„Tree-Drop: Der aschgraue Baum“ von Nik Herrigel ist ein Roman, mit dessen Grundthema sich inhaltlich aktuell wohl jeder identifizieren kann, denn vieles in dem Buch klingt verdächtig nach der heutigen Zeit. Allerdings spielt das Buch in einer nicht näher definierten Zukunft in der die Digitalisierung und die Entwicklung von KI noch weiter vorangeschritten ist. Und zwar so weit, dass HAL, Eine KI-Superintelligenz die Kontrolle über die Welt übernommen und diese in einen Zustand der Balance versetzt hat, in dem die Menschen in Frieden und Sicherheit leben, ohne Kriege, Diktaturen oder Tech-Billionäre, aber dafür in voller Abhängigkeit von der Super-Intelligenz und der modernen Technik (passend zum Thema des Buches habe ich das Beitragsbild mit KI erstellen lassen, was wie meistens zu einem sehr seelenlosen Ergebnis geführt hat…das bleibt aber trotzdem oder gerade deswegen?).
Jeder Mensch hat einen eigenen digitalen Begleiter den er für quasi jede Alltagstätigkeit als Berater nutzt und der ihm viel Aufgaben abnimmt, Medienkonsum auf ihn maß schneidert und aus dem Leben der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken ist. Auch Autos und der ÖPNV fahren weitgehend autonom, der Mensch ist nur noch Beifahrer. Doch plötzlich passiert etwas Unerwartetes: an einem Morgen zeigen die Smartphones und Smart Home Geräte der Menschen plötzlich nur noch einen stilisierten grauen Baum an, jegliche Funktionen sind abgeschaltet und für eine Stunde lang gibt es für die Menschen plötzlich erzwungenes Digital Detox, was kaum noch jemand gewohnt ist.
Während die wenigen Technik-Skeptiker und Nostalgie Fans, die nie der vollen Sucht nach dem digitalen Leben statt gegeben haben erstmal gut zurecht kommen, ist das ganze für die meisten anderen Menschen ein Kulturschock. Doch was hat der mysteriöse Baum zu bedeuten, wer steckt dahinter und was ist der Zweck?
Von der Grundidee her hat mir das Buch wirklich super gefallen, weil vieles davon gar keine Utopie mehr zu sein scheint (wer hängt nicht jeden Tag zu viel am Smartphone, obwohl er die Nutzung lieber verringern würde?). In der Umsetzung hat mir das Buch auch Spaß gemacht, auch wenn es ein paar Abstriche gibt: die futuristische Welt erscheint mir etwas unausgegoren, denn einerseits soll die ganze Gesellschaft komplett umgekrempelt sein, inklusiv der Ersetzung vieler Arbeitsplätze durch KI und der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, andererseits führen die Protagonisten (allesamt Mitarbeiter eines Architekturbüros) scheinbar ein Arbeitsleben wie in 1995 (das einzig moderne daran, dass die Kaffeemaschine beim Kaffee kochen auch noch spricht). Dadurch fällt doch auf, dass der Autor zwar eine super Idee hatte, aber vermutlich doch eher kein versierter Science Fiction Autor ist.
Auch sprachlich fand ich das Buch manchmal etwas anstrengend, was aber mehr an einzelnen Charakteren und deren Ausgestaltung lag. Trotzdem hat mir das Lesen sehr viel Spaß gemacht und das Buch regt zum Denken an.
