin, die aus anderen Gründen an der Schule ausgegrenzt wird). Echte Beziehungen oder Freundschaften hat Linda nicht und auch das Verhältnis zu ihren Eltern bleibt distanziert, aus Gründen die im Laufe des Buches gut herausgearbeitet werden.

Nicht sehr verwunderlich ist es also, dass Linda fasziniert ist als in eine andere Hütte am See eine junge Familie einzieht, die junge Mutter Patra und ihr kleiner 4-jähriger Sohn Paul (der Vater ist anscheinend Wissenschaftler und aus beruflichen Gründen zuerst mal nie da).
Linda freundet sich mit den beiden an und ergattert recht schnell einen Job als Babysitterin für Paul. Linda mag Paul und kümmert sich gut um ihn (auch wenn sie manchmal genervt von ihm ist), noch faszinierter ist sie aber von Patra, die ihr zunehmend wichtig wird, so dass sie immer mehr Zeit mit der jungen Familie verbringt. Unbehagliche Gefühle bezüglich der an der Oberfläche so „perfekt“ wirkenden kleinen Familie verdrängt Linda…als der Vater Joe während der Sommerferien zurück kommt, ist Lindas Babysitter Job erst mal beendet und Patra und die Familie scheint sich zunehmend merkwürdig zu verhalten…Linda kann sich nicht wirklich von ihnen lösen und sucht weiter ihre Nähe…

Mehr möchte ich an dieser Stelle über den Inhalt nicht verraten, um nicht zu viel von der Handlung Preis zu geben.
Das Buch ist sehr intensiv und erzählt Lindas Lebensgeschichte nicht linear, sondern in Zeitsprüngen, meist wird die Geschichte aus Sicht des Sommers erzählt, in dem Linda
Paul und Patra kennenlernt, es gibt aber auch Episoden aus Lindas jüngster Kindheit und aus ihrem aktuellen Leben mit Mitte 30. Es ist eine Geschichte von Schuld und Loyalität und Abhängigkeit und darüber wie man auch in bester Absicht Schlimmes verursachen bzw. zumindest nicht verhindern kann.
Die Sprache ist dabei poetisch und teilweise detailverliebt, war für mich aber nie langweilig. Ich habe das Buch an einem Wochenende quasi in einem Rutsch ausgelesen. Für mich ein absolut großartiges, aber auch sehr bedrückendes und bewegendes Buch.